Am 4. April wurde Christophe Meyer vom Guide Michelin mit dem Sommelier Award 2023 ausgezeichnet – wir besuchten den Sommelier in einem seiner vier Weinkeller in Meinrad Schmiederers Hotel Dollenberg ...
Interview: Ilka Lindemann
Das Dollenberg verfügt über vier Weinkeller – wie das?
Unser repräsentativster Weinkeller ist der Bordeaux-Raum, in dem wir auch Tastings für unsere Gäste anbieten. Der befindet sich zwar im ersten Stock des Hotels, liegt aber zum Teil unterirdisch, weil ein Teil des Kellers in den Hang hineingebaut ist. Unsere anderen Keller sind funktionell. Ein Lagerkeller für neue Bestellungen, ein Reifekeller und der vierte Keller ist der Tagesweinkeller – da lagern die Weine für den täglichen Bedarf in der perfekten Temperatur.
Wie viele Flaschen lagern im Weinkeller?
Wir haben etwa 10.000 Flaschen im Keller.
Und wie viele Positionen birgt die Weinkarte?
Wir haben circa 650 Weine auf der Weinkarte. Als ich anfing, waren es 100, die habe ich dann sukzessive aufgebaut. Wichtig ist mir die Balance zwischen Tradition und Neuentdeckungen.
Wo liegen die Schwerpunkte?
Wir haben zu einem Drittel deutsche Weine, davon 70 Prozent regional, ein Drittel kommt aus Frankreich und ein Drittel verteilt sich auf den Rest der Weinwelt. 30 verschiedene Weinländer sind präsent

Der kurioseste Wein?
Der kurioseste Wein auf der Weinkarte kommt aus Tahiti … Was aber auch gut ankommt: Neulich habe ich mal einen Sakelikör zum Dessert empfohlen.
Der älteste Wein auf der Weinkarte?
Ich habe einen Süßwein, eine Gewürztraminer Auslese aus dem Jahrgang 1976, auf der Karte – ein großartiger Wein.
Der schönste Weinmoment?
Am Tag meines Sommelier-Diploms durften wir im Cave Historique des Hospices de Strasbourg den vielleicht ältesten Wein der Welt aus dem Jahrgang 1472 verkosten. Niemals habe ich etwas so Konzentriertes mit so wacher Säure und einer Spitzen-Textur verkostet. Ein selten lebendiger Wein, der noch weitere hundert Jahre liegen kann.
Was war Ihr kuriosestes Weinerlebnis?
Ich hatte eine wahnsinnig peinliche Situation am Gast. (lacht) Ich stehe mit einer Champagnerflasche am Tisch und die rutscht mir aus der Hand und knallt voll auf den Tisch … Ich war komplett geduscht. Es war plötzlich totenstill und alle haben geschaut. Und das Peinlichste: An diesem Tag war ein Michelin-Tester im Haus.

Wein und Genuss, das sind zwei nahezu untrennbare Themen. Kochen Sie in Ihrer Freizeit gerne oder lassen Sie sich lieber bekochen?
Ich koche sehr gerne und dazu muss man wissen, dass ich früher eigentlich Koch werden wollte. Ich koche fast immer für die ganze Familie.
Privat eher Weinsammler oder Gleichtrinker?
Zu Hause? Da mache ich auf, worauf ich gerade Lust habe. Natürlich stelle ich auch was auf die Seite. Aber mehr zum Experimentieren.
Wie hat es Sie in den Schwarzwald verschlagen?
Die Liebe war’s, ich habe meine Frau in Südfrankreich kennengelernt. Dort waren wir beide je 800 Kilometer von zu Hause entfernt – ich von Straßburg und sie von Achern. Wir hatten anfangs eine Fernbeziehung, aber heute bin ich in ihrer Heimat ebenfalls zu Hause. Wir haben drei Kinder im Alter von 17, 16 und 14.
Wie laufen Weinbeschaffung, Service und Logistik?
Ich war schon viel in der Weinwelt unterwegs – deshalb gehe ich heute gezielt auf internationale Weinmessen wie die ProWein. Dort nehme ich mir systematisch einen Tag die Klassiker und einen Tag die Exoten vor. Da gibt es Spannendes zu entdecken.
Wie ändert sich das Trinkverhalten Ihrer Gäste?
Man merkt, dass gerade eine neue Generation an Weintrinkern heranwächst. Sie trinken etwas weniger und sind offen für alkoholfreie Weine. Die habe ich schon seit fünf Jahren auf der Weinkarte und unsere Gäste fragen inzwischen bewusst danach. Dazu empfehlen wir auch Weine mit weniger Alkohol oder mal einen Cidre.
In welchem berühmten Weinkeller wären Sie gerne mal über Nacht eingesperrt?
Im Bremer Ratskeller oder in Frankreich im La Tour d’Argent in Paris.
Wie viel Zeit bleibt bei dem Job für die Familie?
Ich habe die tollste Frau bekommen, sie hat viel Verständnis für meinen Job. Aber für mich gilt die goldene Regel, wenn ich bei der Familie bin, habe ich Freizeit. Da bin ich zu hundert Prozent daheim.
Gemeinsam mit Gourmetkoch Martin Herrmann vom Zwei-Sterne-Restaurant „Le Pavillon“ entführt Christophe Meyer seine Gäste in den Weinhimmel. Die Weinarrangements mit acht Gängen und acht Weinen sind berühmt. Er ist Weinliebhaber durch und durch, besitzt ein fundiertes Weinwissen mit den Vorlieben für Klassiker und Neuentdeckungen gleichermaßen.
Seit Oktober 2006 ist der gebürtige Straßburger als Sommelier in Meinrad Schmiederers Hotel Dollenberg in Bad Peterstal-Griesbach beschäftigt und verantwortet dort den Weinkeller.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in »Ausgabe 3/2023 von MEININGERS WEINWELT.