Ausgabe 21/2022

WEINWIRTSCHAFT 21/2022

Themen der Ausgabe

Alkoholpolitik

Experten der Hochschule Geisenheim erläutern, was auf die Weinbranche zukommen könnte.

Pfalz

Woher rührt die enorme Beliebtheit der Region beim deutschen Verbraucher?

Meiningers Rotweinpreis

Neben herausragenden Spätburgundern zeigten auch andere heimische und internationale Sorten höchstes Niveau. Die ein oder andere Überraschung war durchaus dabei.

Alternative Verpackungen

Wie performen Dose, Bag-in-Box und Co. am Markt? Was sind die relevanten Vertriebskanäle?

CapeWine

Die wichtigste Weinmesse auf dem afrikanischen Kontinent meldet sich bunt und optimistisch aus der Corona-Pause zurück.

Einzelheft bestellen oder Abo abschließen:

» hier entlang!

Showmaster

Die Aufregung über die pauschale Beschimpfung von Wein ist fehl am Platz.

Du ziehst ne Show ab, und das macht mich lau. Fuck, Dein Leben ist ne riesengroße Schau. Doch sie wird nicht lang bestehn, ich zähl bis zehn. Länger wird sie nicht weitergehn, du wirst sehn«, texteten die Absolute Beginner, und wahrscheinlich hoffen viele in der Weinbranche, dass der Folge vom 14. Oktober von Jan Böhmermanns ZDF Magazin Royale ein ähnliches Schicksal droht.

Böhmermann nahm sich in der »Weinkritik« vor, Wein zu beleidigen und tat dies auch nach Kräften. Dabei arbeitete er daran, den Ruf des Weins auch mit vermeintlichen Fakten zu schädigen. Es wird schwerfallen, ihm Fehler vorzuwerfen, und doch war das, was er tat, nur eine Beleidigung. Zu keinem Zeitpunkt ging es ihm darum, sich mit Wein oder seiner Herstellung ernsthaft zu beschäftigen. Er wollte sich in erster Linie über Wein und Weinkonsumenten lustig machen. Insofern schenken viele aus der Branche – und auch ich gerade – ihm zu viel Aufmerksamkeit. Ja, wir gehen ihm auf den Leim. Böhmermann wird sich über die Erregung der Weinbranche wahrscheinlich köstlich amüsieren und diese eher als Vorlagen für weitere Sticheleien nutzen.

Vielleicht das Wichtigste, was man von dem Showmaster mitnehmen kann, ist zu verstehen, wie angreifbar Wein ist. Denn natürlich stimmt es, dass bei der Erzeugung von Wein zahlreiche Mittel zum Einsatz kommen können. Böhmermann muss sich nicht darum scheren, wie viele davon tatsächlich praxisrelevant sind. Beim Gelatine-Einsatz hat er in der Pauschalisierung sicher übertrieben. Aromahefen als Geschmacksverstärker darzustellen, mag zwar irrsinnig wirken, klingt aber als Vergleich für Ahnungslose nachvollziehbar. 

Genau das muss man bedenken. Die Tiraden richteten sich nicht an die Branche. Es bringt also nichts, mit einem Branchenblick auf sie zu schauen und sich zu beschweren, dass die Beleidigungen unfaire Pauschalisierungen enthalten, und weder die gelebte Praxis noch den Sinn mancher Verfahren beleuchteten. Entsprechende Zuspitzungen gehören zum Standard-Repertoire eines Satirikers. Wie also mit den Schmähungen umgehen? Leugnen kann man sie schwer, auch wenn nur ein Bruchteil davon auf den eigenen Betrieb zutreffen sollte. 

In die Offensive zu gehen, ist wohl sogar noch kontraproduktiver, denn damit verschafft man dem Showmaster und seinen Beleidigungen lediglich mehr Aufmerksamkeit, und jeder in der Weinwirtschaft dürfte hoffen, dass die Quote der Sendung schlecht war, denn angesichts der Pauschalisierung der Kritik dürften selbst die Erzeuger von Natural Wine keine positiven Effekte erwarten. Das Beste ist daher, die Kritik der Konsumenten abzuwarten und sachlich auf sie zu reagieren, und dem Kunden zu erklären, warum man welche Verfahren einsetzt und welche man gar nicht braucht.

»Die Weinwirtschaft hat genügend Themen, die sie weit mehr beschäftigen sollten als die Beschimpfungen eines Showmasters«

Natürlich kommt wohl kaum eine Wirtschaftsbranche ohne dunkle Geheimnisse aus, und manche davon sind tatsächlich unverzichtbar. Sicher kann man die Weinkritik zum Anlass nehmen, verschiedene Verfahren und Mitteleinsätze zu hinterfragen, doch das sollte man auch ohne Anlass tun. Besser und nachhaltiger sollte man immer werden wollen, auch wenn sich letztlich nie alle schmutzigen Geheimnisse entfernen lassen. 

Es bringt nichts, auf die Beleidigungen beleidigt zu reagieren. Die Sorge, dass infolge der wüsten Beschimpfungen der Weinabsatz zurückgeht, ist berechtigt. Je panischer wir auf Böhmermann reagieren und zurückkeifen, leugnen oder beschwichtigen, desto mehr Raum geben wir ihm aber, und desto stärker werden die Auswirkungen seiner Show. 

Die »Weinkritik« verdeutlicht, dass in der Außenwahrnehmung Wein idealisiert wird und das dieses Ideal-Bild leicht angreifbar ist. Die einzige Erkenntnis, die wir von Böhmermann mitnehmen sollten, ist die eigene Angreifbarkeit, die man gerne verdrängt. Ansonsten hat die Weinwirtschaft aktuell genügend Themen, die sie weit mehr beschäftigen sollten als die Beschimpfungen eines Showmasters. Clemens Gerke