Ausgabe 14/2022

WEINWIRTSCHAFT 14/2022

Themen der Ausgabe

Leistungstest der Genossenschaften

Die Gewinner des Leistungstests der Genossenschaften wurden im Deidesheimer Hof ausgezeichnet. Es war ein enges Rennen mit teils überraschenden 
Ergebnissen.

Veneto

Abseits von Lugana und Pinot Grigio halten die weißen DOCs Custoza und Soave die Stellung.

Deutsche Genossenschaften

Vertreter führender deutscher Winzergenossenschhaften diskutieren die Zukunftsfähigkeit ihrer Betriebsstruktur (ab Seite 16). Zudem betrachten wir in einem Artikel die Absatzstrategien der Genossenschaften und ihre Positionierung am Markt (ab Seite 36).

Georgien

Das vielleicht älteste Weinland der Welt ist bereit für neue Märkte und Genießer.

Absatzanalyse

Wie haben sich die verschiedenen Vertriebskanäle für deutschen Wein im Zuge der Pandemie entwickelt? Die Absatzanalyse aus Geisenheim klärt auf.

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Bunt statt grau

Die Szene der Winzergenossenschaften ist nicht uniform, sondern sehr unterschiedlich.

Es gibt nicht DIE Genossenschaften.« Als Henning Seibert mir dies unlängst sagte, erzählte er mir nichts Neues, aber er packte eine wichtige Botschaft sehr prägnant in fünf Wörter. Auf den ersten Blick mag die Aussage trivial erscheinen, doch in Wahrheit sprechen wir in der Weinwirtschaft sehr oft über DIE Genossenschaften und werden ihrer Heterogenität damit nicht gerecht.

Dabei ist es faszinierend, dass weit seltener über DIE Weingüter gesprochen wird. Hier wird Individualität viel stärker akzeptiert oder sogar erwartet. Genauso hat aber auch jede Winzergenossenschaft einen individuellen Kern. Das wird gerne geflissentlich ignoriert, wenn in einer Frontenbildung oft über DIE Genossenschaften geschimpft wird. Es gibt im Genossenschaftswesen große regionale Unterschiede. Doch selbst in den Anbaugebieten fährt jede Genossenschaft einen eigenen Kurs.

Für gemeinsame Positionen müssen die Genossenschaften bereits untereinander Kompromisse schließen. Kooperativen aus Baden können das Thema Großlage viel gelassener als ihre württembergischen Kollegen sehen, viele pfälzische Betriebe sind mit der aktuellen Lage dagegen so zufrieden, dass ihnen jeglicher Änderungswunsch am Status quo absurd vorkommt.

Hinzu kommt die Art der Vermarktung. Wer bundesweit im LEH vermarktet, sucht ohnehin nach Lösungen, die sich mehr an Markenstrategien als an vermeintlichen Profilierungshilfen des Weingesetzes orientieren. In der regionalen Vermarktung können dagegen viele Besonderheiten – wie national völlig unbekannte Großlagen – eine wichtige Rolle für den Einzelbetrieb spielen.

»Es gibt nicht DIE Winzergenossenschaften«

Die meisten Genossenschaften bewegen sich in der Mitte. Die regionale Vermarktung ist sehr wichtig, reicht aber nur um einen Teil der Produktion abzusetzen, sodass sie an der Vermarktung im LEH oder auch dem Fassweinmarkt nicht vorbeikommen. Auch in dieser Mitte sind die Herangehensweisen höchst unterschiedlich. Es gibt nicht die eine Lösung, die für alle funktioniert.

Ein weiteres Thema, dass die Genossenschaften in sehr unterschiedlicher Art beschäftigt, ist der Generationswechsel. Baden und Württemberg sind noch deutlich mehr von Nebenerwerbswinzern geprägt als die Pfalz. Zugleich ist auf der rechten Seite des Rheins die Weinbergspflege auch sehr oft die Arbeit an einer Kulturlandschaft, von der die ganze Region profitiert. Letzteres zahlt sich allerdings kaum in besseren Preisen aus, dafür sind die Kosten der Bewirtschaftung deutlich höher. Gerade die Nebenerwerbswinzer waren bisher eher bereit, diesen Aufwand zu leisten. Mitglieder, die vom Weinbau leben müssen, rechnen dagegen genau aus, welche Flächen in der Bewirtschaftung rentabel sind.

Obwohl die normalen Genossenschaften größer als große Weingüter sind und bereits deutliche Konzentrationsprozesse stattgefunden haben, sind sie im Vergleich zum oligopolisierten Handel kleine Fische. Das einstige Versprechen, sich durch gemeinsame Stärke gegen Preisdiktate des Handels durchsetzen zu können, ist nur schwer realisierbar. Dennoch bieten Genossenschaften ihren Mitgliedern eine viel größere Basis-Absicherung als die Selbstständigkeit als Fassweinwinzer. Das kann sich gerade in Krisenzeiten zeigen.

Das ändert nichts daran, dass jede Genossenschaft zahlreiche Themen auf ihrem Tisch liegen hat und der Anpassungsdruck für viele enorm hoch ist. Für die Führungszirkel der Winzergenossenschaften muss es die Hauptaufgabe sein, die Identität ihrer Kooperative gemeinsam mit den Mitgliedern herauszuarbeiten und in der Folge eine Strategie zu entwickeln, wie diese Identität erfolgreich am Markt platziert werden kann. Wenn sie dann ein Gemischtwarenladen bleiben wollen, sollten sie sich überlegen, welche Warenbereiche sich wirklich lohnen – genau wie es ihr Vollerwerbsmitglied bei der Beurteilung seiner Weinberge tut.

Für mich zeigt diese Aufzählung vor allem, dass Genossenschaften nicht langweilig sind, sondern spannenden Gesprächsstoff – auch für diese Ausgabe – liefern. Denn eines sollte man spätestens jetzt nie vergessen: »Es gibt nicht DIE Genossenschaften!« Clemens Gerke