Thomas Hermelink, Vorstandsvorsitzender Hawesko
Thomas Hermelink, Vorstandsvorsitzender Hawesko

Hawesko: »Der Weinmarkt wird sich verändern müssen«

Thorsten Hermelink ist seit 2015 Vorstandsvorsitzender der Hawesko Holding. Seit seinem Antritt entwickelt sich das Unternehmen dynamisch weiter. Mit WEINWIRTSCHAFT spricht er über Expansion in Osteuropa, Online-Rabatte und den Weinhandel im Metaverse.

 

Herr Hermelink, die jüngsten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Der Weinmarkt geht zurück. Wie macht sich das in Ihrem Konzern bemerkbar? 

Wachstum wird dadurch nicht leichter. Aktuell sehen wir zwei konkrete Themen: Zum einen entfällt die Sonderkonjunktur im Heimkonsum nach der Pandemie, zum anderen drückt die Inflation gerade auf die Konsumstimmung in Deutschland. Selbst in der Gastronomie wird aktuell – mit Blick auf den Preis – nicht immer noch die zweite Weinflasche geöffnet. Langfristig wird der Weinmarkt sich weiter verändern müssen. Der Trend geht zu gesunder Ernährung, gesundem Lifestyle und weg von zu viel Alkohol. Genuss steht im Vordergrund. Alkoholfreie Weine und Sekte, leichte Rosés und frische Weißweine wachsen, Rotwein könnte weiter unter Druck geraten. Der Weinmarkt benötigt meines Erachtens innovative Produkte, um nicht weiter rückläufig zu sein.  

 

Alkoholfrei wird also bei Hawesko sukzessive ausgebaut? 

Ja. Es dürfte schon heute kaum jemand ein größeres alkoholfreies Weinsortiment anbieten als wir, abgesehen von Supermärkten im Preiseinstieg. Wir pushen die Entwicklung noch nicht massiv, aber für uns ist das ein Trend, der sich inzwischen durch das ganze Jahr zieht. Und wir sehen, dass sich die Suchanfragen zu diesem Thema auf unseren Seiten jedes Jahr verdoppeln. Es ist noch klein, aber es kommt.

 

Die B2B-Unit wuchs bei Ihnen zuletzt am stärksten, auch durch Akquisitionen im Ausland, etwa mit der 2022 übernommenen Global Wines & Spirits in Tschechien. Soll dieser Bereich noch weiter wachsen?

Wir sehen im B2B-Bereich Wachstumspotenzial für uns. Insbesondere osteuropäische Märkte finden wir hier spannend. Deswegen sind wir auch in Tschechien aktiv geworden. Die osteuropäischen Märkte entwickeln sich im Premium-Bereich gerade erst und haben aktuell zum Teil weder eine E-Commerce-Infrastruktur noch entwickelte stationäre Fachhandelskonzepte. Wir sehen Potenzial von Polen über Lettland, Litauen bis nach Estland. 

Hawesko Holding SE

Mit 671 Mill. Euro Jahresumsatz in 2022 ist Hawesko das größte Weinhandelsunternehmen Deutschlands und wächst auch in Europa immer stärker: 2022 wurde die Rechtsform von einer AG in eine SE (Societas Europaea) geändert, um den immer stärker werdenden Aktivitäten im Ausland Rechnung zu tragen. Mit zahlreichen Tochtergesellschaften bedient Hawesko so gut wie alle Handelskanäle, vom Einzelhandel, vor allem mit Jacques’ Wein-Depot, über Fachhandels- und Gastrospezialisten wie der Wein Wolf GmbH bis zum E-Commerce etwa mit hawesko.de oder, im Ultra-Premium-Bereich, mit der Tesdorpf GmbH. 2022 kam mit der tschechischen Global Wines & Spirits ein neuer Auslandsposten hinzu, ein erster Schritt zu mehr Wachstum in Distribution und Retail im osteuropäischen Raum. 

Das Thema Europäisierung ist also das aktuelle strategische Gebot der Stunde bei Hawesko?

Ja, Wachstum in Europa ist für uns wichtig. Wir gehen das Thema in zwei Richtungen an. Einmal über Akquisitionen, einmal über den Rollout eigener Konzepte im Ausland. Für Akquisitionen haben wir eine Longlist von Firmen, die uns interessieren könnten. Einige sprechen wir aktiv an, meistens müssen wir aber auf eine Opportunität warten und dann prüfen wir diese für uns. 

 

Mit WirWinzer sind Sie ja bereits den nächsten Schritt Richtung Europäisierung gegangen. 

WirWinzer ist auf dem Weg, ein europäischer Marktplatz zu werden. Und das finde ich hochspannend. Wir sind nach Österreich gegangen, haben dort österreichische Winzer akquiriert, jetzt sind wir in Italien und akquirieren italienische Winzer, französische Winzer in Frankreich, spanische Winzer in Spanien, usw. All diese Weine wollen wir als Vermittler paneuropäisch anbieten und immer direkt vom Winzer zum Endkunden verschicken. Es wird keine Lagerhaltung geben. Das ist auch aus Nachhaltigkeitsgründen eine gute Sache. Natürlich muss der Warenkorb etwas höher sein, wenn ich im Ausland kaufe. Sonst lohnt es sich nicht. Aber ich kann mir vorstellen, dass der Direktbezug beim Winzer und auch der Kontakt zum Winzer für Kunden, die genau wissen, was sie möchten, sehr spannend sein kann. 

Genauso kann ich mir vorstellen, dass Wein & Co. in Metropolen außerhalb Österreichs Fuß fassen wird. Das Format findet sicher auch in anderen Ländern Akzeptanz. Wein & Vinos haben wir zum Beispiel vergangenes Jahr ganz leise Online in der Schweiz gelauncht.
 

Das neue Logistikzentrum in Tornesch wird derzeit um 50 Prozent vergrößert und soll Ende des Jahres in Betrieb genommen werden
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E-Commerce hat jetzt, wie wahrscheinlich schon vorher im Buch- und im Fashionbereich, im Weinsektor seine Kunden gefunden. Das wird sich nun über die Demografie langsam verändern. Wir werden auch in Zukunft den Onlinekanal weiterentwickeln und bauen zum Beispiel gerade einen Marktplatz für Hawesko. 

Ist das ein mit Amazon vergleichbares Modell?

Nein, jeder Wein wird nur einmal auf dem Marktplatz sein. Es wird keinen Preiswettbewerb auf Hawesko.de geben. Aber wir möchten eine viel breitere Angebotsvielfalt an Weinen haben. Auch Weine, die dann auch aus fremden Lagern kommen.

Und offline?

Bezüglich Jacques’ glauben wir, wir können 500 Läden in Deutschland haben. Derzeit haben wir ca. 330. Wir haben bisher immer geglaubt, bei 350 ist wahrscheinlich Schluss. Neue Analysen unserer Geschäftsführer zeigen, dass wir deutlich mehr Jacques’ Stores in Deutschland eröffnen können. Insofern werden wir versuchen, in den nächsten Jahren etwas schneller zu expandieren. 

Wo genau?

Wir verdichten. Wir können in Hamburg und Berlin noch weitere Läden eröffnen, wir können im Stuttgarter Raum und auch im Osten von Deutschland noch mehr machen. 
Wir haben inzwischen gelernt, dass wir pro Laden viel kleinere Einzugsgebiete brauchen. Jacques’ ist der lokale Händler um die Ecke. Wenn wir motivierte Partner finden, die Spaß daran haben, sind bis zu 500 Läden in Deutschland realistisch.

 

Ist das ein Aufruf an potenzielle Partner, die die WEINWIRTSCHAFT lesen und sich gerne melden dürfen?

Ja, gerne bei Jacques’ direkt. Neue Partner sind der entscheidende Faktor bei der Expansion. Wir möchten zwar schneller expandieren, aber nicht das Risiko für die Partner oder für uns erhöhen. Jacques’ hat kaum einen Laden jemals wieder geschlossen, und das soll so bleiben. 

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Lesen Sie den kompletten Artikel in WEINWIRTSCHAFT 11/2023, die am 02.06.2023 erschienen ist. Hier geht es zum Shop, wo sie das Heft abonnieren, oder auch einzelne Ausgaben bequem bestellen können.

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Ausgabe 8/2024

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