Nach Jahren des Experimentierens kristalliert sich an der Spitze ein eigenständiges, deutsches Pinot-Profil heraus. Natürlich gibt es noch immer die bräunlichen, warmen Rotweine mit 14,5 %vol. Alkohol und auch der dunkle-konzentrierte Typus à la Becker wird weiterhin seine Fangemeinde finden. Doch der zeitgenössische deutsche Spitzen-Spätburgunder steht für eine andere Interpretation des Terroirs. Vorreiter dieser Bewegung sind Rings und Christmann in der Pfalz und Keller in Rheinhessen. Auch J. Neus ist in diesem Atemzug zu nennen, wenn der Drahtseilakt der markanten Reduktionsnoten gelingt, was nicht bei jedem GG gleichermaßen der Fall ist. In Württemberg prägen Aldinger, Schnaitmann und Dautel seit Jahren die Pinot-Entwicklung innerhalb des VDP, wobei es den Anschein hat, dass im Unterland nach wie vor die konzentriertere, dunklere Spätburgunder-Variante höher im Kurs steht.
In Baden liefern sich Keller, Salwey und Huber ein sportliches Duell auf allerhöchstem Niveau. Jeder der drei mit dickem Ausrufezeichen (Huber Wildenstein, Keller Eichberg, Salwey Kirchberg) und weiteren grandiosen Pinots ganz knapp dahinter. Unter den Top 12 aus Baden ist mit Seegers Herrenberg Oberklamm, der wie immer mit ganz eigener Handschrift überzeugt, nur ein Spätburgunder eines anderen Erzeugers vertreten. Das relativiert die gute Bilanz Badens ein wenig, dazu ist aber anzumerken, dass Dr. Heger in diesem Jahr keine Spätburgunder präsentierte. Dennoch: Zum restlichen Feld der badischen VDP-Betriebe klafft eine deutliche Lücke, qualitativ wie stilistisch.
Im Rheingau etabliert sich der Aufsteiger der letzten Jahre als das Maß der Dinge in Sachen Pinot: das Weingut Kaufmann mit seinem GG aus der Lage Hassel. Ob das Terroir in Assmannshausen oder Rüdesheim einfach so markant ist, dass eine gewisse, warm-weiche, eher hochreife Stilistik vorgegeben ist, oder ob es auch hier möglich wäre, mehr Spannung und Frische aufzubauen, wird in den nächsten Jahren sehr spannend zu beobachten sein.
Die Aufbruchstimmung, die sich auch im Ahrtal ausbreitet, ist bei den GGs zu schmecken. Perfekt umgesetzt von J.J. Adeneuer, mit der auf Schieferboden maximal möglichen Eleganz. Auch bei anderen Ahr-Betrieben ist die Veränderung sensorisch deutlich wahrnehmbar, allerdings scheint der Prozess noch nicht ganz abgeschlossen.
Als zeitlos elegant ließe sich die Handschrift von Paul und Sebastian Fürst bezeichnen. Grundsätzlich eher auf der samtigen, ein Tick rotfruchtigen, warmwürzigen Seite, jedoch mit feinsten Tanninen und großer Tiefe. Eine Handschrift, die nun über 20 Jahre immer weiter verfeinert wurde und allein schon aufgrund ihrer Unverwechselbarkeit bleiben sollte wie sie ist.
95
2018 Bienenberg Wildenstein, Spätburgunder, Bernhard Huber
fleischige Anklänge, dazu dunkle Frucht, Schattenmorelle, Hagebutte, Kornellkirsche; etwas Leder, viel Druck, saftige Kirschfrucht im Finale
95
2018 Eichberg, Spätburgunder, Franz Keller
attraktive Kirschfrucht, viel Zug, animierend herb, Bergheu, Thymian, zart Leder, ausgeprägt saftig, feste, griffige Gerbstoffe
95
2018 Kirchberg, Spätburgunder, Salwey
rotbeerig, expressiv floral, süße Kirsche, Brotgewürz, leicht Cassis, Wildkirsche; saftig, jederzeit mit frisch-fruchtigem Nerv, elegante, geschliffene Tannine
94
2018 Schlossberg, Spätburgunder, Bernhard Huber
warmer, würziger Typ, Heidelbeer, süße Kirsche, Hibiskus, saftig, sehr guter Zug, griffige, aber dezente Gerbstoffe, leicht salzig, fest
94
2018 Eichberg, Spätburgunder, Salwey
frische Nase, leicht minzig, Erbse, etwas schotig, Kirsche; kernig und griffig, positiv handwerklich, Himbeer, angenehm herb und mit guter Frische
94
2018 Schlossberg, Spätburgunder, Franz Keller
etwas wärmerer, offener Typ, rotbeerig, getrocknete Kräuter, Hibiskus, feine herbe Note; zeigt erst am Gaumen seine volle Klasse, feingliedrig, aber doch mit Druck und Tiefe, geschliffene Tannine, die dezent im Hintergrund bleiben, feiner Nerv
94
2018 Kirchberg, Spätburgunder, Franz Keller
offene Kirschfrucht, blaubeerig, leicht Hagebutte; saftig, guter Zug, feines Säurespiel, straff und geradlinig, pikant, mit festem Finale
94
2018 Felsenberg, Spätburgunder, Rings
feine Nase, sehr elegant, ausgeprägte Kirschfrucht, auch Wildkirsche, Leder; kalkige Art, griffig, feiner Säurenerv, alles balanciert und vibrierend
94
2018 Saumagen, Spätburgunder, Rings
dunkle Kirschfrucht, auch Holunder, kraftvoll, aber nicht fett, ausgeprägt kalkige Textur, etwas blaue Frucht, kernig und mit dunkler Würze
94
2018 Idig, Spätburgunder, A. Christmann
helle Farbe, elegante Nase, feingliedrig, duftig, Sauerkirsche, Gewürz- und Kräuternoten, Kampotpfeffer, ganz leicht schotig; geschliffene Tannine, saftig, fester Kern trotz aller Zartheit
94
2017 Heydenreich, Spätburgunder, Friedrich Becker
dunkle Würze, After Eight, ganz leicht wild, knackige Kirschfrucht, kühl-kräutrig; noch sehr jung, super feines Tannin, kompromisslos fokussiert
95
2018 Bürgel, Spätburgunder, Keller
elegante Nase, gepflegt wild, Lorbeer, Sauerkirsche, Leder, Moschus, feine Gerbstoffe, hochelegant, eher helle Frucht, feingliedrig
94
2018 Hundsrück, Spätburgunder, Rudolf Fürst
heller, rotbeeriger Typ, sehr elegant, feine Würze, saftig, samtene Tannine, alles dicht verbunden, viel Spiel
93
2018 Hassel, Spätburgunder, Kaufmann
kühle Nase, Kirsche, Kornellkirsche, viel Holz, aber schon gut integriert; saftig, toller Zug, griffige Tannine
93
2018 Gips Marienglas, Spätburgunder, Aldinger
duftig-floral, alles sehr fein, Veilchen, Hibiskus, Walderdbeeren, Sauerkirsche; sehr frisch, rassiges Säurespiel, feste, aber nicht grüne Tannine, Holz gut eingebunden