Ausgabe 02/2015

Dem Volk aufs Maul - Die Konsumenten haben ihre Präferenzen: Fruchtige Weine, die trocken schmecken, aber nicht wehtun

Weinwirtschaft Ausgabe 02/2015

Können Konsumenten irren? Natürlich kann man sich borniert über die Wünsche der Verbraucher hinwegsetzen. Das mag eine Zeit lang gut gehen, nach dem Motto: Die verstehen eh nichts davon und konsumieren, was man ihnen vorsetzt. Auf lange Sicht ist es jedoch mehr als gefährlich, sich nicht an den Wünschen der Konsumenten zu orientieren. Denn Millionen von Verbrauchern bestimmen über ihr Einkaufsverhalten das Angebot im Handel. Der Volksmund formuliert das Prinzip auf griffige Weise: »Wer die Musik bezahlt, bestimmt auch die Melodie« oder wie es Herausgeber Peter Meininger gerne bei solchen Gelegenheiten zum Besten gab: »Der Wurm muss dem Fisch und nicht dem Angler schmecken.« Lassen wir Musik und Fischerei beiseite. Beim Wein hat der Kunde Wünsche, bezahlt dafür und fordert qualitativ einwandfreie Produkte und einen seinem Geschmack entsprechenden Wein. Erst spät hat die Erkenntnis vom »König Kunde« auch im Weinsektor Einzug gehalten. Viel zu lange war der Wein in landwirtschaftlichen Strukturen gefangen und servierte auf kleinbäuerlichem Niveau eine Qualität, die eher zufällig als geplant entstand. Auch heute prägt das einen erheblichen Teil von Produktion und Angebot, in Deutschland wie im Ausland. Da ist der Konsument offenbar schon viel weiter und bestimmt in Sachen Geschmack eindeutig die Richtung. Nicht da, wo es um Kampfpreise oder die billigen Schimären der Weinbranche geht, sondern wo Wünsche geäußert werden, ein qualitativer Anspruch besteht und gutes Geld für gute Weine gezahlt wird.

Eine eindrucksvolle Demonstration, was die Konsumenten heute bevorzugen, konnte ich vor Kurzem bei einer Verkostung der Top-10-Flaschenweine von Jacques’ Wein-Depot erleben. Je fünf Rot- und fünf Weißweine stellte der Ladenbetreiber auf die Verkostungstische. Das, was sich in den deutschlandweit 280 Depots am besten verkauft. Das Staunen war bei jedem Wein groß und noch größer über die bevorzugten Herkünfte und Geschmacksrichtungen. Vor allem, wenn man an die Historie und die Herkunft denkt, aus der das Unternehmen stammt. Das war doch mal französischer Wein pur, der mit dem Slogan »Einkaufen wie bei Winzer« für Aufsehen und guten Absatz sorgte. Heute hat Frankreich noch einen Anteil von knapp 40 Prozent am Sortiment. Italien kommt auf etwas über 20 Prozent und auf dem dritten Platz rangieren deutsche Weine mit über 12 Prozent. Was für ein Wandel! Deutsche Weine, die das Sortiment noch gar nicht so lange zieren, sind gewissermaßen die Überflieger und aus den Depots nicht mehr wegzudenken. Noch vor Jahren kündigten einige Depot-Inhaber, als Jacques’ die ersten nicht-französischen Weine aufgenommen hatte. Das ist längst passé. Ohne die übrigen Weine im Sortiment würden die Läden nicht mehr existieren und auch keinen Durchschnittspreis von 7 Euro pro Flasche erzielen, womit sich Jacques’ vorwiegend im Premium-Bereich bewegt. Doch was sind die Topseller? Auf Platz eins liegt derzeit ein 2013er Primitivo aus Apulien von San Marzano, der für 6,40 Euro fruchtig-frischen Weingenuss bietet. Der Wein, man höre und staune, bringt 13 Gramm pro Liter Restzucker auf die Waage.

Wie formulierte es der Depot-Inhaber: »Die Konsumenten wollen fruchtig, frischen Wein, der trocken schmeckt, aber nicht weh tut.« So einfach kann es sein. Auf den Plätzen zwei und drei folgen zwei Weißweine. Das ist schon erstaunlich genug, doch die Nummer zwei setzt noch eins obendrauf, denn das ist ein Grauburgunder aus der Pfalz aus dem Jahrgang 2013 von der Villa Tabernus Mejs Weinkellerei, der mit einem Alkoholgehalt von 13 Volumenprozent und einem Restzucker von 6,8 Gramm pro Liter ebenfalls den fruchtig, dezent restsüßen Typ repräsentiert. Auch die anderen Topseller von Jacques’, von denen vier aus Italien, drei aus Frankreich, zwei aus Deutschland und einer aus Chile stammen, präsentierten sich als frische, fruchtbetonte und milde Weine mit moderater, aber spürbarer Restsüße. Noch Fragen?

Hermann Pilz [email protected]