Clemens Gerke, Chefredakteur WEINWIRTSCHAFT
Clemens Gerke, Chefredakteur WEINWIRTSCHAFT

Besser geht immer

Es ist bemerkenswert, wie viel undifferenzierte Kritik an der ProWein geübt wird. Dass die Messe 2023 angesichts der Verkehrsstreiks unter keinem guten Stern stand, ist dabei ein Fakt, den man nicht außer Acht lassen sollte. So beginnt die Interpretation schon bei der Bewertung der Zahlen. Der im Vorfeld angekündigte Streik dürfte nicht wenige vom Messebesuch abgehalten haben, sodass sonst wohl die Zahl 50.000 geknackt worden wäre. Nun sind es knapp 30 Prozent mehr als 2022, aber 20 Prozent weniger als 2019.

Damals verteilten sich die Besucher aber auch auf mehr Aussteller und schon im Vorjahr war die Registrierungspraxis der Messe deutlich restriktiver geworden. Die Relation von Ausstellern zu Besuchern hat sich also kaum verändert und die Besucher waren sogar noch professioneller als in den Jahren vor der Pandemie

»Die ProWein 2023 war ein Erfolg. Stillstand wäre der größte Gefallen, den die Messe Düsseldorf der Wine Paris tun kann.«

Viel Kritik

Viele französische Aussteller waren mit dem Messezuspruch unzufrieden. Sie haben mit der Wine Paris in den letzten Jahren eine wertvolle Heimatmesse erhalten, auf der sie im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Wer auf der Wine Paris war, hatte auf der ProWein wenig Grund, seine französischen Lieferanten erneut zu besuchen. Besonders laute Kritik wurde oft deutschsprachig geäußert, wobei sich der Dialekt verschoben hat. Wie oft in Diskussionen dürfte es neben impulsiven Wütenden hier aber auch einige stille Gelassene geben, abgesehen davon, dass es auch Österreicher gab, die vollkommen zufrieden waren. Der Verweis auf vermeintliche Erfolgszahlen einzelner österreichischer Aussteller auf der Wine Paris sollte dabei mit Vorsicht betrachtet werden. Auf der Wine Paris waren 29 Aussteller aus Österreich, auf der ProWein 231. Würde die Hälfte nach Paris abwandern, würden sich die Erfolgszahlen auf fünfmal so viele Erzeuger verteilen und Österreich seinen Exoten-Status verlieren. Diesen hat es auf der ProWein schon lange nicht mehr. Waren Österreichs Winzer vor 15–20 Jahren die »New Kids on the Block«, die den deutschen Weinhandel aufmischten, sind sie heute bestens etabliert.

Wine Paris als Alternative?

Dennoch hat eine Reise nach Paris verlockende Aspekte, nicht zuletzt abseits des reinen Messegeschehens, wobei das für eine Fachmesse nicht ausschlaggebend sein sollte. In manchen Bereichen hat Paris jedoch einen Kostenvorteil, und das gilt nicht nur für die Hotels. Hier muss die Messe Düsseldorf ansetzen, um die Wine Paris nicht aufkommen zu lassen. Die ProWein 2023 war ein Erfolg. Wer das anders sieht, hat einen zu engen Blick. Die ProWein-Organisatoren dürfen nach langer Vorbereitung und aufregenden Tagen also aufatmen und sich ein paar Tage erholen. Danach müssen sie jedoch an die Arbeit. Stillstand wäre der größte Gefallen, den die Messe Düsseldorf der Wine Paris tun kann, denn manche differenzierte Detailkritik ist berechtigt.

Genauso wie die ProWein differenziert betrachtet werden sollte, muss das auch für die Marktentwicklungen getan werden. Die Zahlen der Marktforschungsinstitute wirken verheerend (s. S. 40). Der Austausch auf der ProWein bestätigte, dass die vorliegenden Marktzahlen kein vollständiges Bild des Markts zeichnen. 2022 war ein Jahr der Umverteilungen, bei dem insbesondere im LEH Absatz verloren ging. Allerdings sind auch stabile Zahlen für die Weinwirtschaft schlecht. Angesichts der massiv gestiegenen Kosten, wäre ein zweistelliges Plus notwendig, um für einen Ausgleich zu sorgen.

Neue Lösungen müssen gefunden werden

Das kann nahezu kein Marktteilnehmer vorweisen. Die Verschiebung vom LEH zu Gastronomie und Direktverkauf sorgt immerhin dafür, dass sich der Absatz in Vertriebswege mit besserer Marge verschob, kompensiert die Kostenentwicklung aber dennoch nicht. Ich fürchte, dass wir in den nächsten Monaten einige aufregende Schlagzeilen lesen werden. Es gibt mehr als einen Marktteilnehmer, der in den letzten Jahren mit seinen Kalkulationen den Markt verzerrte. Die größte Gefahr für die Weinwirtschaft sind Erzeuger, die unumgängliche Preiserhöhungen aus Panik zurücknehmen und den Markt auf Kosten aller kaputt machen. Besser ist es Lösungen zu suchen, bevor man mit einem Fuß im Abgrund steht. Clemens Gerke

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Ausgabe 8/2024

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