Bei deutschen Weinauktionen steigen die Preise. Konsumzurückhaltung und Wirtschaftskrise sind hier noch nicht zu spüren. Für die Erzeuger ist es ein gutes Zeichen, der unbeteiligte Beobachter dagegen würde vielleicht etwas ins Staunen kommen. WEINWIRTSCHAFT-Autor Felix Bodmann gibt einen Einblick in die Welt der Weinversteigerungen.
Christoph Schaefers Ritterschlag zum Mitglied der Riesling-Tafelrunde beginnt um 16.34 Uhr mit einer schmetternden Fanfare. Wenige Sekunden sitzt der Inhaber des Weinguts Willi Schaefer aus Graach auf der Bühne der Trierer Versteigerung des VDP, der an der Mosel »Großer Ring« heißt, als sein soeben bei 25 Euro Startgebot ausgerufener »Kabinett #01« aus dem Graacher Domprobst die 100-Euro-Grenze durchbricht, um kurze Zeit später für 155 Euro zum Zuschlag zu kommen – 900 Flaschen wohlgemerkt. Danach kommt der Posaunenchor: 450 Euro für die »Spätlese #13«, 906 Euro für die Auslese Goldkapsel aus der Sonnenuhr. Schäfer verliert die Kontrolle über seine Gesichtszüge – gewinnt dafür aber knapp 415.000 Euro Umsatz in 30 Minuten.
Es sind nicht nur 100 Parker-Punkte für die Spätlese, es ist weltweites Interesse am Riesling aus Deutschland, das Winzern wie Christoph Schaefer jetzt auch finanzielle Anerkennung beschert. Teil dieses Siegeszuges ist die Wiederauferstehung der Weinauktionen. Die waren zwar nie ganz tot, hingen aber am Tropf einzelner Weingüter wie Egon Müller-Scharzhof und Joh. Jos. Prüm.
Neue Bedeutung
Hauptgrund war das mangelnde Profil der Veranstaltungen. »Früher wurde bei der Versteigerung angestellt, was gerade besonders gelungen war, oder in der Schatzkammer eine gute Entwicklung genommen hatte«, erinnert sich Frank Schönleber, Vorsitzender des VDP Nahe, der gemeinsam mit den Verbänden der Ahr, Rheinhessens und der Pfalz in Bad Kreuznach versteigert. »Heute gibt es – sofern die Witterung mitspielt – dezidierte Versteigerungsweine.«
Schönleber vollzog den Schritt schon 2008 mit seinem trockenen Riesling »Auf der Ley«. Der Wein aus einer Katasterlage oberhalb des Monzinger Halenbergs war der erste regelmäßige trockene Versteigerungswein. Viele sind seither dazu gekommen. Wagner-Stempels »EMT«, Wittmanns »La Borne«, Battenfeld-Spaniers Kreuzberg.
»500 zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten!« Auktionator Prinz Michael zu Salm-Salm erteilt den Zuschlag und Applaus brandet auf im Bad Kreuznacher Cineplex-Kino. Es ist üblich nach dem Zuschlag zu klatschen, doch 2022 gibt es Applaus nicht aus Höflichkeit – Begeisterung ist der Anlass. In diesem Fall gilt sie dem trockenen Riesling »Final« vom Weingut Schäfer-Fröhlich. Das beste Fass aus den schönsten Trauben vom steilsten Teil mit den ältesten Reben der besten Lage des Weingutes. So viele Superlative muss man erst einmal in eine Flasche kriegen!
Doch Worte alleine bewegen keine Preise. Die deutschen Weinversteigerungen sind nasse Versteigerungen, die Weine werden kurz vor dem jeweiligen Los-Aufruf ausgeschenkt. Jeder, der bietet, hat also Gelegenheit, die Anpreisungen zu überprüfen. Das hilft vor allem in den unteren Preisregionen. »501 Euro für einen Kabi von Egon Müller – das ist kein Impulskauf«, erklärt Ulrich Allendorf, der als Kommissionär Gebote von Endkunden und Händlern entgegennimmt.
Wie man einen Wein ersteigert
Gebote für Weine bei den deutschen Auktionen müssen über Kommissionäre abgegeben werden. Privatpersonen wie gewerbliche Interessenten registrieren sich dazu bei einem Kommissionär. Die Adressen finden sich auf den Webseiten der Veranstalter oder in den Versteigerungskatalogen. Vor Ort stehen die Kommissionäre an gekennzeichneten Tischen und nehmen auch dort Gebote entgegen (eine vorherige Online-Registrierung ist erbeten, aber nicht zwingend).
Bei der Auktion nehmen die Kommissionäre auch Gebotserhöhungen auf Zuruf entgegen. Die meisten Kunden sitzen an den Tischen ihrer Kommissionäre.
Die Software erlaubt auch, gute Kunden mit einem eigenen Unterzugang auszustatten, sodass sie von außerhalb mitbieten können. Bei erfolgreichen Zuschlag erhält der Bieter die Ware vom Kommissionär.
Das Wirken der Kommissionäre
Hohe Bewertungen helfen, doch sie reichen nicht. »Es sind die Winzer, die sich um das Marketing kümmern müssen. Sie mobilisieren zuallererst Bestandskunden und Händler, die Kundschaft für diese Premiumweine haben. Die Kommissionäre beraten zwar auch, doch arbeiten wir vor allem mit Kunden, die ohnehin dabei sind. Bei uns geht es eher um das was und wieviel, nicht um das ob«, erklärt Allendorf.
»One Thousand Two Hundred from Allendorf!« Um 15.54 Uhr ruft Prinz Michael in Bad Kreuznach auf Englisch die nächste Preisstufe für den Riesling Kabinett Schubertslay des Weinguts Keller aus, als eben jener Allendorf aufsteht und zu Winzerin Julia Keller schlendert. Die beiden stecken kurz die Köpfe zusammen und besprechen etwas. Auf dem Rückweg zu seinem Platz nimmt Allendorf der Reihe nach Kontakt zu den anderen Kommissionären auf. Die Kommunikation läuft überwiegend non-verbal. Während er seinen Platz wieder einnimmt, schickt er ein finales Nicken in Richtung Julia Keller.
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