Grauburgunder hat seinen Peak erreicht

Wer für 2023 Grauburgunder-Reben zum Pflanzen vorbestellt hat, sollte sich gut überlegen, seine Order zu revidieren. Die Frage, wann der Grauburgunder-Boom ein Ende findet, stellen sich die weitsichtigeren Branchenteilnehmer der Weinwirtschaft schon lange.

Ähnlich wie an der Börse treffen allerdings auch die Experten den tatsächlichen Höhe- oder Tiefpunkt fast nie. Insofern dürfen Sie mich – auf eigene Gefahr – gerne ignorieren, wenn ich sage: Ich glaube, dass Grauburgunder seinen Höhepunkt erreicht hat.

Das Geschehen am Fassweinmarkt ist oftmals ein guter Indikator, und es ist ein Signal, dass der Grauburgunder-Preis hier unter Druck gerät, weil die Kellereien ihn nicht mehr nachfragen. Wichtiger als die geringe Verfügbarkeit von Grauburgunder sind dabei meines Erachtens strukturelle Gründe, die den Kellereien Zurückhaltung in der Beschaffung nahelegen.

Starke Absatzrückgänge im LEH waren nach dem Ende der Lockdowns absehbar, doch der Verlust an Kaufkraft lässt hier befürchten, dass das Schlimmste erst noch kommt. Schon in der Vergangenheit spielten Kellereien und Handel Grauburgunder auch gerne als Cuvée. Diese günstigere Alternative wird mittlerweile auch mit Müller-Thurgau produziert.

Teils unglaublich hohe Hektarerträge sorgen zudem dafür, dass nicht alles, was als Grauburgunder deklariert wird, dem entspricht, was der Kunde unter diesem Etikett erwartet. Zugleich sorgen diese Erträge und die gestiegene Rebfläche dafür, dass Grauburgunder nicht so knapp wie in vielen Vorjahren ist.

Clemens Gerke, Chefredakteur WEINWIRTSCHAFT
Clemens Gerke, Chefredakteur WEINWIRTSCHAFT

Natürlich hat erst die gestiegene Rebfläche dafür gesorgt, dass Grauburgunder zu einer für den Fassweinmarkt interessanten Sorte wurde, weil die vorhandenen Mengen zuvor kein Mengengeschäft ermöglichten. Die Frage nach dem Ende des Booms war mit der steigenden Fläche aber stets verknüpft.

Bisher sorgte die starke Nachfrage der Selbstvermarkter dafür, dass viel Ware am Fassweinmarkt zu höheren Kursen als von den Kellereien angeboten verkauft wurde. Doch auch hier gibt es Gegenbewegungen. Selbstvermarkter, die in der Vergangenheit über fehlenden Grauburgunder klagten, bringen dieses Jahr neue Produkte mit Grauburgunder auf den Markt, die aus eigener Produktion stammen, weil sie in den letzten Jahren viel Grauburgunder gepflanzt haben. Die eigene Produktion ist letztlich billiger als ein teurer Zukauf – auch wenn sich dieser mit Profit vermarkten lässt.

Ich kann mir gut vorstellen, dass die Nachfrage der Endverbraucher nach Grauburgunder noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat. Wer bei der Pflanzung aber jetzt noch massiv auf Grauburgunder setzt, sollte sich seiner Vermarktung sehr sicher sein und nicht auf den Fassweinmarkt setzen. Hier dürften die Grauburgunder-Zuschläge in den nächsten Jahren zurückgehen. 

Ausgabe 8/2024

Themen der Ausgabe

Württemberg

Die Bewirtschaftung zu teuer, die Bestockung sehr rot – die Weingärten im Ländle stehen vor Veränderungen.

Christof Queisser

Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Rotkäppchen-Mumm im Interview.

Sommerwein

Wenn die Sonne scheint, muss es nicht immer weiß sein – wann Rotwein auch im Sommer passt.