Ausgabe 23/2015

Ein Drittel, zwei Drittel - Statt sich auf die Schultern zu klopfen, diskutierte die CDU-Bundestagsfraktion munter über Wein

Weinwirtschaft Ausgabe 23/2015

Es hätte Tage gebraucht, um das Programm halbwegs abzuarbeiten. Unter dem Motto »Deutscher Wein – Kulturlandschaft, Tourismus, Arbeitsplätze« hatte der Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion Volker Kauder, Politiker, Parteifreunde und Fachleute aus der Weinbranche zu Vorträgen und Diskussionen nach Bad Kreuznach geladen. Natürlich ging es um Wahlkampf und darum, der rheinland-pfälzischen CDU-Ministerpräsidents-Kandidatin Julia Klöckner und ihren Parteikollegen eine öffentlichkeitswirksame Plattform zu geben. Warum auch nicht. Das ist legitim. In einer gelebten Demokratie ist der Wahlkampf Ausdruck des Wettbewerbs um die besten Ideen für anstehende Probleme. Davon gibt es offenbar auch beim Wein genug. Man darf Julia Klöckner und der CDU danken, dass der Wahlkampf jedoch kaum eine Rolle spielte und es um die Sache und die Position des deutschen Weins auf nationalem und internationalem Parkett ging. Auf der Tagesordnung standen ein verbraucherfreundliches und marktgerechtes Bezeichnungsrecht, die Zukunft des Weins im Zeichen des Klimawandels und die Möglichkeiten der Unterstützung auf Landes- und Bundesebene. Während die Förderung von Weinbau und Forschung letztlich die Bereitstellung von Finanzmitteln bedürfen und der Klimawandel die Anpassung an die veränderten Bedingungen verlangt, gestaltete sich der Diskurs um ein praktikables Bezeichnungsrecht als das am ehesten taugliche Thema für Diskussionen und unterschiedliche Auffassungen. Zwar zeichnen sich weniger ideologische Konfrontationen mit politischen Gegnern ab, seit die rot-grün-geführte Landesregierung in Rheinland-Pfalz dem reichlich elitären Grundsatz huldigt, »je enger die geografische Bezeichnung eines Weines, desto höher müssen die qualitativen Anforderungen sein«, als dass es widerstreitende Interessen der verschiedenen Branchenteilnehmer gibt.

Eigentlich könnte der deutsche Weinbau ganz zufrieden sein, denn zumindest für jene 30 Prozent der deutschen Weinerzeugung, die über die Absatzkanäle der Winzer und Weingüter laufen, kann sich jeder aus dem Kanon bezeichnungsrechtlicher Möglichkeiten herauspicken, wonach ihm der Sinn steht und wovon er sich die besten Vermarktungschancen verspricht. Die obligatorischen Angaben sind auf ein Minimum beschränkt und keiner ist genötigt, seine Weine mit allem, was das Weinrecht bietet, auszuloben: Lagen, Prädikate, Rebsorten, Jahrgang, Geschmacksrichtung; alles kann, niemand muss. Selbst der Erzeuger kann sich hinter einer Nummer verstecken. Paradiesische Zeiten? Mitnichten.

Ernüchterung machte sich breit, als der Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbands Dr. Rudolf Nickenig klarzumachen versuchte, dass der EU-Kommission, die über allem thront, der Sinn nach anderem steht und sie das heute vorhandene spezifische Weinrecht über kurz oder lang in das allgemeine Agrar- und Lebensmittelrecht integrieren wird. Dann wird die Verwendung bisher gebräuchlicher traditioneller Bezeichnungen obsolet, und wie beim Schwarzwälder Schinken kommt es nicht mehr darauf an, wo die Schweinehälften gewachsen sind, sondern wo der Räucherofen stand. Zurecht erinnerte Nickenig, dass mit der Reform von 2009 das deutsche Weinrecht ins romanische integriert wurde und dort der Institution der geografischen Ursprungsbezeichnung eine überragende Rolle zufällt. Der deutsche Weinbau, so der Generalsekretär, lebt das System der umfassend geschützten Ursprungsweine noch nicht. Die Folge: Während ein Drittel der deutschen Weine zu einigermaßen auskömmlichen Preisen vermarktet werden, dümpeln die übrigen zwei Drittel, die als No-Names über die großen Abfüllkellereien in den discountlastigen Lebensmittelhandel fließen, im Niemandsland. Ohne Heimat und Ursprung sind die Weine dem rauen Wettbewerb mit den Konkurrenten aus aller Welt ausgesetzt. Schon kleinste Übermengen verursachen Preiseinbrüche. Denn für Wein, den niemand will, gibt es auch keinen Preis. Also doch viel zu tun, für die, die per Gesetz bessere Absatzchancen für deutsche Weine finden wollen. Es lebe der Wettbewerb der Ideen.

Hermann Pilz [email protected]