Foto: Adbope Stock/Sundry Photography
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Silicon Valley Bank: Riskanter Mix aus Tech, Wein und Geld

Bis zum Bekanntwerden ihres Zusammenbruchs in der vergangenen Woche hatten nur wenige Menschen außerhalb der USA von der Silicon Valley Bank (SVB), der 16. größten Bank des Landes, gehört. Auch in Nordamerika ist sie vor allem in Kalifornien bekannt und hier in der Welt der Tech-Start-ups, für die das Silicon Valley ein Synonym ist. Sie finanziert junge Unternehmen, die innovative Geschäftsideen zum Laufen bringen wollen, in Teilen ein riskantes Geschäftsmodell.

Start-ups und Weinberge

Weniger beachtet wurde bisher die Rolle, die die SVB in der US-amerikanischen Weinindustrie gespielt hat. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Weinabteilung der Bank, die von Rob McMillan, ihrem Gründer und Executive Vice President, geleitet wird, eine zentrale Säule der Weinwelt in Kalifornien, Washington und Oregon ist. Zwar nehmen weitaus mehr Weingüter Kredite bei der American Ag Credit (Farm Credit) auf, doch hat die SVB seit 1994 mehr als 4 Mrd. US-Dollar an die Branche verliehen. Derzeit ist es rund 1 Milliarde Dollar, die an schätzungsweise 450 Kunden ausgegeben wurde.  

Einmal jährlich veröffentlich McMillan seinen – übrigens kostenlosen –  »State of the Wine Industry Report«, das wohl wichtigste Informations-Dokument für den US-amerikanischen Weinmarkt. Er basiert auf Daten der Bank-Kunden, also den Weingütern, die McMillan vielfach bereitwillig die dem Bericht zugrundeliegenden Informationen liefern. Die Bande zwischen Bank und Winzer sind also eng geknüpft. Ob der Report in Zukunft erscheinen wird, ist nun natürlich unklar. 

Der jährliche »State of the Wine Industry Report« der SVB liefert wichtige Informationen über den amerikanischen Weinmarkt
Der jährliche »State of the Wine Industry Report« der SVB liefert wichtige Informationen über den amerikanischen Weinmarkt

Der San Francisco Chronicle stellt fest, dass »sich McMillan eine Nische geschaffen hat, indem er die Bank als eines der wenigen Institute etablierte, das auf die differenzierten Bedürfnisse der Weinindustrie eingehen kann. Weinkellereien neigen dazu, beträchtliche Investitionen in Land, Ausrüstung und andere Vermögenswerte zu tätigen, Jahre bevor sie eine Flasche Wein verkaufen können - ein komplexes System, dessen Verständnis McMillan zu seinem Geschäft gemacht hat.«

Ob sie nun Geld auf der Bank deponiert oder von ihr geliehen haben - viele US-Winzer verließen sich bei ihren langfristigen Plänen auf die Erkenntnisse und Ratschläge der SVB. Jetzt müssen sie mit ziemlicher Sicherheit Beziehungen zu neuen Bankern aufbauen, die möglicherweise eine andere Auffassung von den Krediten haben, die sie ausgehandelt haben und in Zukunft aushandeln wollen.

Nach Angaben von S&P Global Market Intelligence verfügten 97 Prozent der SVB-Kontoinhaber über Einlagen von mehr als 250.000 Dollar, die von der US Federal Deposit Insurance Corporation gedeckt sind. Der durchschnittliche Kunde soll sogar 3,5 Mill. Dollar auf der Bank gehabt haben. 

Der Bank gelang eine ertragreiche Symbiose: Silicon und Napa. Risikokapitalgeber aus der Technologiebranche, gleichzeitig Kunden bei der SVB, wurden oft eingeladen, die 90-minütige Fahrt nach Norden auf sich zu nehmen, um sich in den Weingütern, gleichzeitig ebenfalls Kunden der SVB, ausgiebig bewirten zu lassen. Unvermeidlich fühlten sich einige der erfolgreichsten dieser Überflieger dann versucht, selbst Weingüter und Weinbetriebe zu kaufen.

Teureres Land

In den ersten beiden Jahrzehnten dieses Jahrhunderts haben sich die Kosten für erstklassige Weinberge im Napa Valley ungefähr verdreifacht: Sie stiegen von 150.000 Dollar pro Hektar (60.000 €/ha) auf 450.000 Dollar (180.000 €), wobei einige Spitzengrundstücke über 750.000 Dollar pro Hektar kosten.

Inwieweit Risikokapital zu diesem Wachstum beigetragen hat, ist umstritten. Ein Insider aus Napa sagt: „Vielleicht haben sich ein paar Tech-Leute in Weingüter eingekauft, aber das hat ihre Werte nicht in die Höhe getrieben. Der Insider macht »andere Marktdynamiken« dafür verantwortlich. Eine andere, ähnlich gut informierte Quelle stimmt zu, dass Tech-Investoren keineswegs der »Haupttreiber« waren, aber »sie haben definitiv einen wichtigen Beitrag zu den Steigerungen geleistet.« Die Preise für Napa-Trauben stiegen parallel zu den Grundstückskosten, was die Normalisierung von Rotweinflaschen mit Verkaufspreisen von 100-200 Dollar oder mehr erklärt. 

Rob McMillan leitet die Weinabteilung der Silicon Valley Bank
Rob McMillan leitet die Weinabteilung der Silicon Valley Bank

Status Quo und Zukunft

Die Zukunft der Bank ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts ungewiss. Am Wochenende wurde in einer gemeinsamen Erklärung des US-Finanzministeriums, der Gouverneure des Federal Reserve System und der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) bekannt gegeben, dass »die Einleger ab Montag, dem 13. März, Zugang zu ihrem gesamten Geld haben werden«. Die Ankündigung in den USA bedeutet, dass die Einleger aufatmen können, ebenso wie die Mitarbeiter von Weingütern und Technologie-Start-ups, deren Gehälter und sogar Arbeitsplätze gefährdet gewesen wären.

Die FDIC ist dringend auf der Suche nach einem Käufer. Es überrascht vielleicht nicht, dass Elon Musk via Twitter erklärt hat, er sei »offen« für eine Übernahme. Alles ist zwar möglich, aber dies wird nicht als wahrscheinliches Ergebnis angesehen. Eine weitaus realistischere Variante ist, dass die Weinsparte in einer Bank mit Erfahrung in der Vergabe von Agrarkrediten ein neues Zuhause finden könnte. Die britische SVB-Tochtergesellschaft wurde von der internationalen Großbank HSBC bereits rasch und ohne finanzielle Unterstützung durch die britische Regierung aufgekauft, was auf die grundsätzliche Solidität dieses Teils des Unternehmens hinweist.

Bei Redaktionsschluss erklärte McMillan gegenüber dem Magazin Meininger's International: »Wir sind offen für Geschäfte. Die FDIC hat uns immer noch nicht verkauft. Wir gewähren Kredite, und die Leute können über ihre Einlagen uneingeschränkt verfügen. Im Moment haben wir eine unbegrenzte Einlagengarantie durch die US-Regierung. Ich würde allerdings nicht sagen, dass wir wie gewohnt weiterarbeiten. Die Dinge werden holprig sein, aber wir kümmern uns um unsere Kunden«. Robert Joseph

Schlagworte

Ausgabe 8/2024

Themen der Ausgabe

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