Hitzschlag

Ganz Europa ächzt unter einer Hitzewelle. Ganz Europa? Nein, die ganze Welt. »Summer in America is becoming hotter, longer and more dangerous«, titelt die Washington Post. Und führt auf, dass die Sommer-Temperaturen in Teilen des Landes, etwa in Reno im Westen, im Schnitt um bis zu 7 Grad höher liegen als noch vor 50 Jahren. Italiens Landwirtschaft verdurstet, der Po ist teilweise gänzlich versiegt, es herrscht Notstand in vielen Teilen des Landes. Am beliebten Gardasee schauen deutsche Touristen auf weniger Wasser. Im Loiretal erreichten die Temperaturen vor kurzem regelmäßig über 40 Grad, Feuerwerk war am 14. Juli, des stolzen Franzosen Nationalfeiertag, in vielen Regionen verboten. Wegen der realen Waldbrandgefahr. Frankreich, Griechenland, Spanien, USA – überall brennt es, auf den ausgetrockneten Böden breiten sich die Feuer rasend schnell aus und sind nur schwer unter Kontrolle zu bringen.

Dabei ist die aktuelle Hitze- und Dürrewelle nicht das einzige Symptom der am Mensch erkrankten Erde. Es ist nun ein gutes Jahr her, dass die Ahr über ihre Ufer trat und zahlreiche Existenzen vernichtete, auch und an dieser Stelle vor allem die von Winzern. Extremwetterereignisse wie diese, Starkregen, Hagel, Stürme, werden häufiger. 

Der Klimawandel kommt nicht, er ist längst da. Zynischerweise bringt er für einige Weinländer, darunter Deutschland, auch (vermeintliche) Vorteile mit sich. »Deutscher Wein wird künftig besser«, überschreibt die inzwischen mit zweifelhaftem journalistischen Ruf ausgestattete Tageszeitung Die Welt geradezu begeistert die Lage. Wer sich darüber freut, hat die Ernsthaftigkeit der Situation nicht verstanden. Selbst von einigen Winzern wird die Entwicklung bislang noch belächelt und sich stattdessen über die tolle Reife gefreut, die die Trauben nunmehr problemlos erreichen. 

Alexandra Wrann, Chefredakteurin WEINWIRTSCHAFT
Alexandra Wrann, Chefredakteurin WEINWIRTSCHAFT

Syrah, Cabernet Sauvignon, Merlot fühlen sich inzwischen auch in Deutschland wohl. Das mag für die Vielfalt der Erzeuger-Portfolios von Vorteil sein. Mit Blick auf die Gesamt-Entwicklung des Weinbaus sollte es eher aufschrecken. Denn die Kehrseite der Klima-Erwärmungs-Medaille beinhaltet eine ganze Palette an unerwünschten und teils fatalen Neben- und Auswirkungen: Die zunehmende Gefahr durch Spätfröste für die immer früher austreibenden Reben, die Notwendigkeit von Bewässerungen mittels immens kostspieligerer Anlagen, der steigende Pilzdruck durch plötzliche Regenfälle, unerwünscht hohe Alkoholwerte ... Und nicht zuletzt: Der Untergang des Rieslings, wie wir ihn heute kennen. Schon vor über zehn Jahren prognostizierte der Geisenheimer Klimaspezialist Professor Hans R. Schultz eine zunehmende Petrolisierung des Rieslings durch den fortschreitenden Klimawandel. Aus vielen, irgendwann zu warmen Lagen wird die Rebsorte gänzlich verschwinden. 

Ja, es wird mit Nachdruck geforscht und entwickelt. Ein besseres, digitales Klimadaten-Monitoring erleichtert es dem Winzer rechtzeitig die richtigen Maßnahmen einzuleiten. Neugezüchtete Sorten sind weniger anfällig für Pilzkrankheiten. Eine angepasste Ausrichtung der Rebzeilen oder neue Entblätterungstechniken können die Frische in den Trauben besser bewahren. 

Dabei geht es aber, wie so oft, nur um die Bekämpfung eines Symptoms. Dabei sollte das Ziel sein, die Ursache anzugehen, den Klimawandel aufzuhalten oder zumindest abzumildern, solange wir noch eine Chance dazu haben. Und nicht einfach »Viognier statt Riesling« zur Lösung auszurufen und weiterzumachen wie bisher. Die Weinbranche hat dazu, wie jeder andere Wirtschaftszweig, mannigfaltige Möglichkeiten, von schonenderer Weinbergsbearbeitung über Ökostrom bis zur Leichtglasflasche. Auch der internationale Austausch auf Konferenzen und Symposien, der in den vergangenen Monaten und Jahren merklich zunimmt, hilft. So wird sich auch die nächste Meininger’s International Wine Conference am 18. März 2023, traditionell am Vortag der ProWein, um das Thema Nachhaltigkeit in der Weinbranche drehen (Save the date!). Denn eines dürfte klar sein: Nur global und gemeinsam lässt sich etwas bewirken.

Ausgabe 8/2024

Themen der Ausgabe

Württemberg

Die Bewirtschaftung zu teuer, die Bestockung sehr rot – die Weingärten im Ländle stehen vor Veränderungen.

Christof Queisser

Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Rotkäppchen-Mumm im Interview.

Sommerwein

Wenn die Sonne scheint, muss es nicht immer weiß sein – wann Rotwein auch im Sommer passt.