Cool Climate Weine aus Südamerika (Foto: teddyh/Stock.adobe.com)
Cool Climate Weine aus Südamerika (Foto: teddyh/Stock.adobe.com)

Cool Climate Weine aus Südamerika

Cool Climate Weine aus Argentinien und Chile: Die Anden-Nachbarn standen lange vor allem für dunkle, mächtige, frucht- und holzbetonte Rotweine – sowohl mit den Leuchttürmen Malbec oder Carmenère als auch mit Cabernet Sauvignon und internationalen Blends. Doch dieses Bild ändert sich gerade fundamental: Die neue Welle ist finessenreich, kühl und animierend. Ein Ausflug in die Höhe.

Text: Christoph Nicklas

Die positiven Ergebnisse unserer Verkostung von rund 80 Weinen der frischen Cool-Climate-Stilistik (die inhaltliche Fortsetzung des Tastings »Cool Climate Weine aus Australien und Neuseeland für Ausgabe 6/2022) kommen vor allem für die Weinmacher aus Chile in einer schwierigen Zeit. Im Februar, unmittelbar vor Beginn der Traubenlese, waren durch eine Hitzewelle mit Temperaturen um 40 °C und große Trockenheit in der Mitte und im Süden des Landes Hunderte von Feuern ausgebrochen. Bereits nach wenigen Tagen wurden durch die Flammen knapp 50 000 Hektar Land zerstört – darunter auch Weinbetriebe, denn die Brände wüteten in zwei aktuell enorm spannenden Anbaugebieten: Itata Valley und Bio Bio Valley. Besonders traurig ist die Tatsache, dass das kein Einzelphänomen ist. Bereits 2017 hatte es in diesen Gebieten verheerende Feuer gegeben, denen über 400 000 Hektar Land zum Opfer fielen. Der Rauch hielt sich auch lange danach noch in den Rebparzellen und auf den Trauben und sorgte dafür, dass viele Flaschen des Jahrgangs 2017 sensorisch belastet waren – mit dem sogenannten „Smoke Taint“, der speziell bei Rotweinen auftritt, denn diese haben in der Produktion den längsten Kontakt mit den Traubenschalen.

Spektakuläre Höhenlagen 

Wie kann man in einer solchen Situation als landwirtschaftlicher Betrieb den Mut behalten? Angesichts der Effekte des Klimawandels, speziell in Form von immer trockeneren und heißeren Phasen vor und während der Traubenernte, haben Winzer nur eine begrenzte Auswahl von Möglichkeiten, um Überreife und Wetterextremen Paroli zu bieten. Zwei davon, die theoretisch für alle Produzenten umsetzbar sind, lauten: entweder früher mit der Lese beginnen oder mit später reifenden Rebsorten arbeiten. Beides ist leichter gesagt als getan, denn nicht jede Sorte erlaubt eine frühere Lese bei ausreichender physiologischer Reife und nicht jeder Standort verträgt sich mit spät reifenden Sorten. Der Königsweg für ein langsameres, längeres Reifefenster scheint momentan ein anderer: Weinberge in großer Höhe, und das geht eben nur an bestimmten Orten – womit wir in den Anden gelandet wären. Kein europäisches Weinbauland hat vergleichbare Höhenlagen mit Reben bepflanzt. Wo die höchsten Weinberge Europas enden (im Vinschgau bei ca. 1 300 Metern und in der Schweiz bei ca. 1 100 Metern), fangen viele Parzellen in Argentinien und Chile erst an. Diese höheren Lagen haben eine Reihe von Vorteilen: niedrigere Temperaturen und weniger Hitzepeaks bei gleichzeitig direkterer Sonneneinstrahlung, bessere Ventilation und größere Tag-Nacht-Temperaturdifferenzen. Durch die stärkere UV-Einstrahlung entwickeln die Beeren dickere und dunklere Schalen, gleichzeitig bewahren sie einen hohen Säuregehalt, was zu einem positiven Paradoxon führen kann: farbintensive Rotweine, die überraschend frisch und knackig wirken.

Cool Climate Weine: Unser Tasting

Und genau das zeigte sich bei den besten Weinen des Tastings. Uns überzeugten insbesondere die Muster, bei denen man im Keller mit viel Feingefühl und wenig Intervention gearbeitet hatte. So z. B. die Malbecs vom Projekt Altos Las Hormigas, das seit über 25 Jahren detailliert die Terroir-Details von Mendoza erforscht. Oder das spektakuläre Gut Viñedos de Alcohuaz in Chiles nördlichstem Weinbaugebiet Valle de Elqui, das auf 1 600 bis knapp über 2 200 Metern Höhe Syrah und Garnacha anbaut und mit kurzen Mazerationszeiten und traditionellem Pressen mit den Füßen in Steinbecken Zartheit und Frische maximiert. Apropos traditionell: Lange vor Malbec, Carmenère, Cabernet, Syrah & Co. war in den beiden Ländern eine andere Sorte am weitesten verbreitet: País in Chile und ihre etwas helleren Criolla-Variationen in Argentinien. Die Sorte kam mit den katholischen Konquistadoren im 16. Jahrhundert nach Mittel- und Südamerika (in Mexiko kennt man die Sorte unter dem Namen Mission) und stammt ursprünglich aus Kastilien-La Mancha. Nachdem sie lange als einfache Tischweintraube galt, erfährt die hellfarbige, zarte Sorte aktuell eine Renaissance und ergibt in den richtigen Händen zeitgeistige, leichte und angenehm naturale Unikate mit immensem Trinkfluss.

Auch wenn mancher Produzent seinen High-End-Wein nicht ins Rennen schickte (etwa Bodega Chacra und PerSe, die jedoch mit ihren bodenständiger kalkulierten Weinen überzeugten) und einige der aktuell heißen Newcomer fehlten (z. B. Escala Humana und Matías Riccitelli aus Argentinien oder Carter Mollenhauer und Leonardo Erazo aus Chile), können Sie sich mit unseren folgenden Favoriten einen erstklassigen Überblick der neuen Finesse in Argentinien und Chile verschaffen – und darüber hinaus einige Malbec-Vorurteile über Bord werfen und vielleicht sogar zum País- bzw. Criolla-Fan werden.
 

 

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