Fellbacher Lämmler; Foto: Renate Weber
Fellbacher Lämmler; Foto: Renate Weber

Lagenvergleich Württemberg

Körper vom Keuper

Württemberg ist schwer im Kommen. Vor allem der Riesling gewinnt an Profil. Wir verkosteten Riesling und Lemberger aus den Top-Lagen Stiftsberg, Pulvermächer und Lämmler.

Text: Michael Hornickel

Das Weinland Württemberg ist ein bisschen die große Unbekannte unter den deutschen Anbaugebieten. Das liegt vor allem daran, dass der meiste dort erzeugte Wein das Ländle nicht verlässt. Die Württemberger lieben ihren Wein und trinken ihn gerne selbst. Übrigens ist nirgendwo in Deutschland der Pro-Kopf-Verbrauch an Wein höher als dort. Wird eine Flasche Württemberger in ein anderes Bundesland verschickt, nennt man das schon augenzwinkernd „exportieren“.

Dabei ist Württemberg mit rund 11 500 Hektar (in fünf Bereichen) das viertgrößte Anbaugebiet Deutschlands, also bedeutend. Zudem ist es unter den Großen das einzige mit klarer Rotweindominanz: Über 70 Prozent der Erzeugung sind Rotweine, wofür vor allem das Nationalgetränk Trollinger sorgt, aber auch der an Ansehen zulegende Lemberger (Schwarzriesling nicht zu unterschätzen). Trotzdem ist der Weiße Riesling auf dem besten Wege, (wieder!) die Rebsorte Nummer eins zu werden. Wer hätte das gedacht? Der württembergische Riesling war es auch, der in jüngerer Vergangenheit am meisten für Furore sorgte. Hatte man früher den Eindruck, er wird ein bisschen vernachlässigt (Trollinger und Liter-Zechweine waren die Cash-Cow), lässt er seit ein paar Jahren durch deutliche Qualitätssteigerungen aufhorchen, was selbst über die Grenzen Württembergs hinaus nachhallt.

Angebaut wird all das entlang des Neckars und seiner Nebenflüsse, zwischen Reutlingen und Bad Mergentheim mit Zentren um Stuttgart und Heilbronn. Die geologische Vielfalt ist dabei enorm, vom schweren Gipskeuper über Löss, Muschelkalk und Sandstein bis hin zu Vulkangestein. Grob betrachtet sind es im Wesentlichen verschiedene Keuperformationen mit Muschelkalkinseln am mittleren Neckar. Dabei ist der Anteil von Hang und sogar von Steillagen, meist als Terrassenweinberge, sehr hoch (etwa 800 Hektar), was außerhalb des Ländles ebenfalls wenig bekannt ist.

Ungewöhnlich ist zudem die Erzeugerstruktur: Die Württemberger Trauben werden zu knapp zwei Drittel von Winzergenossenschaften, die hier Weingärtnergenossenschaften heißen, verarbeitet. Derzeit gibt es 33. Dem gegenüber stehen etwas über 600 selbstvermarktende Weingüter sowie eineinhalb Dutzend Kellereien.

Die Verkostung

Wir verkosteten Rieslinge und Lemberger aus drei Lagen. Aus dem Herzstück des Weinlandes, dem Bereich Württembergisch Unterland, wählten wir den Heilbronner Stiftsberg. Stiftsberge gibt es viele (vor allem in Baden), da diese immer auf kirchlichen Besitz hinweisen, was wiederum der Dokumentation zugute kommt. So wurde der Heilbronner Stiftsberg bereits im 13. Jahrhundert urkundlich erwähnt, damals im Besitz des Stiftes Comburg. Der hier vorherrschende Keuperverwitterungsboden mit lehmigem Ton der in einem kreisrunden Gipfel mündenden Hanglage entstand aus kalkhaltigem Tonstein des Gipskeupers, der an manchen Stellen so präsent war, dass er früher sogar abgebaut wurde.

Aus dem im Süden sich anschließenden Bereich Remstal-Stuttgart wählten wir zwei renommierte Lagen, den Stettener Pulvermächer und den Fellbacher Lämmler. Der Pulvermächer (Stetten ist ein Ortsteil von Kernen) ist eine Riesling-Lage mit altehrwürdigen steinernen Terrassen. Der Name Pulvermächer, im 17. Jahrhundert erstmals erwähnt,  hängt mit der benachbarten Steingrube zusammen und bedeutet Inhaber einer Pulvermühle oder Sprengmeister. Das Stettener Wahrzeichen, die Y-Burg, soll von dortigen Steinen gebaut worden sein. Hier herrscht ebenfalls Keuperverwitterungsboden vor (Bunte Mergel, Schilfsandstein), diesmal mit sandigem Lehm bis lehmigem Ton.

Als dritte Lage wählten wir den Fellbacher Lämmler. Zusammen mit der Lage Goldberg am Kappelberg gelegen ist der Lämmler allerdings die renommiertere. Sein Name stammt von einer alteingesessenen Familie, der über viele Generationen die Lage Lämmler gehörte, die historisch aber nur drei Hektar umfasste, heute rund 20 mal größer ist. Hier gesellt sich zum nährstoffreichen Keuperverwitterungsboden, ein Verwitterungsprodukt aus Kalkstein (Kalk bringt Aromaintensität), etwas toniger Lehm.

Insgesamt verkosteten wir 72 Weine, 56 saftige Rieslinge und 16 strukturierte Lemberger, der drei Spitzenlagen, meist aus aktuellen Jahrgängen. Einige ältere Gewächse konnten eindrucksvoll zeigen, was im Keuperverwitterungsboden steckt. Gerade bei jungen Weißweinen ist das Reifepotenzial schwer zu erkennen, um so erfreulicher die überzeugende Vorstellung der älteren Tropfen.

 

 

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