Ausgabe 02/2014

Die Traute fehlt

Journalismus kann mitunter frustrierend sein. Dabei hat die Sache so schön begonnen. Mit und unter der Federführung von Weingütern wie Heymann-Löwenstein, St. Urbans-Hof, Georg Breuer, Clemens Busch, Philipp Kuhn und Meyer- Näkel wurde ein neues Öko– (hier: Green) und Nachhaltigkeitsprojekt einschließlich sozialer und gesellschaftlicher Aspekte (hier: Fair) auf den Weg gebracht. Nicht einfach nur Öko oder Bio, auch Gedanken von Fairtrade und Nachhaltigkeit flossen in das Projekt ein, das sich fortan als eierlegende Wollmilchsau der Ökobranche sehen darf. »Fair’n Green« nennt sich das Projekt, das nach Ansicht seiner Initiatoren kongenial Öko- oder Bioanbau mit Fairtrade, Nachhaltigkeit und sozialen Aspekten unter einem Dach vereint und damit genau den wunden Punkt trifft, der heute außer der Problematik der mangelnden Kontrolle das entscheidende Manko des Bioweinbaus offenlegt: Es fehlen Anforderungen für Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit bis hin zum CO2-Footprint und der sozialen Standards, die von der Art der Beschäftigung mit ausreichendem Arbeitsschutz bis hin zur Vergütung der Erntehelfer reichen sollten. Also alles reinpacken und ein umfassendes System auf den Weg bringen, das nicht »in den Denkmustern der Strukturen verhaftet ist, die es überwinden will«, formulierte es Reinhard Löwenstein in der Dialektik revolutionärer Philosophie im November 2013 kurz vor dem Rollout des Projektes. Der Start von »Fair’n Green« wurde in Berlin medienwirksam Ende vergangenen Jahres unter Anwesenheit des damaligen Bundesumweltministers Peter Altmaier in Szene gesetzt. Wer nun gedacht hätte, da klatschen alle Beifall und finden die Initiative gut, die sich, wie Reinhard Löwenstein argumentiert, »an den Realitäten des Weinbaus orientiert«, hat die Rechnung ohne die schon lange institutionalisierten Öko-Verbände gemacht. Vor allem Ecovin äußerte in Person ihrer Bundesvorsitzenden Lotte Pfeffer-Müller scharfe Kritik am Projekt und geißelte die Initiative als Trittbrettfahrer des Ökotrends. Bio »light« oder »soft« werde da zelebriert und lediglich der Anschein ökologisch nachhaltiger Produktion erweckt. Immer häufiger würden »Schwarze Schafe« auf den Ökozug aufspringen, sich ein ökologisches und soziales Mäntelchen umhängen, obwohl sie die gesetzlichen Vorgaben nicht einhalten würden, kritisierte Pfeffer-Müller und stellte Forderungen. Mit »Öko« dürfe nur werben, wer auch die entsprechenden Anforderungen der EU-Richtlinien erfülle, meckerte die Bundesvorsitzende und kündigte der Fair’n-Green-Initiative ein Schreiben ihres Anwalts an. Was tun, denkt sich da der Journalist und findet: Wenn zwei Gutes verkünden und dennoch mit so unterschiedlichen Auffassungen aufeinanderprallen, noch soviel im Dunkeln ist, was und welche Inhalte Fair’n Green vereint, was der eine und der andere unter Bio versteht, dann ist es doch am besten, man lässt die beiden Kontrahenten gegeneinander antreten und die Meinungen und Fakten austauschen. Alles auf den Tisch. Danach ist die Öffentlichkeit bestens im Bilde, wer, was, wie meint und handhabt: Etwa Hubschrauber über tiefen Moselhängen. Wie man es mit Herbiziden oder dem Dieselverbrauch im Weinberg hält und was faire Löhne jenseits der Marginalien für Erntehelfer sind, die heute in weiten Teilen des (Steillagen)-Weinbaus gezahlt werden. Die dazu noch im klapprigen Wohnwagen mit spärlicher Heizung auf den Uferparkplätzen an den lieblichen Gestaden von Mosel oder am fernen Douro hausen. Das wäre dann doch ein bisschen zu viel der Öffentlichkeit, meinte die Ecovin-Vorsitzende Pfeffer- Müller zu meinem Ansinnen und auch Reinhard Löwenstein als Vertreter der Fair’n Green-Bewegung fand Gefallen, die Kontorverse eher als Verschlusssache zu behandeln: Man wolle »strittige Punkte in einem solidarischen Gespräch klären und die Öffentlichkeit heraushalten«, lautete die gemeinsame Sprachregelung. »Nein, keine Stellungnahme. Das machen wir unter uns aus«, bekam ich als Antwort. Schade, dabei sollte man doch meinen, wer ökologisch, fair, sozial engagiert und nachhaltig produziert, hat nichts zu verbergen und lässt sich gerne in die Karten gucken. So kann man sich irren. Interessant, dass sich jetzt auch die EU zu Wort meldet und eine Überarbeitung der EU-Richtlinien ankündigt.

Hermann Pilz [email protected]