Ausgabe 05/2020

Zu kurz gesprungen

Die Echternacher Springprozession erscheint im Vergleich zur Fortentwicklung des deutschen Weinrechts wie ein Formel-1-Rennen. Zwei vor, eins zurück, lautet die übliche Schrittfolge im luxemburgischen Örtchen. Es geht nicht schnell, wovon sich jeder am Dienstag nach Pfingsten überzeugen kann, aber irgendwie voran. 

Die jetzt veröffentlichten Vorschläge zur Reform des deutschen Weinrechts muten dagegen wie das Irren im Labyrinth und die Rückkehr zum Ausgangspunkt an. Man kann es ja verstehen, dass der Deutsche Weinbauverband froh darüber ist, dass er nach zähen Verhandlungen einen Kompromiss gefunden hat, der die Zustimmung einer Mehrheit der Mitglieder erhielt.

Das System sieht, aufbauend auf den von der Europäischen Union vorgegebenen Kategorien, Deutscher Wein und Wein mit geschützter, geografischer Angabe, eine Pyramide aus vier Herkunftsstufen vor. Dabei soll der Grundsatz gelten: je kleiner eine geografische Herkunftsangabe, umso höher das Qualitätsversprechen.

Die Schutzgemeinschaften haben die ehrenvolle Aufgabe, die vier Stufen der Pyramide auszugestalten und können, sofern von den Mitgliedern gewünscht, höhere Anforderungen stellen. Von gesetzlicher Seite gibt es für die ersten beiden Stufen (Anbaugebiet und Bereich/Großlage) keine höheren Anforderungen, die über das hinausgehen, was nicht heute schon verlangt ist.

Da die Masse der deutschen Weinproduktion in diesen Bereich fällt, bleibt somit alles beim Alten. Man darf also mit Recht fragen: Wo bleibt die Reform? Lediglich bei den Orts- und Lagenweinen werden etwas höhere Anforderungen gestellt. Eine wirkliche Marktbedeutung haben die nicht. 

Am meisten entzweien sich die Parteien jedoch am Fortbestand der Großlage. Sie soll nach 3-jähriger Übergangszeit durch die Voranstellung des Namenszusatzes »Region« gekennzeichnet werden. Während Kellereien und Genossenschaften sich in dieser Frage einig sind und die unveränderte Beibehaltung der Großlage fordern, lehnen viele Weingüter und vor allem der VDP diese Regelung ab. Darüber könnte es sogar zum Bruch mit dem Weinbauverband kommen.

Für die meisten Beobachter stellt der Kompromissvorschlag eine Verkomplizierung des Vorhandenen dar. Und wirklich, man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass oben an der Spitze der Pyramide gemauert wird, während unten die Basis zerbröckelt.

Mit dem Vorschlag mogelt sich die Weinbranche an der Wirklichkeit vorbei. Es bleibt beim Einheitsbrei von Qualitätswein, den der Konsument nicht versteht. Eine erkennbare Differenzierung sieht anders aus.

Wie soll der Konsument Unterschiede erkennen, wenn der Wein beim Discounter weniger als 2 Euro kostet, der Konsument aber beim Fachhändler oder Winzer das Drei- oder Vierfache auf den Tisch legen soll?

Von den ziselierten Hierarchiestufen hat der Konsument keinen blassen Schimmer. Wer was anderes behauptet, ist ein Narr. Und ehrlich, wer sich mal die Großlagen- und Einzellagenbezeichnungen in einer ruhigen Stunde zu Gemüte führt, der kann nur den Kopf schütteln angesichts eines derartigen Wirrwarrs. Weder steckt ein System dahinter noch sind die Bezeichnungen traditionell und originell. Man muss nur an Kunstnamen wie Seegarten, Felsengarten, Münzlay, Schwarzlay, Kurfürstlay oder Vulkanfelsen denken.

Die Masse der Konsumenten hat in jedem Fall keine Lust, in die komplizierte Materie einzusteigen, zumal Wein kein trendiges Image mehr anhängt und bei der Jugend als das Getränk der »grauen Panther« gilt.

Wenn der deutsche Wein keine einfache, verständliche Differenzierung findet, die dem System Tafel-, Land- und Qualitätswein entspricht, wird das nichts. Schade, es werden Chancen verschenkt, wenn selbst die französische Sopexa in einer Marketingstudie zum Ergebnis kommt, dass deutsche Weine eine hohe Attraktivität besitzen.