Ausgabe 03/2014

Ende mit Schrecken

Nach dem Motto, »lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende«, hat der Hawesko-Konzern in der vergangenen Woche die Reißleine gezogen und die Fortführung der Tochtergesellschaft Château Classic auf den Prüfstand gestellt; eine von 18 Gesellschaften des Konzerns, die nie mehr als 3 Prozent Anteil am Geschäftsvolumen hatte. Für Hawesko als börsennotierte Aktiengesellschaft ist das Eingeständnis sicher kein freudiges Ereignis, aber auch kein Beinbruch oder Rückzug aus dem Premiumsegment, wie mancher unbedarfte Kommentator sogleich wähnte. Hawesko steht auf soliden Beinen, und wenn es eines Belegs bedurfte, dass die angestrebte Befreiung von Lasten von den Aktionären eher positiv als negativ gesehen wird, liefert diesen der Aktienkurs. Der testete zuletzt wiederholt die 40-Euro-Marke. Im Übrigen ist auch bei Château Classic noch nicht das Ende aller Tage eingeläutet. Hawesko ist weiter im Gespräch mit Interessenten, wie von Unternehmensseite versichert wird. Eines steht für Hawesko allerdings fest: So wie bisher wird das Geschäft nicht fortgeführt. Dazu sind die Erfahrungen offenbar zu negativ, was bestimmte Weine aus Bordeaux und den Handel mit diesen betrifft. Das wirft ein kritisches Schlaglicht auf den Marktplatz Bordeaux und zugleich auf den gesamten Markt spekulativ hochgejubelter Weine. Vor allem sollte jeder, der sich mit den Grands Crus Classés in Bordeaux beschäftigt, den Spruch beherzigen: »Wer sich mit dem Teufel ins Bett legt, sollte auch mit ihm schlafen.« Mit Blick auf Hawesko steckt vermutlich genau darin ein Gutteil des Problems, das die Hanseaten jetzt mit ihrem notleidenden Bordeaux-Engagement haben, wie Wein-Wolf-Chef und Hawesko- Vorstand Bernd Siebdrat räsoniert: »Wir haben das Bordeaux-Geschäft als hanseatische Kaufleute betrieben, Weine gekauft und verkauft. Aber wir haben nie riesige Bestände aufgebaut. Wir waren nicht als Primeur-Agent tätig und haben daraus auch keine Margen gewonnen.« Doch genau das ist das Essenzielle am Geschäft der Bordelaiser Négociants. Die wichtigen Händler, wir könnten auch Spieler sagen, sind mit 20, 30, in einigen Fällen mit noch weit mehr Millionen Euro in den Top-Bordeaux-Weinen engagiert. So puffern sie im Verein mit familiärem Insiderwissen spekulative Momente ab. Vermeiden im Auf und Ab der Preise ruinöse Verkäufe, die durch unkalkulierbare Ereignisse wie dem Zungenschlag von Robert Parker und Konsorten oder dem dekadenten Konsumverhalten einer aus den Fugen geratenen chinesischen Funktionärs- und Spekulantengesellschaft beeinflusst werden. Die Négociants leben anders als andere Weinkaufleute von den üppigen Margen des Primeurgeschäftes und setzen natürlich alles daran, dass ein Jahrgang nach dem anderen als einmalig gepriesen wird. Böse Zungen behaupten, dass es in Bordeaux inzwischen überhaupt nur noch zwei Arten von Jahrgängen gibt: »herausragende und Jahrhundertjahrgänge «. Der Handel mit gefragten Crus Classés funktioniert wie eine Art Kartell. Die Preise werden nur scheinbar durch Angebot und Nachfrage bestimmt, in Wahrheit jedoch durch Spekulation, Manipulation und die wohldossierte Abgabe limitierter Mengen einzelner Jahrgänge. Wer sich auf solche Geschäfte einlässt, darf sich nicht daran binden, was offiziell verlautbart wird, sondern muss in gleichem Maße tricksen und spekulieren. Das ist allerdings nicht das Geschäftsmodell von Hawesko. Der Schritt, sich aus diesem Markt zurückzuziehen, ist daher nur allzu verständlich. »Das heißt jedoch nicht, dass sich Hawesko nicht mehr mit Premium-Weinen aus Bordeaux beschäftigt«, versicherte Siebdrat gegenüber WEINWIRTSCHAFT. Hawesko bleibe Marktführer für Premium-Weine aus Bordeaux in Deutschland. Nur Geschäfte mit einer Gesellschaft, die sich fast ausschließlich auf die Märkte Frankreich und China und den Handel mit den Top 8 in Bordeaux von Ausone bis Petrus beschränkt, will das Unternehmen nicht mehr weiterführen. Der Fall Château Classic könnte für manchen Händler und Liebhaber feiner Weinnamen ein lehrreiches Beispiel sein und zur Vorsicht im Einkauf mahnen: »Es ist etwas nur soviel wert, wie ein anderer dafür bereit ist zu zahlen.«

Hermann Pilz [email protected]