Text: Sascha Speicher
Wie schmeckt Saumagen? Eine Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist. Einerseits liefert der zeitlose Stil von Koehler-Ruprecht ein seit Jahrzehnten gültiges Leitbild. Gleichzeitig setzen die VDP-Winzer Steffen und Andreas Rings und Philipp Kuhn seit Jahren eigene Maßstäbe.
Die Attraktivität der Lage hat viele Spitzenwinzer aus den umliegenden Weinorten angelockt. Diese brachten ihre eigene Philosophie und Handschrift mit und interpretierten den Lagencharakter neu. Hinzu kommt die geologische und mikroklimatische Vielfalt innerhalb des Saumagens, mit so unterschiedlichen Gewannen wie Kreid, Horn, Nil(l) oder der Urgewann Saumagen inklusive der beiden Terrassen.
Um die zwölf Weine für den Sommelier Summit auszuwählen, verkosteten wir mehr als 40 Weine (edelsüß hatten wir bewusst ausgeklammert). Auffallend: Von den zwölf bestbewerteten Weinen wurden nur die Rieslinge von Koehler-Ruprecht in Kallstadt vinifiziert, die Saumagen GbR von Knipser-Philippi hat zumindest ihren Sitz in Kallstadt, auch wenn der Wein in Laumersheim ausgebaut wird.
Klammert man die beiden Genannten aus, liefert auch der Blick auf die Preise ein erstaunliches Bild: Kaum ein Riesling, geschweige denn Spätburgunder der „Auswärtigen“ ist für weniger als 30 Euro zu bekommen, während die Kallstadter Weingüter die Weine aus ihrer Paradelage häufig zwischen 5 und 15 Euro anbieten.

Gibt es einen roten Faden?
Der Kalksteinfels im Untergrund, zum Teil meterhoch bedeckt von Löss, ist ohne Frage das verbindende Element. Wie in vielen vom Kalk geprägten Spitzenlagen drückt sich dessen Einfluss in einer griffigen Textur und hier im Speziellen in einer positiven Herbheit im Finale aus, die auch in Richtung Bitternote tendieren kann. Das kann bereichernd, aber im ungünstigen Fall auch leicht störend wirken. Prädestiniert scheint dieses Terroir, um auf Spontangärung zu setzen und mit Holzfässern zu arbeiten, auch sich beim Ausbau entwickelnde Reduktionen wirken fast immer gepflegt und bereichernd.
Ein Hindernis scheint die vom Tourismus geprägte Vermarktungsstruktur innerhalb des Ortes darzustellen, wenn es darum geht, eine klare Handschrift zu entwickeln. Viele Saumagen-Rieslinge der Kallstadter Betriebe waren stärker von einer standardisierten Machart geprägt, als von Terroir und/oder der Handschrift. Das mag auch den vor Ort erzielbaren Preisen geschuldet sein.
Abgesehen von Koehler-Ruprecht und dem Duo Knipser-Philippi zeigen vor allem das Weingut am Nil sowie das junge Weingut MKquadrat eine eigene Handschrift. Das Weingut am Nil hat in Holzfässer investiert und sowohl bei Spätburgunder als auch beim Riesling ist eine Weiterentwicklung zu schmecken. Die Weine werden dichter und präziser, ohne auf einen gewissen fruchtigen Schmelz zu verzichten. Das Kontrastprogramm liefern Klaus Küsters, Wolfgang Grün und Michael Meier: straff, schlank, vertikal und mit einer rassigen Säure ausgestattet – so lässt sich der Stil von MKquadrat, ehemals Weingut Horcher, zusammenfassen.
Verkostung
97
2008 Saumagen, Riesling R Auslese trocken,
12,5 %vol., Weingut Koehler-Ruprecht, Kallstadt, (Magnum)
Gänsehautwein mit maximaler Tiefe; warm-würzig und kräutrig-kühl zugleich, Sesam, Grüntee, eine Spur Tabak, kalkig-flintige Mineralität; gelassen, ruhig und entspannt am Gaumen, dennoch mit pikantem Säurenerv
96
2021 "Kreid", Riesling, 13 %vol.,
Weingut Rings, Freinsheim, 93,50 €
aus der Gewann Kreid; der puristischste, kalkig-mineralischste und vertikalste Ausdruck des Saumagens: straff, edle, rauchige Reduktion; zitrisch und fokussiert, begleitet von kräutriger Würze
95
2021 Saumagen, GG Riesling, 13 %vol.,
Weingut Rings, Freinsheim, 60,– €
pure, enorm kräutrige Reduktion, leicht flintig, viel Schießpulver; extrem karg, purer Kalk am Gaumen, fein mandelig
2021 Saumagen, GG Riesling, 13 %vol.,
Weingut Philipp Kuhn, Laumersheim, 38,– €
edle Reduktion, junge feste Ananas, gelber Pfirsich, leicht rauchig, Wermutkraut; dichter Schmelz, fruchtige, leichte Süße, enormer Zug
2021 Saumagen, Riesling, 12,5 %vol.,
Weingut Karsten Peter, Bad Dürkheim, 37,50 €
extrem viel Feuerstein, Johannisbeerholz, leicht Popcorn; rassiges Säurespiel, vibrierend, vertikal, puristisch, kalkig und salzig, ein Laserschwert mit Trinkfluss
2020 Saumagen GG, Spätburgunder, 13 %vol.
Weingut Rings, Freinsheim, 75,– €
super edle Kirschfrucht, feine, geschmeidige Art, voll auf der Frucht, auch etwas Hibiskus; extrem kalkige Textur, ganz zarter, edler Säurezug
94
2017 Saumagen, Riesling R Spätlese trocken, 13,5 %vol.,
Weingut Koehler-Ruprecht, Kallstadt, 28,50 €
satte gelbfruchtige Art, Kamille, sommerlich-kräutrige Würze; feiner Säurenerv, eine Spur Honig, aber die Würze und Mineralität bilden ein festes Gerüst, entspannter Typ
93
2020 Saumagen, N°1 Riesling, 13 %vol.,
Weingut Fußer, Niederkirchen, 30,– €
reife, offene, gelbfruchtige Art, deutlich Holz, spektakuläre, dunkle ätherische Würze, Piment; sehr geschmeidig, fast burgundisch, griffige Tannine, große Präsenz
2016 Saumagen, Riesling R Auslese trocken, 12,5 %vol.,
Weingut Koehler-Ruprecht, Kallstadt, 105,– €
Wachs, reife gelbe Frucht, viel Mirabelle und viel Salzkaramell, auch Vanille; cremige Fülle, leicht malzig, edle, erdige Würze, viel Schmelz und viel kalkige Textur, milde Säure (beim Summit als Preview: Auslese R 2017 auf vergleichbarem Niveau, erhältlich ab April 2023)
92
2020 Saumagen, Riesling, 12,5 %vol.,
Markus Schneider, Ellerstadt, 24,50 €
helle Farbe, feiner Holzeintrag, weißer Pfirsich; sehr stoffig, leicht mandelig, stattliche Statur, dann aber viel mineralischer Grip, zestig, Orangenschale im Finale
2017 Saumagen, Riesling R Spätlese trocken, 13 %vol.,
Saumagen Riesling GbR, Kallstadt, 55,– €
Holz präsent, leicht Lohe, satte gelbe Frucht, leicht wachsig, Honigwabe, Safran; ausgeprägte, offene Kalkigkeit, rauchig, druckvoll, Haselnuss
2021 Saumagen, Riesling (Fassprobe),
Weingut Odinstal, Wachenheim, auf Anfrage
die noch komplett ungeschwefelte Fassprobe zeigt sich erwartungsgemäß mit gepflegter Wildheit, etwas flüchtig, flintig und mit hell-zitrischer Frucht im Hintergrund, Majoran; sehr vertikal und durchaus mit kalkiger Textur, bleibt griffig und ohne jede Schwere lange am Gaumen
91
2017 Saumagen, Riesling Spätlese trocken,
Weingut Schröder-Weisenborn, Kallstadt, 9,50 €
im besten Sinne klassisch, sofern man Holzfassausbau als klassisch erachtet: würzig, Zitronenmelisse, zeigt beginnende Reife, satte Rieslingfrucht; in Extrakt verpackte Säure, im Finale Karamellnote in Verbindung mit der typischen Herbheit des Saumagens
2019 Saumagen, Riesling, 13,5 %vol.,
Oliver Zeter, Neustadt, 25,– €
elegante, frische, leicht rauchige Art, Johannisbeerholz, Bergheu mit Wildkräutern, Holz sehr gut verpackt, vielleicht eine Spur zu viel Exotik, Guave, Maracuja; griffig, zartherb, leicht bitter-süß
2020 Saumagen, Herzstück Riesling, 13 %vol.
Weingut Bühler, Kallstadt, 15,10 €
helle Farbe, frischer Duft, leicht Lohe, zitrische Anklänge, fester weißer Pfirsich, positiv grüne Art; straff und pikant, leicht salzig, Holz präsent, schlank und mit kalkiger Textur, positiv mandelig
90
2020 Saumagen, Riesling Spätlese trocken,
12 %vol., Weingut Petri, Kallstadt, 8,80 €
feiner, frischer, kräutriger Duft, Melisse, Zitrone, Waldmeister; pikant, saftig, viel kalkiger Zug, vibrierende Mineralität, grüner Apfel
2021 Saumagen, Riesling Spätlese trocken,
12 %vol., Weingut Petri, Kallstadt, 9,20 €
feine, attraktive und hopfige Kräuterwürze, Quitte, dunkel-rauchig, reduktive Art; leicht, spielerische Süße, Johannisbeere, Kalk als verbindendes Element
2020 Saumagen, Horn Riesling, 12 %vol.
Weingut Petri, Kallstadt, 14,– €
sehr würziger Duft, Lorbeer, Koriandersamen, attraktiv zestig, frische Walnuss; sehr mineralisch, milde Säure, griffige, feste und auch kalkig-herbe Art, fest, aber doch leichtfüßig
2018 Saumagen, Riesling Auslese trocken
Saumagen Riesling GbR, Kallstadt; 65,– €
rauchig, Hefereduktion, leicht Sahnekaramell, Safran; setzt sich so am Gaumen fort, viel Power, milde Säure, stoffig, leicht ölig
2018 Saumagen, Riesling Spätlese trocken R, 12,5 %vol.
Weingut Koehler-Ruprecht, Kallstadt, 30,– €
würzige Nase, Bratapfel, Brotkrume, sehr klassisch; stoffig, milde Säure, kalkige Textur, deutlich Karamell, zeitlos
89
2020 Saumagen, Riesling, 12,5 %vol.,
Weingut am Nil, Kallstadt, 28,90 €
deutlich Holz, viel Nuss und Mandel, leicht laktisch, eine Spur flüchtig, hochreifes Material; druckvoll, dicht, viel Substanz
2021 Saumagen, Riesling,
Weingut MKquadrat, Kallstadt, a. A.
sehr klar, sehr kühl, zitrisch, kräutrig, Safran; Zitrusnote zieht sich durch, sehr schlank, rassige Säure bleibt präsent und straff
2016 Saumagen, Spätburgunder, 13 %vol.
Weingut am Nil, Kallstadt, 22,50 €
rauchig-röstig, Senfkörner, Kirschwasser; leichte Schärfe, viel kalkige Textur, Vanille, warme Würze, auch viel Zimt
88
2021 Saumagen, Silvaner
Müller-Rupprecht, Kallstadt, a. A.
grüner Apfel, leicht dropsige Frucht; am Gaumen pikant, hat durchaus kalkigen Ausdruck, weiche Säure, leicht pfeffrige Würze
87
2019 Saumagen, Riesling 13,5 %vol.,
Weingut am Nil, Kallstadt, 22,90 €
deutlich Holz, üppige Frucht, Ananas, Vanille, Charakteristik kleiner Holzfässer; dahinter fruchtiger Schmelz, leicht bitter im Finale
2021 Saumagen, Riesling, 12,5 %vol.,
Metzger, Asselheim, a. A.
blumig, sehr viel nasse Kreide; auffallend mild in der Säure, fruchtig-kalkiger Schmelz, cremig, leicht überreife Frucht, bitter im Abgang
2021 Saumagen, H Riesling, 13,5 %vol.,
Weingut Müller-Rupprecht, Kallstadt, 16,40 €
Ananas, Vanille, Kokos, extrem aromatisch, sehr technisch; dichter Schmelz, kalkiger Druck ganz im Finale
2021 Saumagen, Riesling Spätlese trocken, 12,50 %vol.
Weingut Bühler, Kallstadt, 9,50 €
dropsige Nase, technische Stilistik mit süßem Schmelz, milde Säure, leicht kalkige Textur im Hintergrund, durchgängig viel Ananas