Ausgabe 20/2022

WEINWIRTSCHAFT 20/2022

Themen der Ausgabe

Discount

Wie sind die Regale der einzelnen Wettbewerber bestückt? Die Weinsortimente der Discounter analysiert.

Barolo

Mit einem Hintergrundartikel und einer Verkostung widmet sich WEINWIRTSCHAFT der Perle des Piemont.

La Place de Bordeaux

Der Fine-Wine-Handelsplatz in Bordeaux wird zunehmend internationaler, mittlerweile auch mit einem Riesling aus Deutschland.

Neuheiten Vol.2

Zum zweiten Mal in diesem Jahr hat WEINWIRTSCHAFT die Sortimentsneuheiten der Importeure und Neuerscheinungen der Erzeuger verkostet und präsentiert die Highlights.

Grauburgunder

Neue Leitrebsorte oder vergänglicher Trend? Auf Spurensuche in der Erfolgsgeschichte Grauburgunder.

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Altes Neuland

Kommt jetzt der große Digitalisierungs-Schwung? Man darf hoffen, aber auch zweifeln. 

Nächstes Jahr wird alles besser! Da nämlich tritt die finale Ausführung des sogenannten Onlinezugangsgesetzes in Kraft. Sie haben noch nie von diesem Gesetz gehört? Schade, und geradezu Realsatire, dreht sich doch dieses im exakten juristischen Sprech lautende »Gesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Verwaltungsleistungen« eben um genau das: den Bürgern den Zugang zu Information und Service zu erleichtern. Blöd nur, wenn keiner was davon weiß. 

Das OZG, wie wir es fortan nennen wollen, weil auch der Verwaltungsapparat Abkürzungen liebt, sie klingen ja sehr effizient, wurde bereits im August vor fünf Jahren verabschiedet. »Bund und Länder sind verpflichtet, bis spätestens zum Ablauf des fünften auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalenderjahres ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten.« Man höre und staune. 2023 also werden alle Behördengänge überflüssig? Dem wird natürlich nicht so sein, einige Verwaltungsakte, wie etwa der Kirchenaustritt, erfordern weiterhin das persönliche Erscheinen vor Ort. 

Für die Weinbranche aber hält die Erneuerung viele Potenziale bereit und kommt einer Zeitenwende gleich: Ab 2023 sollen – zunächst – alle Weinbegleitdokumente digital erstellt werden können. Natürlich wird es eine Übergangszeit geben, während der Papier und Bits gleichzeitig genutzt werden können. Im Laufe des Jahres sollen dann nach und nach auch weitere Leistungen digital verfügbar gemacht werden. Meldung von Wein- und Mostbeständen, Ernte und Produktion, Pflanzungen, AP-Nummern ... 

Ist die Branche bereit für diesen Schritt ins Netz? Klar, Corona hat der Digitalisierung einen gehörigen Schub verpasst. So ganz im 21. Jahrhundert scheint man aber noch nicht angekommen zu sein. Dabei stellt sich die Frage, wer die Digitalisierung hemmt: Der Winzer? Der Handel? Die Verwaltung? Wahrscheinlich ist es von allem etwas. Auch geht es natürlich nicht darum, einen Schuldigen auszumachen. Doch muss erlaubt sein, nachzuforschen, wo es hakt. Und das tut es bereits ganz am Anfang der Wertschöpfungskette. Wenn es um High-Tech im Weinberg geht, sind viele Winzer mit State-of-the-Art-Tools ausgestattet. Bei der Administration hapert es, und daran ist der deutsche Staat sicherlich nicht ganz unschuldig, wenn nicht sogar ursächlich. Vieles läuft noch immer ausschließlich per Fax, ein Begriff, den die Generation Z nicht einmal mehr mit einem konkreten Bild verbinden kann. 

»Vieles läuft noch per Fax – das kann die Generation Z nicht mal mehr mit einem konkreten Bild verbinden«

Aber warum tut sich Deutschland insgesamt so schwer mit der ganzen Aktion Ab-ins-Internet? Die Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel hat es mit ihrem Auspruch im Jahr 2013 auf den Punkt gebracht: Ja, das Internet ist für viele noch Neuland, ganz egal, wie viele Digital-Feuilletonisten sich damals darüber mokierten. Aber: Allein anzuprangern, wie rückständig doch alles sei, damit treibt man die Digitalisierung nicht voran.

Was hilft, sind konkrete Angebote. Denn natürlich ist kein Winzer freiweillig digitaler Newbie, genausowenig wie der kleine Fachhandel um die Ecke. Doch die administrative Anforderung, ganz gleich ob Papier oder E-Mail, ist inzwischen so groß geworden, dass der Wissensrückstand nicht mit einem You-Tube-Tutorial aufgeholt werden kann. Nein, die Branche braucht differenziertere Lösungen und massive Unterstützung mit Hands-on-Ansatz: Schulungen, Technik, Software, Womanpower ... Das muss organisiert und bezahlt werden – da sind Verbände wie der Staat gleichermaßen in der Pflicht, genauso wie der Winzer oder Händler selbst. Einige Player sind bereits mit vorbildlichem Beispiel vorangegangen, gerade im Handel, nicht nur mit dem Endverbraucher lässt sich vieles inzwischen per Klick erledigen. 

Das stimmt mich zuversichtlich und skeptisch zugleich, dass die Weinbranche den Sprung ins aktuelle Jahrhundert schafft und eines Tages auch das allerletzte Fax zur Qualitätsweinprüfung gesendet worden ist.  Alexandra Wrann