Ausgabe 13/2021

WEINWIRTSCHAFT Ausgabe 13/2021

Themen der Ausgabe

Alkoholfreie Weine

Der Marktanteil entalkoholisierter Weine wächst. Inzwischen ist die Vielfalt der Produkte groß 

Best of Riesling

Wir präsentieren die Sieger von mehr als 2.400 Rieslingen aus Deutschland und der ganzen Welt

Weiße Burgunder

Insbesondere der Grauburgunder ist seit Jahren ein echter Kundenliebling. Andere Sorten ziehen jetzt nach

Premium Rosé

Die dritte Weinfarbe mausert sich. Rosés wird meistens nicht allzu viel zugetraut. Aber das ändert sich derzeit

Kulturwandel

Alkoholfreie Weine sind ein Wachstumsmarkt. Warum? Sie spiegeln den Zeitgeist wider.

Geschichten, die sich um Alkohol in Form von Wein, Bier und Spirituosen ranken, gibt es tausendfach, spannende, böse, lustige, traurige, obszöne oder einfach nur dümmliche oder gefakte. Die Prohibition in den USA war so eine. Sie war Nährboden für die Entwicklung der Mafia in den USA, die Chicagos berühmtestem Gangsterboss, Al Capone, als Alkoholschmuggler jährlich ein paar Millionen Dollar einbrachte. Der Alkohol war wohl nicht sein Hauptproblem. Er starb 1947 an den Spätfolgen einer Syphiliserkrankung, die er sich wahrscheinlich bei einer Prostituierten eingefangen hatte. 

Eine andere amerikanische Legende, die Familie Kennedy, hatte mehr Glück mit Alkohol. Vater Joseph (Joe) Kennedy mischte kräftig im Alkoholschmuggel mit und produzierte und bunkerte große Mengen Alkoholika in Kanada. Während und nach der Aufhebung der Prohibition machte er ein Vermögen.

Zur rechten Zeit am rechten Fleck scheint bei Alkohol offenbar eine wichtige Sache zu sein. Das trifft wohl auch auf die Legende des Bernkasteler Doctors zu, die sich hartnäckig hält und auf die Genesung des Trierer Kurfürsten Boemund II. im 14. Jahrhundert in der damals zugigen Burg Landshut hoch über Bernkastel anspielt. Gicht war zu allen Zeiten der Ritter Leiden, mochten sie noch so kühn und unerschrocken sein.

Wein war damals Gottheit, dazu von der Kirche heilig gesprochen, zudem selten und teuer, weshalb Panschereien ganz natürlich zum Gewerbe gehörten. Das ganze Mittelalter hindurch bis ins 18. Jahrhundert war Wein dennoch das einzige halbwegs saubere Getränk in Europa, weswegen bald jeder Acker in Deutschland, Österreich-Ungarn und Frankreich mit Reben bepflastert wurde.

Auf die genetische Selektion der Europäer hat es vermutlich einen wohltuenden Einfluss gehabt, denn anders als viele Asiaten verfügen die Europäer über eine gesteigerte Produktion des Enzyms Alkoholdehydrogenase, deren Varianten ganz entscheidend für den Abbau von Alkohol im Körper sind.

So eng die Geschichte der Menschheit seit der Antike mit Alkohol verbunden ist, scheint sie sich nun angesichts neuer Technologien, mehr noch angesichts eines Bewusstseinswandels vieler Menschen, zu entkoppeln, was die Frage aufwirft: Was passiert eigentlich gerade in der Gesellschaft? Angst scheint mehr als früher Begleiter der Menschen zu sein. Man fürchtet sich vor allem und jedem: Vor Klimawandel, vor Überfremdung, vor politischer Instabilität, vor Radikalen, vor Corona-Viren und überhaupt vor Krankheiten jeder Art, obwohl die Menschen immer älter werden und viele bis ins hohe Alter gesund und fit bleiben. Die Ängste kulminieren in neuen Trends und Moden vor allem der Jungen. Abstinenz in jeder Hinsicht wird zelebriert. Da kann man ausleben, was das soziale Gewissen beruhigt. 

So beherrschen heute Clean Eating, Healthy Living, Sober Curiosity und Abstinenz aller Arten vom Sex bis Alkohol den Zeitgeist. Versetzen Sie sich in die Zukunft, die noch viel komplexer wird als das Jetzt: Werden die Menschen in 50 Jahren noch so unbekümmert Wein, Schnaps und Bier konsumieren? Ich glaube es nicht. Wie schrieb eine Zukunftsforscherin vor kurzem: »Immer mehr Menschen stellen den Verzicht auf alkoholische Getränke in den Mittelpunkt ihres gesunden Lifestyles.« Anlässe auf Alkohol zu verzichten gibt es in der Tat viele.

Dieser Tage untersagte die Polizei in der Pfalz einem Radfahrer, der Schlangenlinien fuhr, die Weiterfahrt. Er hatte 2,3 Promille Alkohol im Blut. Früher hätten wir zugeschaut, wie er auf die Schnauze gefallen wäre. So ändern sich die Zeiten. Ich kann verstehen, dass immer mehr Erzeuger alkoholfreien Wein produzieren und dabei den Weingenuss erhalten wollen. Die immer ausgeklügeltere Technik macht es möglich. Der Schlüssel zu besseren Alkoholfreien ist die Verwendung von hochwertigen Weinen. Daran mangelt es allerdings, ob mit oder ohne Alkohol.