Gut eine Woche nach den verheerenden Unwettern in der Emilia-Romagna sind viele Dörfer in den Bergen noch isoliert. Am stärksten betroffen ist die Romagna, wo über 5.000 landwirtschaftliche Betriebe überschwemmt wurden. Die Bilder und die Schicksale der Menschen erinnern an die Ahr-Katastrophe. Die Höhe der Schäden wird sich erst nach und nach herausstellen. Stefano Bonaccini, der Präsident der Emilia-Romagna, spricht von bis zu zehn Milliarden Euro, inklusive der Folgekosten durch Produktionsausfälle. Die Regierung hat ein Hilfspaket von 2 Mrd. Euro verabschiedet, 200 Mill. Euro wurden am Dienstag als Soforthilfe freigegeben.
Im Konsortium der Weine der Romagna läuft noch die Bestandsaufnahme der Schäden in den Weingütern. Die Jahrgangspräsentation »Vini ad Arte«, die in der letzten Mai-Woche stattfinden sollte, mußte abgesagt werden. Viele Flächen sind noch nicht erreichbar. Über 20 Flüsse waren über ihre Ufer getreten, hunderte von Erdrutschen verwüsteten das Hinterland. Straßen sind noch gesperrt, der Zugang zu den Weinbergen ist kompliziert, wenn sie nicht durch Erdverschiebungen völlig weggerissen wurden.
»Wir haben diverse Probleme. Mein Wohnhaus in der Ebene war überschwemmt und unser Weingut Villa Papiano ist unerreichbar wegen der Erdrutsche. Die akute Phase geht zurück, aber wir sind total erschöpft. Wir sind in Villa Papiano isoliert, alle drei Zugangsstraßen sind stark beschädigt. Meine Mitarbeiter laufen sechs Kilometer zu Fuß, um zum Weingut zu kommen. Heute Nacht müsste die Gemeinde mithilfe eines Generators den Strom wiederherstellen, so dass wir wenigstens mit dem Spritzen beginnen können. Die Gebäude stehen noch, zwei Weinberge habe geringe Schäden, einer ist jedoch extrem betroffen«, schildert der Agronom und Mitbesitzer des Bio-Weinguts Francesco Bordini die Lage am Abend des 24.Mai 2023 in Bergdorf Modigliana. In Modigliana werden noch immer Menschen mit dem Hubschrauber ausgeflogen.
Ein Anruf bei der Kellerei Celli in Bertinoro, wo sich die Situation sehr unterschiedlich darstellt. »Die Überschwemmungen haben unsere Weinberge weniger beschädigt als die Hagelfälle ein paar Tage davor. Aber in der Nachbarschaft ist es schlimm. Im Weingut Giovanna Madonia hat ein Erdrutsch den Zugang zu den Rebflächen verschüttet, dabei muss unbedingt gespritzt werden«, so eine Mitarbeiterin von Celli.
Nach dem Starkregen hatte am Wochenende die Sonne geschienen, aber am 23. Mai hatte es wieder geregnet. Bei diesen Wetterbedingungen breitet sich die Peronospora wir ein Lauffeuer aus. Nun muss gerettet werden, was an der Ernte 2023 noch zu retten ist. Die Lage erschwert, dass selbst Traktoren in den schlammigen Weinbergen stecken bleiben.
Es ist auch noch nicht klar, wie gut die Wurzeln den langen Wasserstand überstanden haben. »Ich möchte nicht das Wort ›Katastrophe‹ verwenden, denn das wäre unangebracht gegenüber den vielen Kollegen in der Ebene, die sowohl in persönlicher als auch in beruflicher Hinsicht echte Dramen erleben. Wie ich von Kollegen in den Provinzen Imola und Forlì gehört habe, standen die Pflanzen 72 Stunden lang einen Meter unter Wasser, so dass die Gefahr des Erstickens bestand. In den Hügeln hingegen haben wir es mit Schlammlawinen und Erdrutschen zu tun, die auch einige Weinberge mitgerissen haben, aber alles in allem ist die Situation überschaubar. Trotz funktionierender Abflüsse und Entwässerungskanäle sind über 300 mm Wasser in 36 Stunden - mit Spitzenwerten von 28-29 mm pro Stunde - nicht zu bewältigen. Das Problem ist, dass nach dreieinhalb Monaten Trockenheit die Erde in einer Tiefe von 40 Zentimetern das Wasser nicht mehr aufnehmen kann, so dass die Flüsse anschwellen und sich nun ins Meer ergießen. Aber wie in jeder dramatischen Situation hat die Bevölkerung der Emilia Romagna eine außergewöhnliche Fähigkeit, auf Schwierigkeiten zu reagieren«, so Gianmaria Cesari, Geschäftsführer der großen Privatkellerei Umberto Cesari in Castel San Pietro Terme, gegenüber dem Portal Winenews.
Es war aber nicht nur der sintflutartige Regen, der die Katastrophe herbei geführt hat. Von der Hauptstadt Rom abgesehen, gilt die Region als die am meisten zubetonierte Gegend in Italien. Das Wasserfluten hatte nicht nur wegen der vorangegangenen Dürre wenig Möglichkeit vom Boden aufgenommen zu werden, sondern auch weil die Erde großflächig versiegelt ist. VC