VDP.GG_Wiesbaden_2022 Foto: Peter Bender
VDP.GG_Wiesbaden_2022 Foto: Peter Bender

Riesling GG 2021: Gratwanderung

Auch wenn es die Bewertungen auf den ersten Blick gar nicht so drastisch ausdrücken: Der Rieslingjahrgang 2021 kommt nicht an den großen Jahrgang 2019 und auch nicht an 2020 heran. Dass es dennoch zahlreiche Highlights gibt, ist hauptsächlich der insgesamt bärenstarken Nahe und drei Spitzenbetrieben in Rheinhessen zu verdanken. In der Pfalz brillierte Dr. Bürklin-Wolf, an der Mosel setzte sich erstmals Clemens Busch an die Spitze.

Wie reagieren auf den schlanken und säurereichen Jahrgang? Puristisch, nach dem Motto Augen zu und durch? Das funktionierte vor allem dann, wenn genügend Kalk und Ton(-Schiefer) vorhanden war, um die Säure zu puffern. Oder zum Säureausgleich die Süße hinaufschrauben, was in einer Reihe von verkappten Kabi-Rieslingen resultierte. Nice, aber kein würdiger trockener Grand Cru. Säure korrigieren erwies sich auch als herausfordernd, denn nicht selten gingen dabei gleich auch einige Prozent der ohnehin nicht gerade üppigen Struktur flöten. Diese Weine wurden am Gaumen ab der Mitte flach und endeten kurz. Holzfass (vielleicht auch mit Säureabbau), die Arbeit mit der Vollhefe oder ein kleines Plus an Gerbstoff zum Aufpolstern des Körpers brachten die meisten überzeugenden Ergebnisse.

Waren es beim Jahrgang 2020 im Vorjahr 26 Weine mit 96 oder 97 Punkten (drei weitere kamen bei dieser Verkostung noch hinzu), begeisterten uns aus dem Jahrgang 2021 nur 16 Rieslinge in diesem Maße. Das Ehepaar Carolin und H.O. Spanier-Gillot schoss dabei den Vogel ab. Zweimal 97 Punkte für Kühling-Gillot für Rothenberg „wurzelecht“ und Pettenthal (und zwei weitere Rieslinge mit 95 Punkten) und zweimal 96 Punkte für Battenfeld Spanier mit Frauenberg und Zellerweg am Schwarzen Herrgott. Sechs sehr unterschiedliche Charaktere bei gleicher Machart spricht für maximierten Herkunftscharakter und darum geht’s ja schließlich bei den GGs.

Der zweite Betrieb oder das dritte Weingut – je nach Lesart – ist Philipp Wittmann, dessen Brunnenhäuschen vielleicht all das, was 2021 an Feinheit und Pikanz in Verbindung mit vibrierender Spannung hergab, am konsequentesten ausreizte. Resultat ist ein fast schwereloser, tänzelnder und dennoch konturierter Wein. Auch der Aulerde spielte der Jahrgang 2021 voll in die Karten und bescherte der sonst eher etwas üppigeren Lage viel Spannung, sodass wir die Aulerde noch knapp über Morstein und Kirchspiel ansiedeln.

Nahe als Überflieger

Dennoch steht als gesamtes Anbaugebiet die Nahe über Rheinhessen (und der Pfalz). Während 11 Rieslinge aus Rheinhessen mit weniger als 93 Punkten bewertet wurden (13 aus der Pfalz), sind es aus dem Nahetal gerade einmal zwei. ZWEI! Ein unglaubliches Niveau über alle Betriebe hinweg.

Tim Fröhlich und Mats Genheimer; Weingut Schäfer-Fröhlich
Tim Fröhlich und Mats Genheimer; Weingut Schäfer-Fröhlich

Ebenso verblüffend, dass sich die problematischen Seiten des 21er-Jahrgangscharakters an der Nahe kaum zeigen: keine stahlige, schmerzhafte Säure, keine süß-sauren, verkappten Kabis, keine mageren, ausgezehrt linearen Weine. Im Gegenteil: Die Rieslinge sind im Schnitt schöner als 2020. Das gilt zwar nicht für Dönnhoff, der 2020 den Maßstab setzte (und auch jetzt nicht enttäuschte), aber vor allem für Schäfer-Fröhlich und Emrich-Schönleber. Die Lagen wie Halenberg, Stromberg oder Felseneck zeigen viel Herkunftscharakter und Handschrift und wenig Jahrgangseinfluss. Ähnliches gilt für Dönnhoffs Hermannshöhle, während sein Höllenpfad im Mühlenberg sehr wohl viel 2021er-Typizität besitzt und diese bestmöglich umsetzt. Eine Überraschung war der mineralisch-flintige, fokussierte und straffe Felsenberg von Dr. Crusius. Deutet sich hier ein Stilwandel an? Von unserer Seite wäre dieser sehr willkommen. Sowohl Gut Hermannsberg als auch Schlossgut Diel setzten ihre größten Ausrufezeichen mit älteren Jahrgängen. Dazu später mehr.

Bettina Bürklin-von Guradze; Foto: Dr. Bürklin-Wolf
Bettina Bürklin-von Guradze; Foto: Dr. Bürklin-Wolf

Mosel: Neuer Primus

In den letzten Jahren lautete die Frage stets: Stellt Van Volxem, Schloss Lieser oder Maximin Grünhaus Von Schubert die beste Kollektion? Obwohl alle drei auch in diesem Jahr überzeugten, hat sich Clemens Busch an die Spitze gesetzt. Eine Serie mit glasklaren, sehr kräutrigen Rieslingen, dicht, mit feiner schiefriger Würze und perfekt dosierter Frucht, mineralischem Druck und fein gepufferter Säure. Es ist das kleine Plus an Grip, Druck und Textur in der Körpermitte, das seine Weine über die anderen Top-Kollektionen hebt. Diesen Druck erreichten bei Van Volxem in diesem Jahr nur Gottesfuss und Volz. Die Weine wirken insgesamt etwas technischer, mit weniger Schiefer-Würze. Von Schloss Lieser Goldtröpfchen und Niederberg Helden, von Maximin Grünhaus Abtsberg und Herrenberg erreichten ebenfalls 95 Punkte. Insgesamt fallen auch an der Mosel die Weine etwas schlanker und extraktärmer aus, als in den vergangenen Jahren seit 2014.

Die Kollektionen 2021

Tim Fröhlich zeigte mit einmal 97 Punkten, zweimal 96 Punkten und zweimal 95 Punkten die stärkste Kollektion, jedenfalls dann, wenn man Kühling-Gillot und Battenfeld Spanier als zwei Weingüter betrachtet (Nebenbemerkung: erstmals ziert beide Etiketten die Unterschrift von H.O. Spanier, obwohl er natürlich schon seit vielen Jahren für die Weinbereitung verantwortlich zeichnet). Ganz knapp gefolgt von Dr. Bürklin-Wolf mit je einmal 97 und 96 Punkten und dreimal 95 Punkten. Ebenfalls outstanding sind die Riesling-Kollektionen von Philipp Wittmann (je einmal 97 und 96 Punkte und zweimal 95 Punkte) und Clemens Busch (einmal 96 und dreimal 95 Punkte). Mit einer Ausnahme alles bio-dynamisch-arbeitende Betriebe. Vermutlich kein Zufall.

 

Die Spätstarter

Seit einigen Jahren halten immer mehr Weingüter ihre Rieslinge ein Jahr zurück. Was bei Weiß- und Grauburgunder nahezu alternativlos ist, um die maximale Komplexität zu erreichen, kann auch bei Riesling Sinn machen. Muss es aber nicht, je nach Ausbauweise. Bis 2017 waren es nur vereinzelte Winzer, seither werden es deutlich mehr, vor allem in der Pfalz, in Württemberg und in Franken. Nachdem der VDP im Rheingau beschloss, die GGs grundsätzlich mit einem Jahr Verzögerung auf den Markt zu bringen, ist der Großteil der Winzer auch bei der Präsentation in Wiesbaden ein Jahr zurückgetreten.

Gut Hermannsberg setzt dem Ganzen die Krone auf, indem die beiden designierten Top-Lagen des Weinguts erst nach fünf Jahren vorgestellt werden. Der 2017 Hermannsberg war vielleicht der balancierteste, ganz sicher der zum jetzigen Zeitpunkt am schönsten zu trinkende Riesling der gesamten Probe. Ein Punkt darunter die Kupfergrube 2017 sowie drei weitere Rieslinge aus 2020: Kirchenstück von Reichsrat von Buhl, Steingrüben von Dautel und der naturale Hipping von Schätzel.

Mit gleich zweimal 95 Punkten für Doosberg und Sankt Nikolaus hat Peter-Jakob Kühn – auch jahrgangsübergreifend – die beiden besten Rheingau-Rieslinge vorgestellt. Ein Pünktchen darunter folgen Wisselbrunnen von Kaufmann, Schloss Johannisberg und Balthasar Ress mit dem Berg Rottland.

Beim überzeugenden 2020 Karthäuserhofberg stellt sich die Frage ob diese typische Mathieu-Kauffmann-Stilistik auch in den nächsten Jahren fortgeführt wird. Der Qualitätssprung ist jedenfalls deutlich. Doch Dominik Völk beherrscht sein Handwerk nachgewiesen ebenfalls in besonderem Maße – und hat eine deutlich andere Handschrift. Es bleibt spannend an der Ruwer.

 

Riesling VDP.GG 2021

Nahe

97

2021 STROMBERG Riesling GG Schäfer-Fröhlich

96

2021 HALENBERG Riesling GG Emrich-Schönleber

2021 HALENBERG Riesling GG Schäfer-Fröhlich

2021 FELSENECK Riesling GG Schäfer-Fröhlich

95

2021 FRÜHLINGSPLÄTZCHEN Riesling GG Schäfer-Fröhlich

2021 HERMANNSHÖHLE Riesling GG H. Dönnhoff

2021 KUPFERGRUBE Riesling GG Dr. Crusius

2021 FELSENBERG Riesling GG Gut Hermannsberg

2021 FELSENBERG Riesling GG Schäfer-Fröhlich

2021 HÖLLENPFAD IM MÜHLENBERG Riesling GG H. Dönnhoff

2021 PITTERMÄNNCHEN Riesling GG Schlossgut Diel

 

Rheinhessen

97

2021 ROTHENBERG Riesling GG Kühling-Gillot

2021 PETTENTHAL Riesling GG Kühling-Gillot

2021 BRUNNENHÄUSCHEN Riesling GG Wittmann

96

2021 AULERDE Riesling GG Wittmann

2021 FRAUENBERG Riesling GG Battenfeld Spanier

2021 ZELLERWEG AM SCHWARZEN HERRGOTT Riesling GG Battenfeld Spanier

95

2021 ROTHENBERG Riesling GG Gunderloch

2021 PETTENTHAL Riesling GG Gunderloch

2021 ÖLBERG Riesling GG Kühling-Gillot

2021 KIRCHSPIEL Riesling GG Wittmann

2021 MORSTEIN Riesling GG Wittmann

 

Pfalz

97

2021 PECHSTEIN Riesling GG Dr. Bürklin-Wolf

96

2021 SAUMAGEN Riesling GG Rings

2021 UNGEHEUER Riesling GG Dr. Bürklin-Wolf

2021 IDIG Riesling GG A. Christmann

95

2021 SCHWARZER HERRGOTT Riesling GG Philipp Kuhn

2021 SAUMAGEN Riesling GG Philipp Kuhn

2021 WEILBERG Riesling GG Rings

2021 PECHSTEIN Riesling GG Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan

2021 JESUITENGARTEN Riesling GG Georg Mosbacher

2021 LANGENMORGEN Riesling GG Dr. Bürklin-Wolf

2021 HOHENMORGEN Riesling GG Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan

2021 HOHENMORGEN Riesling GG Dr. Bürklin-Wolf

2021 GAISBÖHL Riesling GG Dr. Bürklin-Wolf

2021 VOGELSANG Riesling GG A. Christmann

2021 IM SONNENSCHEIN Riesling GG Ökonomierat Rebholz

 

Mosel

96

2021 VOLZ Riesling GG Van Volxem

2021 MARIENBURG FAHRLAY Riesling GG Clemens Busch

95

2021 GOTTESFUSS Riesling GG Van Volxem

2021 ABTSBERG Riesling GG Maximin Grünhaus Familie von Schubert

2021 HERRENBERG Riesling GG Maximin Grünhaus Familie von Schubert

2021 GOLDTRÖPFCHEN Riesling GG Schloss-Lieser - Thomas Haag

2021 JUFFER SONNENUHR Riesling GG Fritz Haag

2021 NIEDERBERG HELDEN Riesling GG Schloss-Lieser - Thomas Haag

2021 MARIENBURG FAHRLAY TERRASSEN Riesling GG Clemens Busch

2021 MARIENBURG ROTHENPFAD Riesling GG Clemens Busch

2021 MARIENBURG FALKENLAY Riesling GG Clemens Busch

 

 

Riesling VDP.GG 2020 und älter

97

2017 HERMANNSBERG Riesling GG Gut Hermannsberg

96

2020 HIPPING Riesling GG Schätzel

2020 KIRCHENSTÜCK Riesling GG Reichsrat von Buhl

2017 KUPFERGRUBE Riesling GG Gut Hermannsberg

2020 STEINGRÜBEN Riesling  GG Dautel

95

2020 KARTHÄUSERHOFBERG Riesling  GG Karthäuserhof

2020 DOOSBERG Riesling  GG Peter Jakob Kühn

2020 SANKT NIKOLAUS Riesling GG Peter Jakob Kühn

2020 STEIN Riesling  GG Am Stein - Ludwig Knoll

2020 BASTEI Riesling  GG Gut Hermannsberg

2020 BURGBERG Riesling GG Schlossgut Diel

2020 PECHSTEIN Riesling  GG Karl Schaefer

2020 PULVERMÄCHER Riesling  GG Aldinger

2020 GÖTZENBERG Riesling  GG Rainer Schnaitmann

2019 FELSENECK Riesling  GG Prinz Salm

Sascha Speicher Foto: Peter Bender
Sascha Speicher Foto: Peter Bender

„Viele der besten 2021er-Rieslinge
lösen sich ein Stück weit vom Charakter des Jahrgangs und rücken Herkunft und Handschrift in den Vordergrund. Philipp Wittmanns Brunnenhäuschen reizt all das, was 2021 an Feinheit und Pikanz in Verbindung mit vibrierender Spannung hergab, am konsequentesten aus. Resultat ist ein fast schwereloser, tänzelnder und dennoch konturierter Riesling.“

Sascha Speicher
Chefredakteur Meiningers Sommelier

Text: Sascha Speicher; Verkostungsteam: Alexandra Wrann, Christoph Nicklas, Sascha Speicher

Erstmals überhaupt vergaben wir 97 Punkte für einen deutschen Pinot: Gratulation an Sophie und Steffen Christmann, denen mit dem 2020 Idig der ganz große Wurf gelungen ist! Kein anderer Pinot vereint so elegant animierende Frische, Frucht und zugleich Struktur und eine ausgeprägte Würze.

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote