Foto: Ralf Ziegler/AdLumina
Foto: Ralf Ziegler/AdLumina

Stefan Nink reist mit dem Jeep durch den Himalaya

OH, GEHEIMNISVOLLES SIKKIM! Kann man einem Reiseziel widerstehen, das noch immer mehr Gerücht als Wirklichkeit ist? Wenn man sowieso schon in Darjeeling ist und einen nur noch eine Autofahrt trennt von diesem geheimnisvollen Shangri-la tief im Himalaya? Natürlich nicht! Auch wenn man sich besser schon zu Hause um die Spezialgenehmigung gekümmert hätte, die man für einen Abstecher nach Sikkim benötigt. Aber der Mann an der Hotelrezeption kann natürlich weiterhelfen. Eine Genehmigung? Sehr einfach sei das! Er schickt mich auf einen mehrstündigen Hindernisparcours durch die indische Bürokratie, die es sich im Niemandsland zwischen Kafka und Kipling gemütlich gemacht hat.

Als ich zurück im Hotel bin, hat er mir ein Taxi nach Sikkim organisiert. „Leider war der Beifahrersitz schon gebucht. Aber hinten sitzt man auch sehr bequem.“ Am nächsten Morgen stopft der Fahrer des Jeep-Taxis zehn Passagiere in den Mahindra. Zehn. Er rangiert und dirigiert, er schiebt und drückt, und am Ende hat er mich und drei Männer in Turbanen tatsächlich auf dem Rücksitz untergebracht, zwei Frauen auf dem Beifahrersitz und eine vierköpfige Familie aus Kalkutta auf den Notbänken im Heck. Schon beim ersten Stopp nach zwanzig Minuten – beziehungsweise nach den ersten 328 Kurven der Fahrt – wird die Mutter in hohem Bogen auf die Straße spucken, vielleicht ist es aber auch die dicke Tochter, so genau ist das zwischen den sich auflösenden Turbanen nicht auszumachen.

Sieben Serpentinen-Stunden später rumpelt unser Jeep hupend in Gangtok ein. Sikkims Hauptstadt liegt ähnlich wie Darjeeling auf einem dicht bewaldeten Gebirgskamm, an einen Spaziergang aber ist erst einmal nicht zu denken: Die Knie zittern schon bei den ersten Schritten ganz merkwürdig, das muss von den sieben Stunden und den 23 544 Kurven kommen. Zum Glück versagen sie nicht komplett ihren Dienst wie bei der Mutter aus Kalkutta, die von Mann und Sohn gestützt werden muss. Mir ist aber auch ganz flau im Magen.

Zum Glück gibt es gleich gegenüber eine Kneipe. Das namenlose Etablissement erweist sich als ein langer, halbdunkler Schlauch, der rechts und links mithilfe von Sperrholzplatten in kleine Sitzecken unterteilt ist. Vor diesen Abteilen hängen Gardinen bis hinunter auf Schienbeinhöhe, die zugezogen werden, sobald der Wirt serviert hat. Was in vorliegendem Fall allerdings nicht viel nutzt – der Wirt scheint die Anwesenheit des Fremden verraten zu haben. Jedenfalls werden die Vorhänge jetzt alle drei Minuten aufgerissen und ein oder mehrere Unbekannte strecken und recken ihre Köpfe hinein. Schulkinder schauen vorbei – Vorhang auf, Kopf rein, Vorhang zu – der Hauptstadtälteste, sieben bis neun Souvenirhändler und die drei Turbanträger. Am Ende taucht der Fahrer des Jeeps auf. Ihn lasse ich nicht wieder verschwinden. Als die Flasche Sangiovese vom Weingut Krsma leer ist, haben wir folgenden Deal ausgemacht: In genau einer Woche wird er mich abholen. Hier, vor dieser Kneipe, erst dann fahren wir weiter zur offiziellen Haltestelle. Ich werde den dreifachen Fahrpreis zahlen. Dafür darf ich dann auf der Rückfahrt vorne sitzen. Auf dem Beifahrersitz. Und weit weg von Turbanträgern und Familien aus Kalkutta.

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Ausgabe 03/2024

Erhältlich ab 8. März: MEININGERS WEINWELT Ausgabe 03/2024

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