Seriösität gefragt

Der Aufruhr im Netz war groß: Auf verschiedenen Branchenwebseiten war zu lesen, dass die EU nun per Votum beschlossen habe, dass künftig deutliche Warnhinweise auf Etiketten aufzubringen seien – die Nachrichten erschienen teilweise sogar bevor die Abstimmung im Parlament überhaupt begonnen hatte. 

Die Realität sieht etwas anders aus: Mitnichten hat »die EU« nun »drastische Maßnahmen« auf den Weg gebracht und fortan müssten, analog zur Zigarettenschachtel, Bilder von Alkoholiker-Lebern auf Weinflaschen abgedruckt werden. Das Gegenteil ist der Fall: Derartigen Ideen wurde im letzten Moment vom Parlament eine Absage erteilt.

Ein kurzer Rückblick: Im Dezember hat ein spezielles Sonderkomitee mit Namen BECA (»BEating CAncer«) der Europäischen Kommission einen Report zum Thema Krebsbekämpfung vorgelegt. Darin enthalten: Teilweise sehr strikte Auslegungen, dass jedweder Alkoholkonsum schädlich sei, was entsprechende deutliche Warnhinweise auf den Produkten nach sich ziehen müsse. Die Gefahr war also sehr real.

Dagegen lief eine offensichtlich nicht zu unterschätzende Lobby Sturm, darunter auch die Weinindustrie mit ihren zahlreichen (Erzeuger-) Verbänden. Und hat größtenteils auch Gehör gefunden, vor allem bei der konservativen EVP. Abgeordnete vor allem dieser Partei haben bei der Abstimmung entsprechende Änderungsanträge durchsetzen können, sodass der nun angenommene Text deutlich beschwichtigender mit Alkohol umgeht.


 

Alexandra Wrann, Chefredakteurin WEINWIRTSCHAFT
Alexandra Wrann, Chefredakteurin WEINWIRTSCHAFT

Die lauten Schnellschüsse im Internet aber haben unmittelbar das Schlimmste heraufbeschworen und den Eindruck erweckt, schon morgen müsste auf jeder Weinflasche ein abschreckendes Bild prangen mit dem Warnhinweis »Alkohol ist tödlich« oder dergleichen. Das sorgt natürlich für viele Klicks, steigert die eigene Reichweite. Seriös ist es nicht.

Ein besonnenerer Umgang mit der Thematik wäre hilfreich. Natürlich ist es für die Weinbranche keine gute Nachricht, sollten tatsächlich höhere Steuern auf Alkohol kommen als Mittel zur Bekämpfung von Alkoholmissbrauch. Dass aber früher oder später auch die Erzeuger einer Aufklärungsaufgabe nachkommen müssen, ist wenig überraschend. Dabei ist denkbar, dass es bereits ausreicht, das Logo der Kampagne »Wine in moderation« auf dem Etikett abzudrucken – was ja bereits von Verbänden befürwortet wird.

Sie lesen richtig: denkbar. Es gibt also noch keinerlei konkrete Grundlage oder Idee, was genau auf die Branche zukommen wird. Zu einer besonnenen Betrachtung gehört auch den politischen Prozess zu kennen, über den so damokleshaft berichtet wird: Hier hat das Parlament zunächst über eine »Marschrichtung« abgestimmt. Das ist eine – legislativ gestützte – Empfehlung an die Kommission, die Exekutive. Die darauf aufbauend nun gesetzliche Rahmenbedingungen erarbeitet. Dabei kann – und sollte – sie sich an den Empfehlungen des Parlaments orientieren. 

Bis das Ganze aber zu einem oder mehreren Gesetzen wird, vergehen noch mindestens 1-2 Jahre – und in dieser Zeit wird noch viel Lobby-Arbeit in Brüsseler Büros betrieben werden können.

Ausgabe 8/2024

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Wenn die Sonne scheint, muss es nicht immer weiß sein – wann Rotwein auch im Sommer passt.