Libanon – Uralte Geschichte, moderne Weine

Der Libanon mit seiner reichen Weinhistorie auf der einen und modernen Investments auf der anderen Seite, wird immer mehr zu einer spannenden Nische in der Welt des Weins. In den letzten Jahren ist die Weinszene des Landes geradezu explodiert.

Historiker sind sich inzwischen einig, dass der Ursprung des Weins in dem Dreieck zwischen Kaukasus, Mesopotamien und Palestina zu suchen ist. Das heißt in Georgien oder Armenien, im Irak oder im Libanon und zwar vor rund 8000 Jahren. Während man sich gern darüber streitet, welches Volk den ersten Weinmacher stellte, besteht kein Zweifel daran, wer die ersten großen und extrem erfolgreichen Weinhändler der Welt waren: die Phönizier, ein semitisches, auf Handel ausgerichtetes Volk. Ihr Land war von etwa 3000 v. Chr. an der heutige Libanon. Sie bauten nach und nach u.a. die Hafenstädte Tyros, Sidon, Berytos (Beirut) Byblos und Batroun aus, von wo sie mit ihren Schiffen die Küsten des gesamten Mittelmeers ansteuerten und sich sogar bis England vorwagten. Der Seehandel florierte und neben Zedernholz, Metallwaren, Erzen, Glas und gefärbten Stoffen war Wein eines ihrer wichtigsten Handelsgüter. Sie förderten den Weinbau im Umkreis ihrer kleinen Stadtstaaten, wo Reben bestens gediehen, während sie Lebensmittel weitgehend einführen mussten. Den Höhepunkt ihrer Macht erreichten die Phönizier zwischen 1000 und 600 v. Chr. Zu der Zeit wuchs Wein im Umkreis von Tyros, Sidon und Batroun.

BACCHUS ZU EHREN

Ab dem Jahre 63 v. Chr. gehörte der heutige Libanon zur Provinz Syria, die bis ins 7. Jahrhundert Teil des Römischen Reiches blieb. Inzwischen hatte der Weinbau an Bedeutung gewonnen und Wein zählte zu ihren wichtigsten Produkten. Baalbek, die heutige Provinzhauptstadt des Bekaa-Tals, ist seit dem 8. Jahrtausend v. Chr. besiedelt. Unter den Römern, die sie Heliopolis, Stadt der Sonne, nannten, wurde ab dem 1. Jahrhundert auf dem prähistorischen Siedlungshügel ein enormes Jupiterheiligtum errichtet. Neben dem Haupttempel begann man gegen Ende des 2. Jahrhunderts mit dem Bau eines neuen kleineren Tempels, der jedoch in seinen Dimensionen den Parthenon in Athen übertrifft. Er gilt als der am Besten erhaltene römische Tempel überhaupt. Obwohl nicht feststeht, wem er geweiht wurde, gab die Darstellung des Bacchus auf den Altären neben dem zentralen Treppenaufgang und die oft als Dekorationselemente verwendeten Weinreben, -blätter und -trauben den Anlass, ihm dem Gott des Weins zuzuschreiben. Gern verweisen die christlichen Weinerzeuger des Libanons auch auf die Hochzeit von Kana, einem Dorf im Süden ihres Landes, wenige Kilometer landeinwärts von Tyros, als weiteres Zeichen blühender Weinkultur. Dort wurde eine Hochzeit gefeiert, auf der auch Jesus, seine Mutter und seine Jünger anzutreffen waren. Die Gäste sprachen dem Wein in vollen Zügen zu, was für seine Qualität sprechen könnte, so dass er ihnen schnell ausging. Schließlich kam Jesus ihnen zu Hilfe und verwandelte den Inhalt eines Wasserkruges in Wein. Das Maß der damals üblichen Krüge betrug gut 500 Liter! Der weitere frohe Fortgang des Festes war gesichert.

Die oströmische Herrschaft über den Libanon und Syrien endete 636. Von nun an wurden sie von muslimischen Arabern beherrscht und an das Kalifat angeschlossen. Christen und Juden wurde mit einer gewissen Tolerenz begegnet, so dass auch der Weinbau weiter existierte. Noch bis ins Mittelalter wurden die süßen Weine aus Tyros und Sidon (Sur und Saida) von venezianischen Kaufleuten in vielen Ländern abgesetzt. Doch unter der Macht der Osmanen und ihrem Alkoholverbot ab Anfang des 16. und während der folgenden vier Jahrhunderte geriet die Weinerzeugung immer stärker unter Druck und wurde weitgehend aufgegeben. Nur in den christlichen Klöstern überlebte sie in begrenztem Maße für die Erzeugung von süßem Messwein.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts stand es schlecht um den Weinbau im Libanon. Einen umso größeren Einfluss hatten deshalb die Jesuitenpater der Mission von Ksara im Bekaa-Tal, als sie 1857 begannen, auf ihrem Land gezielt Weinbau zu betreiben. Pater Kirn, dem Hauptinitiator, schwebten dabei keineswegs nur süße Messweine vor, sein Ziel war trockener Wein, zunächst nur für den eigenen Bedarf. Schon immer auf konsequente und überlegte Arbeit ausgerichtet, schienen die Jesuiten-Pater mit den Ergebnissen ihrer Weinbergsarbeit nicht zufrieden gewesen zu sein, zumal die Erträge äußerst gering waren. Zwanzig Jahre später, kurz bevor er die Leitung des Klosters übernahm, ließ Kirn Pater François Wuillamoz, einen ausgebildeten Weingärtner nach Ksara kommen. Unter ihm und seinen beiden Assistenten gewann der Weinbau eine andere Dimension. Denn Wuillamoz beschloss, aus Algerien die besten, dort von den Franzosen gepflanzten Rebsorten einzuführen. Dabei handelte es sich um die weißen Ugni Blanc, Muscat und Clairette, vor allem aber um Cinsault, Carignan und Grenache Noir. Anfangs standen die Einheimischen den französischen Reben mit Skepsis gegenüber. Doch es dauerte nicht lange, bis Erträge und Weinqualität sie überzeugten.

Von 1860 an war der Libanon zu einer selbständigen osmanischen Provinz geworden, in der Frieden einkehrte und die Wirtschaft einen Aufschwung erfuhr. Gegen Ende des Jahrhunderts kam es auch im Bekaa-Tal zu einer Anzahl von Firmengründungen. Vorreiter war 1868 der Franzose François-Eugène Brun, der eine Kellerei und Brennerei eröffnete, in der er aus einheimischen Rebsorten und Anis Arak, das – auch unter den Osmanen tolerierte – libanesische Nationalgetränk, destillierte. Andere folgten wie z.B. Touma 1888 und Wardy 1891. Die meisten konzentrierten sich damals nur auf die Arak-Produktion. Immer mehr von ihnen haben inzwischen Interesse an Wein gewonnen. So gibt es drei Epochen in der Entwicklung der modernen libanesischen Weinwirtschaft. Die Pioniere waren Ksara, Domaine des Tourelles, Nakad, Musar und Kefraya. Sie profitierten zum Teil von der Zeit des französischen Mandats (1919-1943), als die Nachfrage nach Wein stark wuchs. Die weitere Entwicklung wurde dann leider stark durch den Bürgerkrieg (1970-1989) gelähmt. Aber nach dem Abkommen von Taif gab es neue Hoffnung und neue Initiativen. Sie bestanden darin, gezielt Premiumsorten zu pflanzen und damit internationale Qualitätsstandards zu erreichen. So traten zwischen 1996 und 2000 mehrere neue Weingüter und Weinkellereien wie Domaine Wardy, Château Heritage, Château St. Thomas, Cave Khourum und Massaya hervor. Damit verdoppelte sich die Anzahl der Weinerzeuger auf ein knappes Dutzend.

Doch dann kam es zu einer Explosion. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends entschlossen sich weitere gut zwei Dutzend Libanesen, Weingüter zu gründen. Darunter ist Ixsir, an dem der Autoindustrielle Carlos Ghosn maßgeblich beteiligt ist, sicher das spektakulärste. Auch wenn sich die Gesamtproduktion Libanons nur auf rund 8 Millionen Liter beläuft, gab es noch nie so viel und vor allem noch nie so viele gute und spannende libanesische Weine.

TERROIR, REBSORTEN, TENDENZEN

Kommt man in Beirut an, stellt man verblüfft fest, dass der Libanon zunächst einmal ein Gebirge ist, das beachtlich steil aus dem Mittelmeer aufsteigt. Sein 225 Kilometer langer Küstenstreifen ist ausgesprochen schmal und nur im Norden und Süden breiter. Das Gebirge erstreckt sich entlang der Küste und steigt im Norden bei Tripolis auf über 3.000 Meter an. An der Küste herrscht warmes Mittelmeerklima. Erst seit kurzer Zeit lebt auf den Höhen nah des Meeres bei Jezzine im Süden und Batroun im Norden der Weinbau in bescheidenem Ausmaße wieder auf. Jenseits des Libanon-Gebirges erreicht man das Bekaa-Tal, die Kornkammer der Römer und den Obst-, Gemüse- und Weingarten der libanesischen Republik. Auf der anderen Seite wird das Hochtal vom Anti-Libanon genannten Gebirgszug gesäumt, dessen Höhengrat die Grenze nach Syrien darstellt. Er steigt mit dem Berg Hermon auf gut 2.800 Meter Höhe auf. Das Hauptweinanbaugebiet des Libanons ist das Bekaa-Tal, das zwischen 900 Metern im Südwesten Richtung Palästina und 1.050 Metern Höhe im Nordosten bei Baalbek liegt, wobei auch die Hänge teilweise zwischen 1.100 und 1.700 Metern für Weinbau genutzt werden. Es gibt keine aktuelle Statistik, aber rund 95 Prozent der libanesischen Weine dürften aus Trauben der Bekaa gekeltert werden.

Die Höhenlage und das damit verbundene Gebirgsklima der Bekaa ist der wohl entscheidendste Faktor für die Qualität der Weine des Libanon. Dabei spielt die südliche Lage, nicht weit vom Mittelmeer, auch ihre Rolle, denn sie beschert 300 Sonnentage im Jahr. Zur Reifezeit können die Mittagstemperaturen 40°C überschreiten, doch nachts fällt das Thermometer je nach Höhe um 20, 25 und mehr Grad ab. Ein Yoyo, das die aromatische Intensität der Trauben fördert. Dazu kommt trotz sommerlicher Trockenheit ein guter Wasserhaushalt aufgrund von meist um die 600 mm Regenfall im Winter und der Schneeschmelze von den Höhenzügen. Bewässerung ist nur im deutlich trockeneren Nordosten bei Baalbek erforderlich. Die Bedingungen bewirken einen langen Reifeprozess mit eher verhaltenen Alkoholgraden und einer ausreichenden Säure. Selten wird vor Mitte September gelesen. Was die Böden betrifft, besitzt die Talsohle fruchtbare Lehmböden. Doch neben dem Wasser speichernden Tonanteil werden sie vor allem durch Kalk charakterisiert, der im Vergleich zu anderen Ländern hier fast überall auftritt. Er ermöglichst es, den Wurzeln in die Tiefe zu dringen und mineralische Spurenelemente zu absorbieren. Hier liegt ein großes Potenzial für die Zukunft, das bisher noch nicht wirklich ausgeschöpft wird.

CABERNET, MERLOT UND SYRAH

Die alten einheimischen Rebsorten, oft nur für Tafeltrauben genutzt, eventuell für Süßweine oder zur Destillation von Arak, sind verschwunden bis auf die selten für trockene Weine verwendeten Obeidi und Merwah. Durch die Jesuiten von Ksara kamen zuerst die damals populären südfranzösischen Rebsorten ins Land. Unter den ersten war der Cinsault, der in der Bekaa viel Anklang gefunden hat. Jetzt wartet er auf seine Renaissance. Von wenigen Ausnahmen abgesehen wurden die international bekannten und jetzt im Vordergrund stehenden Rebsorten wie Sauvignon, Chardonnay und Viognier bei den Weißen sowie Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah bei den Roten erst nach dem Bürgerkrieg gepflanzt. Also eine eher neue Entwicklung. Und die Libanesen zeigen große Neugier für andere Sorten wie Verdejo, Carmenère, Petit Verdot, Arinarnoa oder Caladoc. Viel Know-how fließt durch überwiegend französische Oenologen ins Land. Schon jetzt überzeugen die Resultate – und dank ihrer über die ganze Welt verstreuten Landsleute – exportieren sich die Weine hervorragend. Als moderne Weine aus einer der ältesten Weinregion der Welt gehört ihnen auf jeden Fall ein gebührender Platz in der Nische.

Redaktion Weinwirtschaft

 

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Ausgabe 8/2024

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