Ausgabe 10/2020

Scherbenhaufen

Ich meine, es gibt Fragen und Forderungen, die muss man jetzt stellen: Wie erzeugt man Verschwörungstheorien und nachhaltigen Verdruss in der Bevölkerung? Unsere Politiker und Regierenden lieferten in der Corona-Krise ein Paradebeispiel, wie man beide Fragen erfolgreich beantwortet.

Um den Shutdown zu begründen, traten Altmaier, Scholz und Co. forsch vor die Kameras und erklärten vollmundig: Jedem wird geholfen, keiner wird seinen Job verlieren, kein Unternehmen muss Insolvenz anmelden. Unbürokratisch, umfassend und schnell wird allen Hilfe zuteil. Haben sie es auch noch in den Ohren?

Die Wirtschaft werde am Laufen gehalten. Selbst über Solo-Selbstständige, ein Begriff so neu wie das Virus, würde der Staat schützend seine Hand halten. Den Ankündigungen folgten scheinbar Taten. Fast schien es als wollten sich Bund, Länder und Europäische Union darin überbieten, wer noch mehr Geld bereitstellen kann. Von Billionen Euro ist inzwischen die Rede.

Mir schwant Böses, wenn ich ans Ende denke und frage mich zugleich: Wo bleibt das Geld, wo versickert es? Ein Papier des Landes Hessen zur Soforthilfe umfasst 16 Seiten. Da gibt es auf den ersten fünf Blättern unter dem Stichwort »kurz und knapp« gut und gerne 30 Punkte, für wen die Hilfe gilt, was die Vorbedingungen sind, bis hin zum zarten Hinweis, dass es bis 5 Mitarbeiter (VZÄ) 10.000 Euro, bis 10 Mitarbeiter 20.000 Euro und bis 50 Mitarbeiter 30.000 Euro als maximalen Betrag gibt. 

Maximal, da ausschlaggebend der tatsächlich entstandene Liquiditätsengpass ist. Gleich mal nachgeschaut, was heißt eigentlich VZÄ. Ach so, das heißt Vollzeit-Äquivalent und gibt an, wie viele Vollzeitstellen sich rechnerisch bei einer gemischten Personalbelegung mit Teilzeitbeschäftigten ergibt. Hätte man sich ja auch denken können.

Auf den nächsten elf Seiten geht es dann ins Detail, dort wird dann auch erläutert wie ein Liquiditätsengpass oder Vollzeit-Äquivalente errechnet werden, wie die technische Abwicklung läuft und so weiter und so fort. Für jemanden, der als Einzelkämpfer gerade zu retten versucht, was zu retten ist, dürfte so eine Hilfe eher Sargnagel als Notpflaster sein. Irgendwo in dem Konvolut aus Fragen und Antworten findet sich dann auch der zarte Hinweis, dass unrichtige oder unvollständige Angaben nach § 264 Strafgesetzbuch als Subventionsbetrug strafbar sind.

Genau so haben wir uns die unbürokratische Hilfe des Staates vorgestellt. Was ist mit den schnellen Krediten für die Wirtschaft, die die Politiker versprachen? Die Banken verlangen das Übliche: Sicherheiten, Bilanzen der letzten Jahre und eine Vorausschau mit Umsatz- und Gewinnsteigerungen. Bevor es Geld gibt, wird man vermutlich erst welches hinterlegen müssen. 

Was passiert wirklich? Mit Ausnahme weniger Zweige wie dem Baugewerbe oder der Pharmabranche droht ein umfassender Stellenabbau. Die Arbeitslosenzahlen werden sprunghaft steigen. Jeder einzelne wird sich bei den Politikern bedanken können. Die Steuereinnahmen werden drastisch einbrechen. Öffentliche wie private Haushalte fahren gegen die Wand.

Klar stemmen sich die Menschen dagegen, und man darf erstaunt sein, mit wie viel Engagement und Ideenreichtum sich gerade auch der Weinhandel neu erfindet. Für manchen machen sich die zusätzlichen Anstrengungen sogar in steigenden Umsätzen bezahlt, wie unsere Konjunkturumfrage zu Tage förderte.

Aber es wächst auch die Einsicht, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie die falschen waren. Inzwischen sind selbst in Italien mehr Menschen an unterlassener Behandlung anderer Erkrankungen als an der Corona-Infektion gestorben.

Das böse Ende kommt noch. Die Einsicht bei den Politikern, das Falsche getan zu haben, ist nicht in Sicht. Und so fordere ich die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, wenn es Zeit dafür ist. Politik darf nicht im luftleeren Raum stattfinden.