Foto: Renate Weber
Foto: Renate Weber

Lagenvergleich Rheingau

 

 

Schlossberg vs. Lehnchen: Zwei Lagen, zwei Stile? Hier misst sich eine dramatische Steillage auf Schiefergrundlage mit einem brav wirkenden, sanften Hang aus gewöhnlichem Lösslehm. Wer hat die Nase vorn?

Der Rüdesheimer Berg Schlossberg ist berühmt, ja von internationalem Renommee. Das Oestricher Lenchen hingegen gehört nicht zu den weltbekannten Traum-Lagen des Rheingaus wie etwa Marcobrunn oder Steinberg schon vor hundert Jahren, sie ist allenfalls die bekannteste Lage von Oestrich. Das ist ein bisschen gemein. Der Schlossberg kann mit Superlativen aufwarten: Er ist mit bis zu 70 Grad Steigung die steilste Lage des Rheingaus. So spektakulär kann es das Oestricher Lenchen nicht. Es ist mit 145 Hektar allenfalls eine der größten Lagen des Anbaugebietes, was aber nichts über die Güte einer Lage aussagt. Aber der Reihe nach:

Rüdesheimer Berg Schlossberg

Der zum Rhein geneigte Steilhang des Rüdesheimer Berg liegt flussabwärts des weinseligen Städtchens. Der Rhein fließt hier von Ost nach West und biegt quasi an der ehemaligen Zollburg („Schloss“) Ehrenfels, Namensgeber des Schlossbergs und heute noch als Ruine zu sehen, in einer scharfen Kurve nach Nordwesten in das enge Mittelrhein-Tal ab. Der Rüdesheimer Berg besteht seit der 1970er Lagenneuordnung aus vier Einzellagen: Berg Rottland (34,7 Hektar), Berg Roseneck (26,7 Hektar), Berg Kaisersteinfels (8,2 Hektar) und schließlich der Berg Schlossberg mit 25,3 Hektar um die Ruine Ehrenfels.

Der durch den Ost-West-Verlauf des Rheins reine Südhang bietet die höchste Sonneneinstrahlungs- und Lichtmenge des gesamten Rheingaus. Der Boden aus Rotem Schiefer mit etwas Quarzit speichert zudem gut die Wärme. Im Gegensatz zum Rottland mit leichter Lößabdeckung trifft man hier auf hartes, felsiges Gestein, den kargsten Boden des Rüdesheimer Bergs mit dünner oder gar keiner Erdauffüllung.

In dieser Schiefersteillage sind Rieslinge von klarer, kristalliner Struktur möglich bei, volle Traubenreife vorausgesetzt, herzhaften Aromen von gelben Früchten (bis hin zu Pfirsichmark, Aprikosenhaut...). In kühleren Jahren können die Schlossberg-Rieslinge rassiger und stahliger ausfallen. In der Jugend sind sie oft noch verschlossen.

Oestricher Lehnchen

Die 145 Hektar große Lage in Oestrich wurde nicht nach einem besonders schönen Rheingauer Mädchen benannt, sondern Lenchen ist vielmehr eine Ortsbezeichnung, die vermutlich von seiner Lage an einer zum Pfingstbach geneigten Berg-„Lehne“ herrührt. Möglicherweise entwickelte sich der Name auch aus einer Verkleinerungsform von „Lehen“. Im Oestricher Dialekt mag man den Diminutiv mit „sch“.

Oestrich verfügt übrigens mit Doosberg und Klosterberg über zwei weitere deutlich über 100 Hektar große Einzellagen. Das ist einzigartig im Rheingau. Nur der Mönchspfad in Geisenheim ist mit 160 Hektar größer.

Auf dem tiefgründigen, kiesigen Lößlehm mit schwerem Mergel des Lenchens wachsen blumigduftige, etwas weichere Rieslinge als auf Schiefer. Sie bringen aber auch die Rheingau-typische Rasse und die Riesling-typischen Aromen mit.

Die Verkostung

Wir verkosteten 73 Weine (von 20 Weingütern) beider Lagen, wovon knapp zwei Drittel aus der größeren Lage Lenchen stammten. In beiden Lagen, vom VDP klassifiziert, tummeln sich bekannte Winzer, aber wir konnten auch so manche Entdeckung machen.

Zugelassen waren Rieslinge aller Geschmacksrichtungen, gefragt waren dabei neben den aktuell verfügbaren Jahrgängen auch ein paar ältere Gewächse, um sich dem Reifepotenzial anzunähern.

Ob Schiefer vom Schlossberg oder Lösslehm vom Lenchen, die Unterschiede im Ausdruck der Weine drängen sich nicht auf, schon gar nicht bei den jüngeren Jahrgängen wie 2013 und 2014. Dabei zogen sich die 2013er recht gut aus der Affäre, nur manchmal erschien die Säure etwas hart oder spitz, bei ein paar Weinen hatte man allerdings den Eindruck, dass sie im Moment in einem kleinen Tief stecken. Die 2014er wirkten hingegen zum Teil noch recht verschlossen, Große Gewächse sind bekanntlich noch keine zu haben, bei ein paar kleineren Weinen hatte man den Eindruck, dass sie an der Luft etwas verlieren.

Insgesamt war die Verkostung natürlich ein großes Vergnügen. Der Rheingau glänzte mit druckvollem Saft, würziger Frucht und kühlem Biss. Viele ältere Weine, ein gutes Dutzend vor 2010, machten das große Potenzial der Riesling-Spezialisten deutlich. An der Luft legten sie noch einiges zu. Gerade bei den älteren Gewächsen ließen sich bisweilen sogar die Lagenunterschiede gut herausschmecken. Bei den jüngeren Weinen dominierte wie üblich der Hauston vor der Lage. Bei manchen Erzeugern (wie bei Leitz) lassen sich die Jahrgänge gut ablesen.

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