Die frühere Chef- Sommelière von Schloss Bensberg räumt in ihrer Kolumne mit Mythen rund um die Biodynamie auf
Die frühere Chef- Sommelière von Schloss Bensberg räumt in ihrer Kolumne mit Mythen rund um die Biodynamie auf

Finanzbuchhaltung for future!

Romana Echensperger spricht über Bewertung sozialer und ökologischer Leistungen.

Weltrettung kann eine ziemlich trockene Angelegenheit sein. Wer denkt schon an Rechnungswesen, wenn es um Biodiversität geht? Doch der Eindruck trügt. Denn in der Finanzbuchhaltung herrscht ein simpler Grundsatz: Keine Buchung ohne Beleg. Seitdem diese ursprünglich auf Handel und Industrie gepolte Buchhaltung sowie Bilanzierung über die Landwirtschaft gestülpt wurde, hat diese Banalität eine enorme Tragweite entwickelt. Denn leider können Regenwürmer oder Mykorrhiza Pilze kein Gewerbe anmelden und Rechnungen ausstellen. Werte wie die Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität zählen nicht zum Anlagevermögen eines Betriebes.

Das nachhaltige Wirtschaften, um solche Werte zu schützen oder gar zu steigern, erscheint in keiner Erfolgsrechnung. Kennzahlen und Bilanzen steuern aber Betriebsstrategien. Sie entscheiden zum Beispiel über Kreditrahmen für Investitionen. Anhand der Kennzahlen werden die Effizienz eines Betriebes bemessen, Steuern oder Versicherungsprämien berechnet. In dieser Logik hat derjenige einen Vorteil, der sich den Mehraufwand für den Schutz von Gemeingütern wie Wasserqualität oder das Stärken von regionalen Wertschöpfungsketten spart. Ein Fehler im System, der der großen Transformation zu Nachhaltigkeit im Wege steht.
Nun kann man weltfremd mit Gleichgesinnten über Finanzmärkte und den „ach so bösen“ Kapitalismus lamentieren. Schlauer ist es, deren Regeln zu nutzen, um die Lage entscheidend zu verbessern. Letzteres hat sich Christian Hiß vorgenommen. Er ist Initiator der 2006 gegründeten Regionalwert AG in Freiburg. Das ist eine Bürgeraktiengesellschaft, die unter anderem in regionale wie ökologische Landwirtschaft investiert und von Anfang an die erbrachten sozialen wie ökologischen Leistungen für das Gemeinwohl als „Return on Invest“ im Aktionärsbericht aufführt.

„Der Kapitalismus kann nichts dafür, dass man nicht nachhaltig wirtschaftet“, ist Christian Hiß überzeugt. „Es ist die Frage, welches Bewertungsmuster man ihm zuschreibt. Wie definiert man Kapital, welchen Wert haben Resilienz oder Reputation eines Unternehmens und was ist ein Risiko?“ So bedeutet Humusaufbau in Zeiten von Klimawandel ein niedrigeres Risiko für Ernteausfälle bei Extremwetterereignissen. Sein Vorschlag ist, dass das in konkreten Zahlen in der Finanzbuchhaltung erfasst werden soll und nicht in den in blumigen Worten gekleideten Nachhaltigkeitsberichten verschwindet. Denn nur so können diese Zusatzleistungen einen konkreten monetären Nutzen entfalten, in dem sie sich etwa auf die Höhe von Versicherungsprämien auswirken. Ebenso verleihen Zahlen, die durch ein von allen Seiten akzeptiertes Verfahren berechnet wurden, Argumenten mehr Gewicht. Vor allem dann, wenn es um die Verteilung von Subventionen oder der Gestaltung des Steuerrechtes geht.

Mit Gleichgesinnten und Playern wie dem Software-Riesen SAP hat er eine um Nachhaltigkeitskennzahlen erweiterte Erfolgsrechnung für die Landwirtschaft entwickelt, auf die nun auch Winzer und die Politik aufmerksam geworden sind. Denn es wäre ein Tool, um dem sympathischen, aber bislang wenig erfolgreichen Öko-Idealismus eine gesunde Portion ökonomischen Realismus einzuhauchen. Das wäre eine professionelle Basis, um die echten Kosten von Produkten zu ermitteln. Dann könnten nachhaltig erzeugte Bioprodukte in die Breite getragen werden, weil sie nicht mehr teurer wären. Sie wären massentauglich und zudem nicht mehr unsympathisches Distinktionsmerkmal eines spießigen Öko-Bürgertums.

So ein System würde zusätzlich einen Rahmen schaffen, in dem sich Unternehmertum zum Wohle aller mit voller Wucht entfalten kann. Schließlich sollten wir eine freie, liberale sowie demokratische Gesellschaft bleiben, in der der Grundsatz „Freiheit in Verantwortung“ gilt. Wer sehnt sich schon nach einer freudlosen Ökodiktatur? Daher, auch wenn es nicht so sexy klingt, sollte der ein oder andere bei der nächsten Klimademonstration sein Plakat mit „Finanzbuchhaltung for future“ beschriften.

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote