Ausgabe 13/2022

WEINWIRTSCHAFT 13/2022

Themen der Ausgabe

Alkoholfrei

Das Segment wächst rasant und bietet dank Lohnunternehmern auch kleinen Erzeugern eine Chance

Prosecco

Das Konsortium wettet auf anhaltenden Erfolg und sichert sich zugleich ab

Portugal

Abseits von Portwein und »hinter den Bergen«. Der kleine Nachbar von Spanien hat einiges zu bieten

Bordeaux Wine Week

In Bordeaux wurde die Zukunft der Weinwelt diskutiert

Meiningers Best of Riesling 2022

Riesling-Facetten von leicht bis kräftig, von trocken bis edelsüß und von jung bis gereift

Keine Maschine

Seit Jahren lesen wir vom Sterben des Fachhandels. Wenn wir beim Gang durch die Innenstädte vieler kleinerer Städte einen wachsenden Leerstand beobachten, hinterfragen wir diese angebliche Entwicklung nicht. Beim Lebensmitteleinkauf lässt sich zudem feststellen, wie sehr der LEH in seinen Weinabteilungen aufgerüstet hat.

Ich glaube dennoch nicht, dass die Weinfachhändler Dinosaurier sind, die nur noch auf den Einschlag des Kometen warten müssen. Ein Fachhändler, der seit den 80ern dabei ist, hat schon viele Kometeneinschläge erlebt, und wären die Fachhändler heute wie in den 80ern aufgestellt, wären sie auch schon längst ausgestorben. 

Beim Gang durch die Innenstädte beschweren sich die Menschen darüber, dass diese immer uniformer werden und nur Ramschläden leere Ladenlokale besetzen. Natürlich steckt dahinter eine große Scheinheiligkeit, denn die Nachfrage der Kunden formt das Ladenangebot. 

Dennoch lässt sich aus der Kritik an den Innenstädten eine Chance des Weinfachhandels ableiten, denn er bietet ein ausgefallenes Spezialsortiment an, das ihn aus der Masse der Klamottenläden, Bäckereiketten und 1-Euro-Shops herausstechen lässt. Zudem setzt der Weinfachhandel in der Standortfrage ohnehin andere Prioritäten und profitiert wenig von anderen kleinteiligen Geschäften in der direkten Nachbarschaft.

Natürlich haben in den letzten Jahren viele Händler ihr Geschäft eingestellt, doch wann war das nicht so? Schon immer gab es Händler, die ihr Geschäft verstanden und solche, die es nicht taten. Für die Händler, die ausgestiegen sind, kamen Jüngere nach. Sicherlich sind die Herausforderungen heute deutlich komplexer als in den 80ern. Gerade die digitalen Herausforderungen sind für die junge Generation allerdings Alltag. Sie kann sich die betuliche Zeit früherer Fachhändler-Generationen kaum noch vorstellen. Und seien wir ehrlich: Wer heute als langjähriger Fachhändler dabei ist, hat auch damals keine ruhige Kugel geschoben, sondern sich um neues Geschäft bemüht und Chancen ergriffen.

Wo liegen die Chancen für die heutige Generation an Fachhändlern? Das Sortiment ist eine deutlich geringere Chance als in der Vergangenheit. Der LEH hat aufgeholt, und gegen das Angebot des Internets gibt es ohnehin kaum eine Chance. Konnte in der Vergangenheit auch ein kleiner Fachhändler im Internet Zusatzgeschäft generieren, machen es die Investitionen großer Unternehmen in Online-Shops sehr schwer, hier im Neukundengeschäft gegen sie zu bestehen.

Das wichtigste Erfolgsinstrument, das der Fachhändler im Wettbewerb hat, ist er selbst. Die aufgehübschten Wein-Sortimente des LEHs sind ohne fachkundige Beratung wertlos, was immer noch wenige LEH-Unternehmen begriffen haben. Sie erschweren unter Umständen sogar das Geschäft, weil sie den Kunden zusätzlich verwirren. Weinliebhaber, die online einkaufen, wollen auch ihren Experten vor Ort, mit dem sie sich austauschen können und werden ihn nicht links liegen lassen. Auch Veranstaltungen kann der Fachhändler individuell gestalten und seine persönlichen Stärken zur Geltung bringen. Selbst wenn man Social Media negativ als Selbstdarstellung abkanzelt, heißt das zugleich, dass der Fachhändler sich hier inszenieren kann. 

Das alles widerspricht einem wesentlichen Erfolgsfaktor, nach dem Investoren heute als Zweites direkt im Anschluss an das Geschäftsmodell fragen. Nein, die Persönlichkeit ist nicht skalierbar. Für den Weinverkauf bleibt sie dennoch eine wichtige Größe, weshalb sich ein Fachhändler nicht durch eine Maschine austauschen lässt und auch kein Dinosaurier sein muss.

Wer als Weinfachhändler erfolgreich agieren will, muss auf sich selbst schauen und herausfinden, wo seine Stärken liegen, wie er mit den Kunden agieren will und kann. Mancher kommt vielleicht zu der Erkenntnis, dass er kein Verkäufer ist, doch auch wenn er dann aussteigt, mache ich mir um den Weinfachhandel deshalb keine Sorgen, weil andere nachkommen, die mit frischer Weinleidenschaft bereichern. Der Fachhandel lebt nicht nur, er hat sich in all den Jahren stets weiterentwickelt.