Ausgabe 19/2022

WEINWIRTSCHAFT 19/2022

Themen der Ausgabe

Discount

Die große Discounter-Wein-Verkostung offenbart die Probleme dieses Absatzkanals.

Jens Gardthausen

Ein Jahr nach Amtsübernahme bei Eggers & Franke fragt WEINWIRTSCHAFT im Interview nach.

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Revolution

Die Forderungen der EU bedeuten den Radikal-Umbau der Landwirtschaft.

Nach den Reaktionen auf die Pläne der EU-Kommission zum Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten konnte der Eindruck entstehen, der Plan sei von weltfremden Bürokraten im Elfenbeinturm entwickelt worden. Einhellig lehnten die Winzerverbände die Brüsseler Vorhaben ab, die Statements des Bio-Winzer-Verbands Ecovin und des VDP unterschieden sich nur geringfügig von dem des Deutschen Weinbauverbands.

Personen, die der EU-Kommission zustimmten, ließen sich kaum finden. Das von den Grünen geführte Bundes-Landwirtschaftsministerium lässt durchblicken, dass die Pflanzenschutzverordnung »in dieser Härte nicht kommen wird«. Die ganze Branche ist also von der Position gegen die EU-Position eingenommen. Die ganze Branche? Nein, ein von unbeugsamen Franken geprägter Fachhandel schießt in seinem Newsletter gegen den Deutschen Weinbauverband.

Und die K&U Weinhalle hat gute Argumente. Die Belastung der Böden hat einen kritischen Punkt erreicht, wobei die Nitrat-Level nur ein Aspekt der Diskussion sind. Bei der Trockenheit der Böden sind teilweise bereits Kipppunkte erreicht. Gesunder Boden ist ein zentraler Faktor für lebendige, nachhaltige Öko-Systeme.

Es wäre fahrlässig, sich nicht um gesunde Böden zu kümmern. Dabei spielt die Schuldfrage keine Rolle. Es ist ungerecht, die Fehler, die von vergangenen Generationen nach bestem Wissen begangen wurden, den jetzigen Landwirten anzulasten. Die Beleidigungen, die sie und ihre Familie teilweise erleben müssen, sind nicht nur unverschämt, sondern angesichts des Konsumverhaltens der Mehrheit auch hochgradig scheinheilig.

»Aber wir fahren den Karren doch gerade an die Wand«, wird die letzte Generation protestieren. Und leider hat sie damit Recht. Für Landwirte ist es jedoch verstörend, dass die Einsätze, die sie in den letzten Jahren geleistet haben, von der Gesellschaft nicht anerkannt werden. Die gesamte Branche ist umweltfreundlicher geworden, was nicht heißt, dass Weinbau umweltfreundlich ist. An weiteren Maßnahmen, um noch umweltfreundlicher zu werden, kommt die Landwirtschaft nicht vorbei. Der Zustand der Umwelt ist jedoch das Ergebnis jahrzehntelangen Fehlverhaltens von der gesamten Gesellschaft. Der Punkt, für den die Landwirte eine besondere Verantwortung tragen – schon aus eigenem Interesse – sind ihre Böden.

Graduelle Anpassungen machen es schwer, das Ruder herumzureißen. Leider sind wir als Gesellschaft trotz vorhandenen Wissens seit mindestens 40 Jahren weiter auf falschem Kurs. Das leichte Drehen am Ruder hat nichts daran geändert, dass das Boot, in dem wir alle sitzen, dem Ziel nicht näherkommt – es sei denn unser Ziel ist der Abgrund.


»Die Gesellschaft, inklusive der Landwirte, wird sich transformieren müssen – selbst, wenn es schon zu spät ist«

Die Pläne der EU-Kommission sind radikal. Sie kommen einer Revolution gleich, die das Geschäftsmodell vieler Betriebe massiv bedroht. Wenn der Deutsche Weinbauverband deshalb die Stilllegung großer Weinbauflächen prognostiziert, ist das zutreffend – verschweigt nur den großen Elefanten, der im Raum steht. Die Weinwirtschaft kommt nicht an einer Transformation ihrer selbst vorbei. Wenn sie diese nicht selbst angeht, wird sie von der EU oder dem Öko-System dazu gezwungen werden.

Die derzeitigen Weinbaupolitiker sind nicht zu beneiden. Anders als ihre Vorgänger können sie sich nicht darauf beschränken, Maßnahmen zu verhindern und Subventionen zu fordern. Sie müssen den Wandel mitgestalten. Wer mit Klaus Schneider über Glyphosat und anderen Pflanzenschutz spricht, erlebt einen sehr durchdachten, differenzierenden Mensch, der Umweltschutzmaßnahmen nicht reflexhaft als zu teuer oder unnötig ablehnt. Ich bin auf die Vorschläge des DWV gespannt.

Jedem, der noch solche Reflexe hat oder glaubt, seine Wirtschaftsweise noch lange fortführen zu müssen, rate ich, dem Beispiel des Präsidenten zu folgen und seinen Betrieb nachhaltig zu zertifizieren. Das liefert Erkenntnisse, die Transformations-Möglichkeiten aufzeigen. Und die Gesellschaft wird sich transformieren müssen, inklusive der Landwirte – selbst, wenn es schon zu spät sein sollte. Clemens Gerke