Vincent Meßmer, Redaktion WEINWIRTSCHAFT
Vincent Meßmer, Redaktion WEINWIRTSCHAFT

Die Kritik ist berechtigt, die Argumentation ein Eigentor

Kommentar. Irlands Einführung von Warnhinweisen auf alkoholischen Getränken wird aus der Weinbranche heraus heftig kritisiert. Und das zurecht. Einer der Grundgedanken der EU ist es, derlei Regelungen gemeinschaftlich und demokratisch festzulegen. Ein nationaler Alleingang untergräbt das europäische Projekt und mehrt das – ohnehin vielerorts massive – Misstrauen gegenüber der »Brüsseler Bürokratie«.

Die Argumente, die jedoch vorgebracht werden, sind oft zweischneidig. Wenn wir uns für einen bewussten, maßvollen Alkoholkonsum einsetzen wollen, wie es auch aus der Branche selbst immer wieder gefordert wird, warum bekommen einige Leute Schnappatmung, wenn der Alkoholgehalt in Gramm, die Kalorienanzahl oder Warnungen vor Konsum während der Schwangerschaft auf Weinflaschen angebracht werden sollen? 

Auch der Zusammenhang von Alkohol und Krebserkrankungen lässt sich nicht komplett negieren – die Frage ist, wie kann man vermitteln, dass das gesundheitliche Risiko bei moderatem Konsum überschaubar (nicht: nicht vorhanden) ist. Sollte die Weinbranche nicht eher an eigenen Vorschlägen arbeiten, wie sich Hinweise zu moderatem Konsum auf alkoholischen Getränken platzieren lassen, anstatt nur den angstvollen Blick zur Tabakindustrie zu werfen? Diese ist übrigens trotz der Schockbilder noch keinesfalls gestorben – wer das Rauchen aus der Gesellschaft verbannen will, regelt das effektiver über den Preis, wie das Beispiel Neuseeland zeigt.

Gute Branche, schlechte Branche?

Der Weinbau tritt als prägender Faktor der schönsten europäischen Kulturlandschaften in Erscheinung und Wein selbst kann – bei entsprechender Qualität – zu den höchsten Freuden der Genussästhetik gehören. Dennoch ist die Weinbranche per se nicht »besser« als die Spirituosen- oder Bierindustrie. Wer über den Willen zur Selbstzerstörung und das nötige Kapital verfügt, könnte sich mit Château Lafite vermutlich genau so gut eine Leberzirrhose antrinken wie mit Pennypacker Bourbon.

Wenn man also, wie  Italiens Agrarminister Francesco Lollobrigida, mit dem Finger auf andere zeigt, weil die ja »viel schlimmer« sind und klar von einem selbst abgegrenzt werden müssen, fällt das irgendwann auf die Branche zurück. Nebenbei – eine verpflichtende Angabe des Alkoholgehalts in Gramm grenzt einen Wein ja gerade von einem Whisky ab, womit die irischen Regelungen Herrn Lollobrigidas Befürchtungen eigentlich im Keim zerstreuen sollten. Wobei der Alkoholgehalt in Volumenprozent ja bereits verpflichtend angegeben werden muss.

Ja, die EU sollte sich klarer positionieren und nationale Alleingänge geißeln. Allein schon, um Vertrauen in ihre demokratischen Prinzipien und die Stärke ihrer Institutionen zu schaffen. Aber die Branche sollte auch darüber nachdenken, welche Argumente ihr vielleicht mehr schaden als nützen. Und den Dialog suchen, mit eigenen Vorschlägen zur Eindämmung des Alkoholmissbrauchs aufwarten, anstatt nur gegen die Gesetzgeber zu schießen. VM

Ausgabe 8/2024

Themen der Ausgabe

Württemberg

Die Bewirtschaftung zu teuer, die Bestockung sehr rot – die Weingärten im Ländle stehen vor Veränderungen.

Christof Queisser

Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Rotkäppchen-Mumm im Interview.

Sommerwein

Wenn die Sonne scheint, muss es nicht immer weiß sein – wann Rotwein auch im Sommer passt.