Ausgabe 23/2018

Die Nächsten, bitte!
WW Ausgabe 23

Die Veranstaltungssaison in der zweiten Jahreshälfte ist in vollem Gange. Sie beginnt in der Regel Mitte September und endet bereits nach wenigen Wochen Anfang
Dezember, wenn sich die Blicke der Händler und Verbraucher starr Richtung Weihnachten und Festtage richten. Dieses Jahr sollen die Ausgaben auf sensationelle 100 Mrd Euro emporschnellen. Entsprechend groß dürfte die Freude bei Finanzminister Scholz ausfallen. In Präsentationen und Messen noch im Dezember zu investieren verbietet sich allein aufgrund der Vielzahl an Weihnachtsfeiern. Bis Dezember ist der Veranstaltungs-kalender daher prall gefüllt, quer durch die ganze Republik. Ob in Hamburg, München, Berlin, Frankfurt oder Stuttgart, eine mehr oder weniger hochkarätige Weinveranstaltung jagt die andere. Das Interesse an Wein, ob aus der Branche,  aus Handels- und Gastronomieunternehmen oder vonseiten der Endverbraucher, ist groß, und wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, hat die jahreszeit- und witterungsbedingte Zurückhaltung der Sommermonate nicht zu einer anhaltenden Wein-
abstinenz im Herbst 2018 geführt. Allen Veranstaltern und Initiativen, ob es sich um gemeinschaftliche Weinmessen, Hausmessen von lokalen oder nationalen Handelsunternehmen oder um sonstige Veranstaltungen rund um das Thema Wein handelt, muss man Dank sagen. Denn sie tun im Gegensatz zu vielen anderen Aktivitäten etwas Greifbares für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für den Wein und den Weinverkauf. 

Die Veranstaltungen sind deswegen so wichtig, da sie zugleich Information und Beratung liefern und zeigen, dass Wein kein virtuelles Produkt ist, das man mit Rabatten von zuletzt gesehenen 70 Prozent im Onlinehandel erstehen kann und auch nicht aus designten Bildchen und genauso designten Inhalten besteht. Wein kann dort ganz natürlich probiert und genossen werden. Die Konsumenten erleben Wein als wahrhaftiges  und physisches Produkt: flüssig und haptisch auf dem Gaumen und mit seiner inspirierenden Aromenvielfalt in der Nase.

Es mag an der Vielzahl der Veranstaltungen liegen, zugleich aber auch ein Zeichen grundsätzlicher Natur sein, dass sich die Zahl der Besucher der meisten Events auf Vorjahresniveau bewegt. Große Steigerungen hat bislang kein Veranstalter gemeldet. Von echten Misserfolgen war ebenfalls nichts zu hören. Also gilt der Blick der Struktur und der Qualität der Besucher. Erfreulicherweise bevölkern immer mehr junge Konsumenten der Generationen ab 25 Jahren aufwärts die Messen und Präsentationen, während die klassischen Weinkunden im Alter zwischen 55 und 70 Jahren eher ausbleiben.

Es hat sich Grundsätzliches in der Kundschaft verändert, wie mir vor kurzem eine Dame aus dem Weinhandel bestätigte: »Der gute Kunde von früher, der ein paar Mal im Jahr seinen Vorrat an Wein gekauft hat und sogar über so was ähnliches wie einen Weinkeller verfügte, hat Seltenheitswert gewonnen. Gekauft wird heute flaschenweise, und ist die eine Pulle ausgetrunken, wird eine neue gekauft. Manche Kunden aus der Nachbarschaft kommen täglich in den Laden und denken überhaupt nicht daran, mal mehr als eine Flasche mitzunehmen«, bekräftigte sie, dass sich die Kundschaft gewandelt hat, was auch die Direktvermarkter  unter den Winzern spüren.

Platz zum Lagern leisten sich offenbar immer weniger Kunden. Das wäre doch mal ein Ansatz für die Weinwerbung: Wie lagert man Wein? Welche Vorteile bringt es im Einkauf, und welch‘ beruhigendes Gefühl entsteht, einen gewissen Weinvorrat sein eigen zu nennen? Wieviel mehr Genuss bringt ein gutes Essen mit dem passenden Wein, dem man etwas Zeit zur Ruhe und Entwicklung gegeben hat? Gute Gelegenheit, Neues über den veränderten Weinkunden und seine Vorlieben und Einkaufsgewohnheiten zu erfahren, besteht auf dem Fachhandelstag der Weinwirtschaft, der am Vorabend der FINEST 100 exklusiv für den Weinhandel stattfindet und mit einem Vortrag über den neuen Kunden eröffnet.

Hermann Pilz
Chefredakteur Weinwirtschaft
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