Friendly fire


Peter H. MüllerKeine zehn Jahre ist es her, da habe ich meinen „Abschluss“ zum IHK Sommelier gemacht; also faktisch übersetzt: meine Schultüte bekommen. Von da an ging es los. Lernen, Reisen, Probieren. Probieren lernen. Vom Reisen lernen, Probieren. Vom Probieren lernen, Reisen.
Ich stehe auf und verneige mich hochachtungsvoll vor all jenen, die sich durch die zehrenden Schlachten der Courts of Master Sommeliers und WSET‘s dieser Welt schlagen. Andererseits strecke ich jenen den Fehdehandschuh entgegen, die meinen, fertig zu sein und alles zu wissen.

Die sich nach einem halbjährigen Vollzeitkurs ihre Visitenkarten drucken lassen und sich selbstgefällig auf der Spitze des Eisbergs ausruhen. Denn leider sind die Standards so mancher Institution, die zum Sommelier „ausbildet“ im deutschsprachigen Raum von klaffenden Kluften durchzogen.

Auf der einen Seite gibt es tatsächliche, großartige Spezialisten, die einen mit Feuer in den Augen in den Bann ihres Fachgebietes ziehen und, wenn sie mal nicht direkt die Antwort auf eine Frage wissen, wie vernarrt nach dieser gieren. Auf der anderen Seite qualifiziert sich ein Flugbegleiter, der zwei Jahre zuvor den IHK Sommelier abgelegt hat, dadurch, die Neue Welt zu unterrichten, dass er jetzt deren Flughäfen bereist; und beantwortet Fragen mit „das müsste ich jetzt nachsehen“, um sich umgehend wieder seiner Power Point Präsentation zu widmen. 

Eine sogenannte Koryphäe des französischen Weins behauptet felsenfest, dass es Grand Cru Gemeinden in der Champagne ausschließlich an der Côte des Blancs, außerdem nur für Chardonnay gibt, und lässt, mit leicht beschwipstem Aggressionspotential, keine Widerrede zu.

Für mehrere tausend Euro bekommt man internationale Genossenschaftsweine vorgesetzt, sowie sämtliche Sponsorware, die aufgetrieben werden konnte. Letztere kann bei einem guten Weinmarketing des jeweiligen Landes auch herausragend sein, dort gehen dann aber auch die dazugehörigen Lorbeeren hin.


Die Themen Bio, Bio-Dyn und Naturwein werden großteils nicht behandelt und im schlimmsten Falle, als nicht vorhanden schlicht negiert.
Dass nach einem gemeinschaftlich verfassten Brief, der über einige gefühlte Missstände mitteilt, mit der Bitte diese erläutert zu bekommen, einfach gar keine Antwort kommt, über Jahre hinweg, setzt dem Ganzen die zerbeulte, blecherne Krone auf.
Und, nur um den Sicherheitsgurt anzulegen, wie in der Satire auch: Nicht derjenige, der es ausspricht, hat sich Gedanken zu machen, sondern derjenige, der sich angesprochen fühlt.

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote