Ausgabe 06/2018

Mit allem Zipp und Zapp

Titel WW 6/2018

Das war’s. Kaum begonnen, schon zu Ende. Im Nu ist die ProWein verflogen. Viele Aussteller und Besucher haben sich wochen-, manche monatelang vorbereitet und viel Geld aufgewandt. Was bleibt? Tausende Gesichter gesehen, viele Gespräche geführt, Weine probiert und viele Informationen ausgetauscht. Die Organisation der Messe war perfekt, wenn auch nicht zum Nulltarif zu haben. Das Drumherum bekommt inzwischen eher die B-Note. 

Unterm Strich dürften die meisten dennoch eine positive Bilanz ziehen. Es gab tolle Weine, bewährte, verbesserte und auch neue Konzepte zu sehen, und ihre jährliche Berechtigung hat die ProWein erneut unter Beweis gestellt: Der neue Jahrgang gibt den Innovationsrhythmus vor, da es in der Babystube allemal lustiger zugeht als im Altenheim. 

Deutschland stand diesmal etwas unfreiwillig im Blickpunkt internationaler Besucher. Wie gebannt nahm die Weinbranche aus Italien, Frankreich und Spanien die Nachrichten der Übernahmen von Eggers & Franke durch Rotkäppchen-Mumm und von Freixenet durch die Henkell-Gruppe zur Kenntnis. Wenige Monate vorher hatte Grands Chais de France BSU Binderer übernommen. Die Branche konsolidiert sich. Die Konzentration pflanzt sich vom Handel bis zu den Lieferanten fort. Eine Entwicklung, die vielen anderen Weinnationen in Europa noch bevorsteht. Rotkäppchen und Henkell, beides im Übrigen noch Familienunternehmen, schließen zu den Big Playern in der Welt auf und überschreiten die Milliarden-Umsatzgrenze.

Für unfreiwillige Aufmerksamkeit sorgte Deutschland auch durch die dilettantisch verfasste Pressemeldung des Deutschen Weininstituts über die Entwicklung des Weinmarktes. Die Botschaft, drei Prozent weniger Absatz und fünf Prozent weniger Umsatz, blieb in der Tagespresse haften und wurde von vielen Unbedarften kritik- und gedankenlos verbreitet. Die Süddeutsche titelte, »Die Deutschen lieben billigen Wein« und ließ eine Eloge auf das Weingeschäft der Discounter folgen, die mit TV-Star Jauch und VDP-Logo trickreich die Verbraucher in die Läden locken. Richtig verheerend nahm die Botschaft Deutschlands Informationsmedium Nummer eins auf. Die Tagesschau folgerte aus der DWI-Meldung: »Der deutsche Wein hat ein Altersproblem«. Der demografische Wandel mache zu schaffen. Der Absatz gehe zurück, »weil ältere Weintrinker sterben – und jüngere Menschen zu wenig kaufen, um den Verlust zu kompensieren«. Baah, wie traurig, tolle PR.

Verbindlich im Ton aber glasklar in der Argumentation legte die Geisenheimer Marktforscherin, Professor Simone Loose, die Defizite der Sterndeuter von der GfK offen, die mit veralteten Geräten und ebensolchen Methoden versuchen, das Einkaufsverhalten der Verbraucher zu messen. Die richtigen Daten und Fakten zum Weinmarkt gab es bei Meininger’s International Wine Conference am Vortag der ProWein, die ich selbst moderieren durfte. Eigenlob stinkt, und nichts liegt mir ferner als dies. Aber wer für Wein brennt, für die richtigen Informationen, die Grenzen dessen erkennt und benennt, was Wirklichkeit und ihr Bild davon ist, sich für Marktforschung, und Absatzmärkte interessiert und stets kritisch bleibt, kann nicht still bleiben, wenn Ignoranz und Dummheit Saltos schlagen. Ganz still und spannungsgeladen wurde es auf der Konferenz als Professor Jens Beckert vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung über das Geheimnis teurer Weine referierte. Es war Balsam auf die Seelen der anwesenden Wein-Erzeuger. Wein, guter Wein, Wein für den die Menschen bereit sind mehr als für das Äquivalent billigen Alkohols auszugeben, ist ein ästhetisches Produkt. Nicht Zucker, Säure und Alkohol bestimmen den Wert sondern das Wo, Wie und von Wem der Wein erzeugt wurde und welchen Wert diese Elemente für die Weinliebhaber besitzen. Staatliche Regelungen laufen deshalb ins Leere. Deutschland befindet sich mit seiner behördentrockenen Industrie-Klassifikation auf dem Holzweg, während es anderen Ländern, die den Terroir-Gedanken verfolgen, besser gelingt, höhere Preise zu erzielen.

Hermann Pilz
Chefredakteur Weinwirtschaft
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