Die Weinhandlung Kretschmann hat ein Zuhause in einem ehemaligen Autohaus gefunden (Foto: Weinhandlung Kretschmann)
Die Weinhandlung Kretschmann hat ein Zuhause in einem ehemaligen Autohaus gefunden (Foto: Weinhandlung Kretschmann)

Moderner Verkauf

Eine der sehenswertesten Weinhandlungen Deutschlands steht in Hof im Nordosten Bayerns. Am westlichen Ortseingang der 47.000-Einwohner-Stadt hat die Weinhandlung Kretschmann ein architektonisches Highlight geschaffen. 

Bis 2019 empfing der traditionsreiche Betrieb seine Kunden noch im Zentrum der oberfränkischen Stadt. Der Umzug an den Stadtrand wurde zu einem Befreiungsschlag. So wie die Weinhandlung Kretschmann mit dem neuen Standort die eigenen Grenzen überwand, baute sie auch die Grenzen gegenüber den Kunden ab.

Die lange Fensterfront sorgt für eine optische Offenheit und baut psychologische Eintrittsbarrieren ab. Genau diese Offenheit wird auch im Inneren aufgenommen. Die Geschäftsführer Peter Winkler und Alexander Schütz haben sich mit ihrem Team gut überlegt, was sie mit 400 Quadratmetern Verkaufsraum anfangen. Dabei haben sie der Versuchung widerstanden, das Sortiment auszubauen und den Laden bis auf den letzten Flecken zuzustellen.

Lange, übersichtliche Präsentationstheken (Foto: Simon Werner)

Stattdessen präsentieren sie ihr Angebot großzügig aufgeräumt. Lange, tischhohe Theken durchziehen das Ladenlokal und stellen das Sortiment klar nach Ländern sortiert vor. Wo Kunden sonst über verschiedene Regalebenen nach ihrem neuen Lieblingswein suchen müssen, langt ihnen hier der Blick auf die Thekenoberfläche, auf der jeweils eine Weinflasche aus dem Portfolio inklusive großer beschreibender Tafel aufgebaut ist. Auf den zwei Ebenen unterhalb der Thekenfläche befinden sich zunächst weitere Einzelflaschen und dann Kartons der oben dargestellten Weine.

Klassische Herkünfte

Dabei nimmt die fränkische Heimat viel Platz auf Kretschmanns Theken ein, auch wenn die Saale durch Hof fließt und das größte ostdeutsche Anbaugebiet näher liegt als Frankens Weinberge. Auch wenn der Heimatbezug wichtig ist, vernachlässigt das Sortiment nicht die Aufgabe eines Fachhändlers, ein umfangreiches Angebot der Weinwelt zusammenzustellen. 

So finden sich unter den 750 Weinen auch 195 italienische, deren Absatz und Umsatz den deutschen nahekommt. Ein weiterer Schwerpunkt sind französische Weine, die ebenfalls auf einen sechsstelligen Umsatz und einen Durchschnittspreis oberhalb von 10 Euro kommen. Ein wenig ist das auch der Tradition geschuldet, denn die 1900 gegründete Weinhandlung war auch schon ein Bordeaux-Spezialist. Die drei Länder stehen für 90 Prozent des Wein-Umsatzes.

Blickt man genauer in das Sortiment fallen viele Weine auf, die den normalen Kunden statt den Wein-Crack ansprechen. Fachhandels-Marken mit Bestseller-Potenzial wie »Arrogant Frog« oder »Enate« sind bestens dazu geeignet, Berührungsängste der Kunden abzubauen.

So freuen sich Peter Winkler und Alexander Schütz darüber, in der Weinhandlung Kretschmann heute auch deutlich mehr junge Kunden zu begrüßen. Gleichzeitig sorgen Klassiker wie Tignanello oder Ornellaia dafür, dass sich auch gestandene Weinliebhaber hier wiederfinden. Fast ein Drittel des Absatzes erfolgt oberhalb der magischen 10-Euro-Grenze.
 

 

Viel Service

Während die Ladengestaltung Barrieren abbaut und zum Stöbern einlädt, sorgen die zwei Weinfachberaterinnen dafür, dass sie kompetenten Service erfahren können. Dabei haben sie an vieles gedacht und bieten z.B. für eine längere Verweildauer und größere Mengen auch rollbare Einkaufskörbe an. Die Loyalität der Kunden wird durch eine Kundenkarte erhöht, die ihnen einen dreiprozentigen Rabatt gewährt. Regelmäßige Social-Media-Beiträge gehören zum Marketing-Alltag. 

Ganz wichtig sind auch die zahlreichen Veranstaltungen der Weinhandlung Kretschmann, bei denen sich zeigt, wie großzügig sie mit ihrem Platz umgeht. So befindet sich direkt neben dem Verkaufsbereich der immer noch große Veranstaltungsbereich, den eine lange Tafel krönt, die bei den »kleineren« Events zum Einsatz kommt. Wenn zahlreiche Lieferanten zur großen Hausmesse kommen, wird dagegen der gesamte Bereich genutzt. 

Spirituosen sind noch immer wichtig (Foto: Simon Werner)
Spirituosen sind noch immer wichtig (Foto: Simon Werner)

Off-Trade-Fokus

Der Umzug in die Kulmbacher Straße hat dazu geführt, dass die Bedeutung des Ladengeschäfts deutlich zugenommen hat. Stand früher die Gastronomie im Fokus, sorgen heute die Privatkunden im Laden für 55 Prozent des Geschäfts, während der Gastro-Anteil auf 30 Prozent zurückgegangen ist. 

»Durch unser neues Geschäft ist der Einzugsradius auf 50 Kilometer gewachsen«, sagt Peter Winkler. Neben der neu generierten Aufmerksamkeit durch den Standort liegt das auch daran, dass die Weinhandlung Kretschmann ein echter Vorkämpfer für Wein & Genuss in dieser Ecke Deutschlands ist.
 

 

Hier ist viel Platz (Foto: Weinhandlung Kretschmann)
Hier ist viel Platz (Foto: Weinhandlung Kretschmann)
Übersichtliche Warenpräsentation (Foto: Weinhandlung Kretschmann)
Übersichtliche Warenpräsentation (Foto: Weinhandlung Kretschmann)
Glückliche Gewinner (Foto: Ralf Ziegler, AD Lumina)
Glückliche Gewinner (Foto: Ralf Ziegler, AD Lumina)
Auswahl meets Bewegungsfreiheit (Foto: Simon Werner)
Auswahl meets Bewegungsfreiheit (Foto: Simon Werner)
Auch Zubehör darf nicht fehlen (Foto: Weinhandlung Kretschmann)
Auch Zubehör darf nicht fehlen (Foto: Weinhandlung Kretschmann)

Die offene, unprätentiöse Art, mit der die Weinhandlung Kretschmann neue Kunden in die Weinwelt einführt, der Mut und Pragmatismus, mit dem sie einen gewaltigen Umbruch und Umzug vollzog, sowie das großartige Gespür für Optik und Verkauf sind für die Redaktion der WEINWIRTSCHAFT beste Gründe, die Weinhandlung Kretschmann als Weinhändler des Jahres 2023 auszuzeichnen. Clemens Gerke

Fakten

Weinhandlung Kretschmann


Kulmbacher Str. 89
95030 Hof


Weinhandlung
Kretschmann
Vertriebs GmbH


Geschäftsführer: 
Peter Winkler, 
Alexander Schütz


Mitarbeiter: 7, 
davon 4 fest


Fläche: 1.000 qm
Verkaufsfläche: 450 qm


Artikel gesamt: 1.500
Weine: knapp 750


Sortiment
Deutschland (40%), Italien (26%), Frankreich (19%)


Weinumsatz: 
Deutschland (45%), Italien (37%), Frankreich (11%)


Nettoumsatz 2022: 
ca. 1,55 Mill. €

Ausgabe 8/2024

Themen der Ausgabe

Württemberg

Die Bewirtschaftung zu teuer, die Bestockung sehr rot – die Weingärten im Ländle stehen vor Veränderungen.

Christof Queisser

Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Rotkäppchen-Mumm im Interview.

Sommerwein

Wenn die Sonne scheint, muss es nicht immer weiß sein – wann Rotwein auch im Sommer passt.