Ausgabe 16/2017

Äpfel und Birnen

Titel WW 16/17

Faszinierende Einblicke liefert Jahr für Jahr der Leistungstest der besten Kooperativen. Die Deutschen machen traditionsgemäß den Anfang, ihnen ist – ihrer Bedeutung für den deutschen Weinmarkt entsprechend – der Großteil der Ausgabe 14 gewidmet. Es folgen die französischen und schließlich, in dieser Ausgabe, die italienischen Genossenschaften. Unweigerlich und wohl wissend, dass man ein Stück weit Äpfel und Birnen vergleicht, ziehen wir redaktionsintern Bilanz. Wie hoch ist das Durchschnittsniveau in den drei Ländern? Wie breit ist die qualitative Spitze? Woher kommen die absoluten Highlights?

Dass die deutschen Genossenschaften den allerbesten Caves Coopératives aus Frankreich und ihren Pendants aus Italien in der absoluten Spitze nicht ganz das Wasser reichen können, liegt vermutlich zum Großteil an der Spezialisierung und an den Rahmenbedingungen. Viele der besten Genossenschaften Frankreichs haben ihren Sitz in renommierten Appellationen, und sie produzieren nicht selten mehr als 50 Prozent der Gesamtproduktion dieser AOC. Beispiele sind La Chablisienne, die Cave de Tain l’Hermitage mit den AOCs Crozes-Hermitage und Hermitage oder die erst vor zwei Jahren fusionierte Rhonéa in den Appellationen Vacqueyras und Beaumes-de-Venise. Das erklärt auch, warum die Union de Producteurs de Saint-Émilion mit schöner Regelmäßigkeit deutlich besser abschneidet, als ihre »Cousins« in den Weiten des Entre-deux-Mers mit den generischen AOCs Bordeaux und Bordeaux Supérieur. Eine am Markt gut eingeführte Appellation hilft sehr dabei, sich die qualitativen Bestrebungen vom Markt auch entsprechend entlohnen zu lassen, besonders wenn man der mit weitem Abstand größter Produzent dieser AOC ist.

 Um den Vergleich zu Italien zu ziehen, muss zunächst einmal das Phänomen Südtirol ausgeklammert werden. Hier hat sich eine historisch gewachsene Struktur über die Jahre mit den Markterfolgen weiterentwickelt. Alto Adige ist nun einmal das Weißwein-Mekka Italiens. Nicht mengenmäßig betrachtet, aber qualitativ. 14 der 15 besten trockenen Weißweine beim diesjährigen Leistungstest der italienischen Genossenschaften stammen aus Südtirol. Beim 15. Weißwein handelt es sich auch noch um einen Gewürztraminer aus dem Trentino. Da hat sich sozusagen jemand erlaubt, in Südtiroler Hoheitsgewässern zu angeln. Warum auch nicht, Wettbewerb schadet nie. Das gilt im Übrigen auch innerhalb Südtirols. Die Zahl der freien Weinbauern und Privatweingüter explodiert in den letzten Jahren. Viele davon sind noch Kleinstbetriebe, doch ihre Weine schmücken immer öfter die Weinkarten der vielen hervorragenden Hotels und Restaurants der Region. Die Genossenschaften von Kaltern bis Bozen, von Meran bis Tramin wissen, dass sie sich auf ihren Lorbeeren nicht ausruhen dürfen. Vom Klimawandel, der es nicht gerade leichter macht, den Weißweintrumpf Jahr für Jahr verlässlich ausspielen zu können, ganz zu schweigen. Doch die Strukturen sind in vielen Betrieben heute so professionell und auf Qualität ausgerichtet, dass man sich um Südtirols Kellereien nicht sorgen muss.

Bei den Rotweinen sieht die Welt bekanntlich anders aus. Hier sind die Karten bunt gemischt. Schließlich wächst überall im gesegneten Rotweinland Italien, von Sizilien bis ins Veneto, erstklassiger Rosso. Zumindest sind die Voraussetzungen dafür vorhanden. Ob sich dieses Potenzial am Ende auch in der Flasche wiederfindet, kommt dann auf den einzelnen Betrieb und seine Mitglieder an. Und auch hier zeigt sich, dass wie im Fall Frankreichs die Genossenschaften mit Spezialisierung und vom Markt gefragten Herkunftsbezeichnungen die Nase vorn haben. Ob Vinchio Vaglio Serra mit Sitz wenige Kilometer südöstlich von Asti, die mit Barbera d’Asti die Jury überzeugten, oder die Amarone- und Valpolicella-Ripasso-Experten aus Negrar oder Valpantena. Gleichzeitig liefern alle drei Verkostungen immer wieder zahlreiche preiswerte Entdeckungen, die wir dem Fachhandel ans Herz legen möchten!

Sascha Speicher
Stellv. Chefredakteur
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