In der Verkostung bei Sommelier Summit 2022 zeichneten die Saumagen-Rieslinge ein vielfältiges Bild; Foto: Nikita Kulikov Bild
In der Verkostung bei Sommelier Summit 2022 zeichneten die Saumagen-Rieslinge ein vielfältiges Bild; Foto: Nikita Kulikov Bild

Saumagen-­Filetstücke

Die Recherche zum Thema Saumagen gestaltete sich deutlich umfangreicher als zu Grands Crus wie Scharzhofberg, Pettenthal oder Pechstein. Die Größe der Lage, die Besitzverhältnisse und die Betriebsstruktur in Kallstadt machen es nicht einfach, einen Überblick zu gewinnen.
Text: Sascha Speicher

Wie schmeckt Saumagen? Eine Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist. Einerseits liefert der zeitlose Stil von Koehler-Ruprecht ein seit Jahrzehnten gültiges Leitbild. Gleichzeitig setzen die VDP-Winzer Steffen und Andreas Rings und Philipp Kuhn seit Jahren eigene Maßstäbe.

Die Attraktivität der Lage hat viele Spitzen­winzer aus den umliegenden Weinorten angelockt. Diese brachten ihre eigene Philo­sophie und Handschrift mit und interpretierten den Lagencharakter neu. Hinzu kommt die geologische und mikroklimatische Vielfalt innerhalb des Saumagens, mit so unterschiedlichen Gewannen wie Kreid, Horn, Nil(l) oder der Urgewann Saumagen inklusive der beiden Terrassen.

Um die zwölf Weine für den Sommelier Summit auszuwählen, verkosteten wir mehr als 40 Weine (edelsüß hatten wir bewusst ausgeklammert). Auffallend: Von den zwölf bestbewerteten Weinen wurden nur die Rieslinge von Koehler-Ruprecht in Kallstadt vinifiziert, die Saumagen GbR von Knipser-Philippi hat zumindest ihren Sitz in Kallstadt, auch wenn der Wein in Laumersheim ausgebaut wird.

Klammert man die beiden Genannten aus, liefert auch der Blick auf die Preise ein erstaunliches Bild: Kaum ein Riesling, geschweige denn Spätburgunder der „Auswärtigen“ ist für weniger als 30 Euro zu bekommen, während die Kallstadter Weingüter die Weine aus ihrer Paradelage häufig zwischen 5 und 15 Euro anbieten.

Kult-Saumagen Auslese R (links), die Knipser-Philippi-Kolaboration (Mitte), neue Meisterwerke aus Pinot und Spätburgunder von Rings (rechts)
Kult-Saumagen Auslese R (links), die Knipser-Philippi-Kolaboration (Mitte), neue Meisterwerke aus Pinot und Spätburgunder von Rings (rechts)

Gibt es einen roten Faden?

Der Kalksteinfels im Untergrund, zum Teil meterhoch bedeckt von Löss, ist ohne Frage das verbindende Element. Wie in vielen vom Kalk geprägten Spitzenlagen drückt sich dessen Einfluss in einer griffigen Textur und hier im Speziellen in einer positiven Herbheit im Finale aus, die auch in Richtung Bitternote tendieren kann. Das kann bereichernd, aber im ungünstigen Fall auch leicht störend wirken. Prädestiniert scheint dieses Terroir, um auf Spontangärung zu setzen und mit Holzfässern zu arbeiten, auch sich beim Ausbau entwickelnde Reduktionen wirken fast immer gepflegt und bereichernd.

Ein Hindernis scheint die vom Tourismus geprägte Vermarktungsstruktur innerhalb des Ortes darzustellen, wenn es darum geht, eine klare Handschrift zu entwickeln. Viele Saumagen-Rieslinge der Kallstadter Betriebe waren stärker von einer standardisierten Machart geprägt, als von Terroir und/oder der Handschrift. Das mag auch den vor Ort erzielbaren Preisen geschuldet sein.

Abgesehen von Koehler-Ruprecht und dem Duo Knipser-Philippi zeigen vor allem das Weingut am Nil sowie das junge Weingut MKquadrat eine eigene Handschrift. Das Weingut am Nil hat in Holzfässer investiert und sowohl bei Spätburgunder als auch beim Riesling ist eine Weiterentwicklung zu schmecken. Die Weine werden dichter und präziser, ohne auf einen gewissen fruchtigen Schmelz zu verzichten. Das Kontrastprogramm liefern Klaus Küsters, Wolfgang Grün und Michael Meier: straff, schlank, vertikal und mit einer rassigen Säure ausgestattet – so lässt sich der Stil von MKquadrat, ehemals Weingut Horcher, zusammenfassen.

Verkostung

97

2008 Saumagen, Riesling R Auslese trocken,
12,5 %vol., Weingut Koehler-Ruprecht, Kallstadt, (Magnum)

Gänsehautwein mit maximaler Tiefe; warm-würzig und kräutrig-kühl zugleich, Sesam, Grüntee, eine Spur Tabak, kalkig-flintige Mineralität; gelassen, ruhig und entspannt am Gaumen, dennoch mit pikantem Säurenerv


96

2021 "Kreid", Riesling, 13 %vol.,
Weingut Rings, Freinsheim, 93,50 €

aus der Gewann Kreid; der puristischste, kalkig-mineralischste und vertikalste Ausdruck des Saumagens: straff, edle, rauchige Reduktion; zitrisch und fokussiert, begleitet von kräutriger Würze


95

2021 Saumagen, GG Riesling, 13 %vol.,
Weingut Rings, Freinsheim, 60,– €

pure, enorm kräutrige Reduktion, leicht flintig, viel Schießpulver; extrem karg, purer Kalk am Gaumen, fein mandelig

2021 Saumagen, GG Riesling, 13 %vol.,
Weingut Philipp Kuhn, Laumersheim, 38,– €

edle Reduktion, junge feste Ananas, gelber Pfirsich, leicht rauchig, Wermutkraut; dichter Schmelz, fruchtige, leichte Süße, enormer Zug

2021 Saumagen, Riesling, 12,5 %vol.,
Weingut Karsten Peter, Bad Dürkheim, 37,50 €

extrem viel Feuerstein, Johannisbeerholz, leicht Popcorn; rassiges Säurespiel, vibrierend, vertikal, puristisch, kalkig und salzig, ein Laserschwert mit Trinkfluss

2020 Saumagen GG, Spätburgunder, 13 %vol.
Weingut Rings, Freinsheim, 75,– €

super edle Kirschfrucht, feine, geschmeidige Art, voll auf der Frucht, auch etwas Hibiskus; extrem kalkige Textur, ganz zarter, edler Säurezug


94

2017 Saumagen, Riesling R Spätlese trocken, 13,5 %vol.,
Weingut Koehler-Ruprecht, Kallstadt, 28,50 €

satte gelbfruchtige Art, Kamille, sommerlich-kräutrige Würze; feiner Säurenerv, eine Spur Honig, aber die Würze und Mineralität bilden ein festes Gerüst, entspannter Typ


93

2020 Saumagen, N°1 Riesling, 13 %vol.,
Weingut Fußer, Niederkirchen, 30,– €

reife, offene, gelbfruchtige Art, deutlich Holz, spektakuläre, dunkle ätherische Würze, Piment; sehr geschmeidig, fast burgundisch, griffige Tannine, große Präsenz

2016 Saumagen, Riesling R Auslese trocken, 12,5 %vol.,
Weingut Koehler-Ruprecht, Kallstadt, 105,– €

Wachs, reife gelbe Frucht, viel Mirabelle und viel Salzkaramell, auch Vanille; cremige Fülle, leicht malzig, edle, erdige Würze, viel Schmelz und viel kalkige Textur, milde Säure (beim Summit als Preview: Auslese R 2017 auf vergleichbarem Niveau, erhältlich ab April 2023)


92

2020 Saumagen, Riesling, 12,5 %vol.,
Markus Schneider, Ellerstadt, 24,50 €

helle Farbe, feiner Holzeintrag, weißer Pfirsich; sehr stoffig, leicht mandelig, stattliche Statur, dann aber viel mineralischer Grip, zestig, Orangenschale im Finale

2017 Saumagen, Riesling R Spätlese trocken, 13 %vol.,
Saumagen Riesling GbR, Kallstadt, 55,– €

Holz präsent, leicht Lohe, satte gelbe Frucht, leicht wachsig, Honigwabe, Safran; ausgeprägte, offene Kalkigkeit, rauchig, druckvoll, Haselnuss

2021 Saumagen, Riesling (Fassprobe),
Weingut Odinstal, Wachenheim, auf Anfrage

die noch komplett ungeschwefelte Fassprobe zeigt sich erwartungsgemäß mit gepflegter Wildheit, etwas flüchtig, flintig und mit hell-zitrischer Frucht im Hintergrund, Majoran; sehr vertikal und durchaus mit kalkiger Textur, bleibt griffig und ohne jede Schwere lange am Gaumen


91

2017 Saumagen, Riesling Spätlese trocken,
Weingut Schröder-Weisenborn, Kallstadt, 9,50 €

im besten Sinne klassisch, sofern man Holzfassausbau als klassisch erachtet: würzig, Zitronenmelisse, zeigt beginnende Reife, satte Rieslingfrucht; in Extrakt verpackte Säure, im Finale Karamellnote in Verbindung mit der typischen Herbheit des Saumagens

2019 Saumagen, Riesling, 13,5 %vol.,
Oliver Zeter, Neustadt, 25,– €

elegante, frische, leicht rauchige Art, Johannisbeerholz, Bergheu mit Wildkräutern, Holz sehr gut verpackt, vielleicht eine Spur zu viel Exotik, Guave, Maracuja; griffig, zartherb, leicht bitter-süß

2020 Saumagen, Herzstück Riesling, 13 %vol.
Weingut Bühler, Kallstadt, 15,10 €

helle Farbe, frischer Duft, leicht Lohe, zitrische Anklänge, fester weißer Pfirsich, positiv grüne Art; straff und pikant, leicht salzig, Holz präsent, schlank und mit kalkiger Textur, positiv mandelig


90

2020 Saumagen, Riesling Spätlese trocken,
12 %vol., Weingut Petri, Kallstadt, 8,80 €

feiner, frischer, kräutriger Duft, Melisse, Zitrone, Waldmeister; pikant, saftig, viel kalkiger Zug, vibrierende Mineralität, grüner Apfel

2021 Saumagen, Riesling Spätlese trocken,
12 %vol., Weingut Petri, Kallstadt, 9,20 €

feine, attraktive und hopfige Kräuterwürze, Quitte, dunkel-rauchig, reduktive Art; leicht, spielerische Süße, Johannisbeere, Kalk als verbindendes Element

2020 Saumagen, Horn Riesling, 12 %vol.
Weingut Petri, Kallstadt, 14,– €

sehr würziger Duft, Lorbeer, Koriandersamen, attraktiv zestig, frische Walnuss; sehr mineralisch, milde Säure, griffige, feste und auch kalkig-herbe Art, fest, aber doch leichtfüßig

2018 Saumagen, Riesling Auslese trocken
Saumagen Riesling GbR, Kallstadt; 65,– €

rauchig, Hefereduktion, leicht Sahnekaramell, Safran; setzt sich so am Gaumen fort, viel Power, milde Säure, stoffig, leicht ölig

2018 Saumagen, Riesling Spätlese trocken R, 12,5 %vol.
Weingut Koehler-Ruprecht, Kallstadt, 30,– €

würzige Nase, Bratapfel, Brotkrume, sehr klassisch; stoffig, milde Säure, kalkige Textur, deutlich Karamell, zeitlos


89

2020 Saumagen, Riesling, 12,5 %vol.,
Weingut am Nil, Kallstadt, 28,90 €

deutlich Holz, viel Nuss und Mandel, leicht laktisch, eine Spur flüchtig, hochreifes Material; druckvoll, dicht, viel Substanz

2021 Saumagen, Riesling,
Weingut MKquadrat, Kallstadt, a. A.

sehr klar, sehr kühl, zitrisch, kräutrig, Safran; Zitrusnote zieht sich durch, sehr schlank, rassige Säure bleibt präsent und straff

2016 Saumagen, Spätburgunder, 13 %vol.
Weingut am Nil, Kallstadt, 22,50 €

rauchig-röstig, Senfkörner, Kirschwasser; leichte Schärfe, viel kalkige Textur, Vanille, warme Würze, auch viel Zimt


88

2021 Saumagen, Silvaner
Müller-Rupprecht, Kallstadt, a. A.

grüner Apfel, leicht dropsige Frucht; am Gaumen pikant, hat durchaus kalkigen Ausdruck, weiche Säure, leicht pfeffrige Würze


87

2019 Saumagen, Riesling 13,5 %vol.,
Weingut am Nil, Kallstadt, 22,90 €

deutlich Holz, üppige Frucht, Ananas, Vanille, Charakteristik kleiner Holzfässer; dahinter fruchtiger Schmelz, leicht bitter im Finale

2021 Saumagen, Riesling, 12,5 %vol.,
Metzger, Asselheim, a. A.

blumig, sehr viel nasse Kreide; auffallend mild in der Säure, fruchtig-kalkiger Schmelz, cremig, leicht überreife Frucht, bitter im Abgang

2021 Saumagen, H Riesling, 13,5 %vol.,
Weingut Müller-Rupprecht, Kallstadt, 16,40 €

Ananas, Vanille, Kokos, extrem aromatisch, sehr technisch; dichter Schmelz, kalkiger Druck ganz im Finale

2021 Saumagen, Riesling Spätlese trocken, 12,50 %vol.
Weingut Bühler, Kallstadt, 9,50 €

dropsige Nase, technische Stilistik mit süßem Schmelz, milde Säure, leicht kalkige Textur im Hintergrund, durchgängig viel Ananas

Was hat es auf sich mit der dynamischen Traditionslage?

Die Recherche hinter unserer Verkostung finden Sie hier

Zwei Jahrzehnte wurde die Pfälzer Spitzenlage fast ausschließlich mit Koehler-Ruprecht assoziiert. Heute tummeln sich im Kallstadter Saumagen Spitzenbetriebe und neue Namen.

01-2023

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Saumagen - Lage mit vielen Gesichtern

PAIRING

Restaurant Intense - Spiel mit dem Feuer

PROFILE

Almhof Schneider - Josef Neulinger mit klarer Handschrift