Ausgabe 20/2014

Weitsicht gefordert - Der Markt sortiert sich: Erzeuger- und Eigenmarken brauchen eine klare Positionierung.

Erzeugung und Konsum von Wein verändern sich unablässig. Ständig sortiert sich der Markt um und lässt für alle Beteiligten neue Rahmenbedingungen entstehen. Die Frage, wohin die Reise geht, scheint oft nicht klar zu sein. Sie bleibt im Nebulösen stecken und verunsichert viele Marktteilnehmer. Da hilft es, sich einmal die wichtigsten Antriebskräfte vorzuknöpfen. Aus meiner Sicht sind das zwei entscheidende Faktoren: Zum einen der hohe Anteil, den die Preiseinstiegsstufe auf allen Handelsebenen gewonnen hat. Zum anderen das Internet und der Onlinehandel, die ein Maß an Transparenz geschaffen haben, das vollkommen neue Anforderungen an die wichtigsten Elemente des Marketings stellt. Nicht jeder hat die Veränderungen bis heute verinnerlicht. Doch was ist zu tun? In erster Linie müssen sich Erzeuger und Händler über ihre Vertriebs- und Preispolitik im Klaren sein. Die einfachen Rezepte der Vergangenheit funktionieren nicht mehr. Niemand kann mehr so vor sich hinproduzieren und am Ende überlegen, wie und wo man den Wein vermarkten, sprich an den Mann oder die Frau bringen könnte. Und kein Händler kann ohne Absprache mit den Produzenten mehr sein Sortiment bestücken. Der Preiseinstieg als eigentlicher Massenmarkt und die geringe Bedeutung, die im Gegenzug der einzelne Erzeuger und seine Produkte in diesem Absatzkanal besitzen, macht es den Produzenten und Vermarktern schwer, erfolgreiche Wein- oder Erzeugermarken zu etablieren. Die kritische Masse vieler Lieferanten reicht bei Weitem nicht aus, um die Interessen in diesem preisorientierten Markt durchsetzen zu können. Der Handel lässt aus Wettbewerbsgründen kaum Luft, denn trotz der Konzentration der Marktanteile auf wenige Handelsunternehmen, die eigentlich ein konkurrenzfeindliches Oligopol befürchten ließen, findet das Gegenteil statt. Blickt man auf die wesentlichen Spieler, dann hat sich der Lebensmittelhandel heute auf die beiden Kontrahentenpärchen Aldi und Lidl sowie Edeka und Rewe verengt. Die Konkurrenz war vermutlich noch nie so groß und wird mit harten Bandagen ausgetragen. Wenn es daher möglich wäre und der übrige Markt genügend Potenzial böte, würden viele Erzeuger von der Belieferung der preisaggressiven Händler Abstand nehmen. Doch das können sich nur die Wenigsten erlauben, und bereits wenn ein Weingut ein paar hunderttausend Flaschen produziert, kommt es um den Lebensmittelhandel kaum mehr herum. Ausweg aus dem Dilemma bietet neben Direktmarketing die Produktion und Vermarktung von Eigenmarken. Der Handel schafft sich eine monopolistische Nische. Der Lieferant muss zwar mit spitzem Bleistift kalkulieren, aber er unterläuft nicht selbst seine Produkt- und Preispolitik. Ordentlich gemacht, funtioniert die Eigenmarke im Handel, aber auch diese Strategie hat ihre Tücken: Eigenmarken profitieren nicht vom Image eines Erzeugers und müssen sich daher über den Preis verkaufen. Für den Produzenten ist es allzuoft nur ein Nullsummenspiel und Wettbewerber um die Kontrakte stehen unablässig auf der Matte. Die Eigenmarke hat aber auch auf der anderen Seite des Tisches Konjunktur. Das Internet bietet heute eine Transparenz, die auch im höherpreisigen Bereich der Erzeugermarken die Einhaltung ganz neuer Spielregeln erfordert. Weshalb auch hier viele Anbieter versuchen, sich mit Eigenmarken in einen sicheren Hafen zu retten, Nicht nur die Großen und Bekannten im Handel wie Hawesko oder Rindchen gehen diesen Weg. Auch immer mehr regionale Händler verfolgen die Strategie der Eigenmarke. Der Pferdefuß ist auch hier, dass ihr das Image des Erzeugers fehlt und der Verkauf über den Preis erfolgen muss. Ohne Eigenmarke kommt aber kaum mehr jemand aus. Die Strategie wird daher sein, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen: Auf der einen Seite die hochwertige Erzeugermarke, die vom Produzenten über eine klare Produkt- und Preispolitik abgesichert ist, und der Massenmarkt, auf dem nur die Eigenmarke eine Überlebenschance bietet.

Hermann Pilz [email protected]