Ausgabe 16/2014

Herausforderungen - Fest steht, die Bestände der deutschen Weinerzeuger sind so gering wie noch nie.

Die neue Ernte ist noch lange nicht im Keller. Alle Vorhersagen sind spekulativ. Ob die Ernte in Qualität und Menge gut ausfällt, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand sagen. Entscheidend ist die Witterung in den letzten Wochen vor der Ernte. Die Launen der Natur ließen schon manchen Winzertraum wie Seifenblasen platzen. Hoffen wir das Beste. Eines ist jedoch heute schon klar und eine Folge der in der Fläche und der Erträge begrenzten Produktion: Auch wenn die Erntemenge groß ausfällt, wird die vermarktungsfähige Menge die Nachfrage nach deutschen Weinen nicht vollständig befriedigen können. Die Bestände der deutschen Weinerzeuger sind so gering wie noch nie. »Ich habe zum ersten Mal in meiner mehr als vierzigjährigen Berufspraxis bei der Bestandsmeldung in der Rubrik Fasswein eine Null eingetragen«, verriet mir vor ein paar Tagen ein Weingutsbesitzer von der Mosel. In den meisten anderen Regionen Deutschlands dürfte die Bestandssituation nicht viel anders sein. Auch in Italien, der zweitwichtigsten Weinherkunft für Deutschland, sind die Bestände nicht mehr üppig, und angesichts eines alles andere als herausragenden Vegetationsjahres blicken viele Weinerzeuger mit Sorgenfalten auf der Stirn in die Weinberge. Lange war es zu kalt und zu nass, und jetzt drängen fortschreitende Reife und warme Nächte zu einer schnellen Lese in Italien. Aller Bedenken und Hoffnungen um die neue Ernte zum Trotz, gibt es im weltweiten Maßstab genug Wein. Spanien brachte 2013 eine Riesenernte ein und die wartet trotz Zwangsdestillation weiter auf ihre Vermarktung. Menge und rechnerische Verfügbarkeit sind eine Sache, ob es die richtigen Weine sind, die Verbraucher und der Markt verlangen, eine andere. Die Konsumenten in Deutschland wünschen fruchtige, reintönige und frische Weine, insbesondere beim Weißwein zählen harmonische Säure und Lebendigkeit. Gelitten hat unter dem Mangel an brauchbaren deutschen Weinen der Absatz im inländischen Lebensmittelhandel und im Export. Zwar wurden Exportaufträge aufgrund der höheren Preise, die in diesem Kanal erzielt werden, von den einschlägigen Exporteuren vorrangig bedient, dennoch sank im Export die Absatzmenge deutlich. Rund 10 Mill. Liter Wein büßte die Ausfuhr deutscher Weine in den zurückliegenden zwölf Monaten ein und sank auf unter 125 Mill. Liter, bei einem nahezu konstanten Gesamtexport von mehr als 350 Mill. Litern. Verlorenes Terrain zurückzugewinnen, wird ein schwieriges Unterfangen sein. Die geringe Verfügbarkeit von Wein hat die strukturelle Veränderung der deutschen Weinbranche beschleunigt. Gewinner des Wandels sind die selbstvermarktenden Weingüter, die in den wichtigsten Anbaugebieten deutlich an Größe zugelegt haben und steigende Anteile an der Vermarktung der Weinernte für sich gewinnen konnten. Beklagen muss man die Situation nicht. Sie ist Folge eines ganz natürlichen Wettbewerbs um die gewinnträchtigste Verwertung, den die aktiven Winzer und Weingüter gegenüber den übrigen Marktteilnehmern – Kellereien und Genossenschaften – für sich entscheiden. Aufgrund ertragreicherer Absatzkanäle können Sie höhere Preise für den Kauf von Wein und Trauben bezahlen. Der Lebensmittelhandel wird sich in Zukunft verstärkt um Kontakte zu den größer und professioneller werdenden Weingütern bemühen müssen. Neue Wege suchen natürlich auch die übrigen Marktteilnehmer. Der Boom der von den Wein- und Sektkellereien fertig gemischten weinhaltigen Getränke kommt nicht von ungefähr. Frucht und ein bisschen Alkohol liefern diese Produkte auf einfachere und billigere Weise. Dem Wein entsteht eine neue, gefährliche Konkurrenz. Verstärkt wenden sich die Kellereien und Vermarkter daneben ausländischen Weinen zu und forcieren im In- wie im Auslandsabsatz diese Weine. Auf genossenschaftlicher Seite suchen die Verantwortlichen ihr Heil im Kostensparen und in Zusammenschlüssen zu größeren Einheiten. Nur wer die Herausforderungen annimmt, wird bestehen bleiben.

Hermann Pilz [email protected]