Die Kostensteigerungen und die Unterbrechung der Lieferketten sind die Themenfelder, die die Weinwirtschaft 2022 und 2023 am intensivsten bewegen. Das ist das Ergebnis des ProWein Business Reports, für den die Hochschule Geisenheim im November 2022 insgesamt 2.500 Branchenvertreter aus 47 Ländern befragte.
Die Befragten stehen vor einer Vielzahl an Herausforderungen, wobei die Kostensteigerungen, die 85 Prozent nannten, herausstechen. Zweitgrößte Herausforderung für die Weinwirtschaft ist die Unterbrechung von Lieferketten, die 66 Prozent als eine der größten Gefahren für ihr Unternehmen identifizierten.
Der Klimawandel kam in der Umfrage mit einer Zustimmung von 40 Prozent nur auf Platz 4 hinter der Sorge vor einem weltweiten Wirtschaftseinbruch (55%). Vor allem Erzeuger aus Spanien und Portugal sowie Händler aus Großbritannien und Polen fürchten den Abschwung. Covid-19 wurde dagegen nur noch von 23 Prozent als besondere Herausforderung angesehen.

Die wirtschaftliche Lage hat sich bei den spanischen Erzeugern 2022 verbessert, während französische Produzenten die Entwicklung als neutral bewerten und sich die Situation für deutsche sowie italienische Weinerzeuger sogar verschlechtert hat.
Herrschte bei der Vorjahresumfrage Optimismus in den Zukunftserwartungen, hat sich das Bild nun gewandelt. Dabei sind die deutschen Produzenten besonders negativ. Das Saldo aus positiven und negativen Erwartungen liegt hier bei –36, deutlich unter dem Tiefpunkt am Ende des ersten Covid-Jahres als die Erwartung bei –9 lag.

In Italien, Frankreich und Spanien herrscht dagegen mehr Zuversicht als damals, in Italien liegt das Lager der Optimisten sogar leicht vorne. Auch der Handel hat bessere Zukunftserwartungen als die Erzeuger.

Die Einschätzung der Italiener kann von mehreren Faktoren begünstigt werden. So reagieren zahlreiche Erzeuger auf die Krise mit dem Erschließen neuer Märkte. Für die exportorientierten italienischen Erzeuger gehört dies fast zum Alltag.
Hinzu kommt die Beurteilung des internationalen Weinhandels, für den Italiens Weine die attraktivsten der Welt sind, gerade in den von den Erzeugern als wichtigsten Markt eingestuften USA liegt Italien vor Frankreich, Spanien und den USA selbst.
Die steigenden Energiekosten betreffen die Weinbranche stark, wobei Weinerzeuger die Intensität deutlich schärfer beurteilen als Weinhändler. 62 Prozent der Weinproduzenten stuften die Auswirkungen als »hoch« oder »sehr hoch« ein, aber nur 43 Prozent der Weinhändler. Die Erzeuger aus Übersee sehen die Energiekosten dabei als weniger dramatisch an, sie seien aber stärker von den Störungen der Lieferketten sowie negativ von Wechselkursschwankungen betroffen.
Nicht einmal ein Viertel der Weinbranche erwartet ein Ende der Energiekrise im Jahr 2023, ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Wiederherstellung der Lieferketten. Hier erwarten nur 27 Prozent eine Normalisierung schon in diesem Jahr, die Einschätzung ist insgesamt aber klar positiver als bei der Energieproblematik.
Als größtes Problem erwies sich 2022 die Versorgung mit Glasflaschen, die 92 Prozent der Erzeuger Probleme bereitete. Mit weitem Abstand folgen Kartonagen (59%) und Aluminium-Verschlüsse (49%). 63 Prozent reagierten auf die Versorgungsprobleme mit einem Ausbau der Lagerbestände, was die Nachfrage erhöhte und die Probleme verschärft haben könnte.

Insgesamt erhöhte die Versorgungsproblematik den zeitlichen Aufwand in der Beschaffungslogistik bei 73 Prozent der Weinerzeuger und zugleich die Kosten für Lagerung bei 60 Prozent. Auch die eigene Lieferfähigkeit wurde bei 44 Prozent negativ beeinträchtigt.
Auch in Fragen der Versorgung wirkt der Weinhandel weniger stark betroffen. Nur die Hälfte der Händler berichten von Problemen, die dann meist auch nur einen kleinen Teil des Sortiments betrafen.
Die am häufigsten ergriffene Maßnahme gegen die wirtschaftliche Krise ist die Reduktion der Kosten, die 60 Prozent der Befragten angehen. 57 Prozent suchen nach neuen Märkten, 46 Prozent versuchen Markttrends aufzugreifen und immerhin 36 Prozent reduzieren ihre Investitionen. Die Zurückhaltung bei Investitionen ist in Deutschland mit 57 Prozent aber besonders ausgeprägt.
Blickt man vor allem auf den Aspekt steigender Energiepreise reagieren 68 Prozent mit einer Erhöhung ihrer Weinpreise, 59 Prozent versuchen ihren Energiebedarf zu verringern, und 41 Prozent investieren in eine eigene Erzeugung erneuerbarer Energie.

Blickt man auf die drei größten Weinherkünfte der Welt, so sehen deren Erzeuger die USA als attraktivsten Weinmarkt an. Der deutsche Markt rangiert nur in Spanien auf Platz 2 und landet in Italien und Frankreich ebenso wie der britische Weinmarkt im Mittelfeld.
Unter den asiatischen Märkten hat sich Japan ganz nach vorne geschoben und liegt für Frankreichs Weinproduzenten sogar auf Platz 2 hinter den USA und für spanische auf Rang 3 der attraktivsten Weinmärkte. China ist in der Gunst deutlich zurückgefallen.
Deutsche Erzeuger kommen zu einer deutlich anderen Einschätzung. Hier liegen die USA nur auf Platz 5 hinter den Niederlanden und drei skandinavischen Märkten. Das spiegeln auch die Händler in Skandinavien wider, bei denen Deutschland als Weinherkunft deutlich attraktiver wirkt als auf anderen Märkten.
Im deutschen Handel liegen deutsche Weine mit einer Attraktivitätsrate von 84 Prozent klar an der Spitze vor Italien (69%), Frankreich (52%) und Spanien (42%). Erst nach Österreich (31%) und Portugal (21%) folgt mit Südafrika (14%) die erste Übersee-Herkunft an Position 7.
Bei der Vorstellung des ProWein Business Reports gab Prof. Dr. Simone Loose von der Hochschule Geisenheim zu bedenken, dass die Umfrage im November stattfand. Seit damals hätten sich die gesamtwirtschaftlichen Aussichten aber deutlich aufgehellt, sodass die Ergebnisse sich heute positiver darstellen könnten. CG