Ausgabe 12/2020

Vertrauen schaffen

Mehr oder weniger sinnvolle Lebensweisheiten, die in eingängigen Marketingbotschaften münden, haben derzeit Konjunktur. Dazu zählen so Sprüche wie, »aus der Krise werden wir gestärkt hervorgehen« oder »es braucht Krisen, um neue Dinge jetzt aufs Gleis zu setzen«. Vergleiche mit der Finanzkrise sind beliebt: »Die Krise war ein Schock, dem man mit betriebswirtschaftlichen Mitteln begegnen konnte. Die Corona-Krise geht tiefer und beschleunigt Umbrüche, die ohnehin in Gang waren.«

Die Krise also als Mutter des Fortschritts? Da muss man doch fragen, ist der Mensch so einfältig, dass es zuerst den Niedergang braucht, bevor es aufwärts geht? Der Krieg als Vater aller Dinge? Ich komme mir vor wie in der Nachkriegszeit. Jetzt sind auf einmal alle beseelt, alles besser und neu zu machen. Ob das gut geht oder nur das schlechte Gewissen beruhigt?

Wir bekommen gerade eine Menge Nachrichten und Zuschriften, mit denen uns Weinhändler und Weinerzeuger schildern, was sie alles unternommen haben, um gegen die Krise und die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen anzukämpfen. Alle Achtung, da steckt viel Unternehmergeist drin, auch wenn manches platt und wiedergekäut erscheint. An erster Stelle, wie könnte es anders sein, wird die Digitalisierung genannt. Schlagwort für alles, was sich in Zukunft wie von selbst erledigen soll, ob es die Neukundenakquise, die Kontaktpflege oder die Verwaltung alltäglicher Dinge anbelangt. Was früher per Kopf oder mechanischer Rechensysteme erledigt wurde, bewerkstelligen heute die Stöpselkameraden. Logisch, mit elektronischen Speicher- und Steuerungssystemen lassen sich eine Vielzahl mehr an Informationen verarbeiten, aufbewahren und nutzen. Wer käme heute noch auf die Idee und würde ein Auto mit Zündspule und Vergaser auf den Markt bringen und dafür auf die Steuerungssoftware und allen übrigen elektronischen Klimbim verzichten?

Doch haben wir uns da wie dort wirklich Vorteile eingehandelt? Unsere Autos können wir nicht mehr selbst reparieren. Wir sind auf Gedeih und Verderb auf andere angewiesen, selbst dann, wenn sie uns frech betrügen wie die Automobilindustrie. Ich bin nicht fortschritts- und schon gar nicht technikfeindlich, aber mir geht dieses götzenhafte Anbeten der Informationstechnologie mächtig auf den Zeiger. In den Schulen ist jetzt alles elektronisch. Die armen Schüler. Vermutlich sind die Ferienpläne der Lehrer alles, was auf den neuen Laptops wirklich läuft. 

Was gibt es sonst noch, um in Lockdown-Zeiten die Verkäufe von Wein aufrechtzuerhalten? Lastenräder zum Ausliefern und ganz generell der Ausbau des Liefer- und Abholservice, der manchmal mit Schiebfensterchen wie bei McDoof an der Pommesbude zur Farce gerät. Kontakte knüpft man in Maskenzeiten per Social Media und füttert damit munter Rechner auf fremdem Boden mit unseren Lebensdaten. Das nenne ich doch mal richtige Vernetzung. Die Zwangsjacke wird enger.

Dafür gönnt Vater Staat dem Land eine Mehrwertsteuersenkung. Die angesichts schwacher Nachfrage bei Wein wie bei anderen Konsumgütern bestenfalls Rabattschlachten anheizen dürfte und als ein Konjunkturpaket für Aldi, Lidl und Co. gelten darf. Der Verwaltungsaufwand für das halbe Jahr Steuersenkung ist immens. Warum nicht auf Dauer senken und weniger Umverteilung?

Das Vertrauen in den Staat schwindet, wenn unten nichts herauskommt. Doch das wäre bitter notwendig, soll nicht jedes ernsthafte Thema zur Protestbewegung verkommen. Vertrauen schaffen ist nicht nur für den Staat das Gebot der Stunde, sondern auch für die Wirtschaft. Man muss zu seinen Produkten wie seinen Taten stehen und die müssen Sinn machen für die Menschen. Kluge Markenartikler arbeiten daran, das Leben wieder in normale Bahnen zurückzuführen und übernehmen dafür Verantwortung. So schafft man Vertrauen.