Text: Sebastian Bordthäuser
Die Preise für Weine, die noch vor wenigen Jahren anstandslos zu kaufen waren, haben sich binnen kürzester Zeit vervielfacht. Dazu kommt ein globaler Sekundärmarkt, der sogar bei den Auktionshäusern Sotheby’s und Christie’s Bordeaux auf Platz zwei verwiesen hat. Eine stabile Positionierung bei steigenden Preisen, Tendenz: ohne Limit.
Das Burgund blickt zweifelsfrei auf eine lange Tradition zurück, doch noch bis Ende der 1990er-Jahre wurde davon kaum Aufhebens gemacht. Die Weißen durchliefen Ende der 1990er- bis Mitte der 2000er-Jahre den Zenit ihrer Premox-Phase vorzeitiger Alterung, die Roten unter Premiers und Grands Crus kaufte man trotz kleiner Qualitäten, um die Allokation nicht zu gefährden. Zu teuer waren sie schon längst, und auch heute noch ist längst nicht alles Gold, was glänzt. Es kann nur mittlerweile empfindlich kostspielig werden, das herauszufinden.
Das Burgund repräsentierte immer eine höchst heterogene Gemengelage, und es brauchte viel Zeit, Geld und Sachverstand, um sich eine Expertise zu ertrinken. Das wird heutzutage immer unmöglicher, denn die wenigsten Restaurants leisten sich die großen Weine des Burgund. Zu groß sind die Nachfrage und die damit verbundenen Preise, die Koppelungen und letztlich die mageren Zuteilungen. Das ist für viele Betriebe heute nicht mehr zeitgemäß. Ergattert man ein paar Flaschen der begehrten Kreszenzen, kommen sofort die Heuschrecken, um sie einem wegzubechern. Und während die eine Flasche geleert wird, steigt ganz nebenbei der Preis für die nächste, weil es schon wieder eine weniger ist. Lagen, die bislang als drittklassig galten und für die es noch vor wenigen Jahren kaum Abnehmer gab, werden heute zu Höchstpreisen verkauft, weil die Aktie Burgund rasanter steigt als die Fieberkurve beim Gedanken an die nächste Gasrechnung. Bei Lichte betrachtet ein höchst unerfreuliches Spiel.
Doch so fest und statisch das alte Burgund erscheint – es bewegt sich etwas, und zwar gewaltig. Eine Reihe junger, nicht mehr ganz so junger, aber in jedem Fall neuer Winzer produziert Weine, die sich wohltuend vom Gros abheben, ohne ihre Herkunft zu verneinen. Sie verbindet eine Eigenschaft, in der vielleicht auch der Erfolg begründet liegt: Die meisten haben keinerlei Verbindungen ins Burgund, keinen Familienbesitz, keine Tradition und damit auch keine Verpflichtungen und Verbindlichkeiten. Dazu arbeiten die meisten von ihnen biologisch oder biodynamisch. Viele sind Expats und nicht einmal Franzosen. Sie produzieren Weine, die trotz oder eben wegen dieser Besonderheiten ihre eigene Klasse bilden, da sie auf einem anderen Fundament stehen als das klassische Burgund: sie bewirtschaften andere Lagen, und auch Sorten wie Pinot Blanc, Pinot Gris oder Gamay rücken wieder mehr in den Fokus. Zwar ist das Lagensystem das weltweite Vorbild für die ideale Herkunfts-Klassifikation, doch die namhaften Lagen sind auf immer und ewig vergeben und die Kilo-Preise für Trauben lassen sogar die Champagne alt aussehen. Das dynamische Burgund findet folglich auf ganz anderem Grund und Boden statt. Ein paar Zeilen hier, ein paar Zeilen dort, alles jedoch mit einer Aufmerksamkeit und Hingabe wie bei einem Grand Cru.
Expats mit Feingefühl
Einer der ersten, die ins Burgund kamen, war der Australier Andrew Nielsen und seine englische Frau Emma. Getrieben von seiner Liebe zu Chardonnay und Pinot Noir gründete er sein Weingut Le Grappin. Nielsens Blick begrenzt sich nicht allein auf die Côte d’Or, sondern inkludiert das Maconnais, das Beaujolais und die Rhône. Mit Hingabe und Handwerk konzentriert er sich auf solche Lagen, die lange als zweitklassig galten und nicht die nötige Aufmerksamkeit bekamen. Allein dieser Ansatz hebt die Weine auf ein völlig anderes Niveau, als es das Festhalten am Lagensystem erlauben würde. Der Betrieb von Andrew liegt inmitten von Beaune, in einem alten Gewölbekeller, wo alle Weine vinifiziert werden, vom szenigen Glou Glou bis zu den Lagenweinen aus Savigny-lès-Beaune.
Ein weiterer Australier im Burgund ist Christian Knott. Der Expat kam 2009 nach Frankreich und entschied sich fürs Bleiben, nachdem er seine Frau Morgane kennenlernte. Die beiden betreiben seit 2016 die Domaine Dandelion und bewirtschaften 2,2 Hektar nach biodynamischen Richtlinien. Sie verarbeiten Aligoté, Pinot Noir, Gamay und seit letztem Jahr auch Äpfel. Denn hinsichtlich ausreichender Traubenmengen war das letzte Jahr derart bescheiden, dass die beiden begannen, Cidre von alten Streuobstanlagen zu produzieren, um überhaupt etwas verkaufen zu können. Die Lagen der Domaine Dandelion liegen an den Hautes-Côtes de Beaune in Meloisey, nur einen Berg weiter als St. Romain.
Saint-Aubin wirkt manchmal wie die Keimzelle des neuen Burgund. Dort liegt auch das Weingut Vin Noé von Jonathan Purcell. Mit Stationen in Südafrika und Australien im Gepäck kam der Kalifornier 2012 ins Burgund. Nach dem Start ohne eigene Flächen und mit einem Beaujolais aus gekauften Trauben konnte er den Betrieb von Jean-Jacques Morel übernehmen, dem ersten Biodynamiker des Burgunds. Der verpachtet seit ein paar Jahren seinen Betrieb an Jonathan, womit natürlich auch ein entsprechendes Portfolio an Lagen mit alten Reben in Saint-Aubin, Pommard und Puligny-Montrachet verbunden ist.
Germany goes Burgundy
Neben Australiern und Kaliforniern gibt es auch eine Reihe deutscher Winzer, die der Strahlkraft des Burgunds folgten. Catharina Sadde vom Weingut Les Horées in Beaune ist einer der momentan am heißesten gehandelten Neuzugänge. Die gelernte Köchin aus Dresden sattelte nach einem Praktikum bei Schäfer-Fröhlich um auf Wein, studierte in Geisenheim und Montpellier und schaffte es, eine Praktikums-Zusage bei DRC zu bekommen. Seitdem arbeitete sie in Top-Gütern als Außenbetriebsleiterin und setzte sich viel mit biologischer und biodynamischer Bewirtschaftung auseinander. Der eigene Wein war zunächst ein nebenberufliches Projekt, bis 2018 die Gelegenheit kam, eine Parzelle in Beaune zu kaufen. Als sich 2019 erneut die Gelegenheit bot, weitere Flächen zu erwerben, schlug Catharina zu und setzte alles auf eine Karte. Sie kaufte das Betriebsgebäude und Lager eines alten Négoce, der die Fässer vom gegenüberliegenden Bahnhof einst in alle Welt verschickte. Die 1,3 Hektar werden ausschließlich von Hand nach biodynamischen Richtlinien bewirtschaftet und umfassen Parzellen in Beaune, Pommard und Volnay.
Auch Bastian Wolber hat kürzlich seinen Keller in Volnay bezogen, ganz oben am Rande des Dorfes, direkt an den Reben. Bevor er sich selbstständig machte, arbeitete er bei Jean-Yves Bizot und war zuvor im Jura bei Ganevat. Wolbers Bruder Christoph ist übrigens einer der beiden Macher von Wasenhaus in Baden, die selbst mit Top-Pinots und -Weißburgundern glänzen. Wolber produziert dort seine Weine unter dem Namen Laisse Tomber in Kleinstmengen, die sie bereits jetzt zu begehrten Trouvaillen machen.
Einer der ersten Burgund-Neustarter mit Deutschland-Bezug war die Japanerin Tomoko Kuriyama, die seit 2010 zusammen mit ihrem Mann Guillaume Bott das Maison Chanterêves betreibt. Kuriyama war zuvor beim Weingut Fürst in Bürgstadt, wo sie ihre Lehre machte, bevor sie ins Burgund ging. Ohne eigene Lagen machte sie sich auf die Suche nach besonderen Terroirs und alten Reben und wurde in Saint-Romain, Auxey-Duresses, Pernand-Vergelesses und Ladoix fündig. In den letzten Jahren kamen sukzessive weitere Flächen hinzu und konnten teils sogar gekauft werden. Inzwischen hat sich der Betrieb als feste Größe etabliert und gilt als Impulsgeber für die Generation des neuen, dynamischen Burgunds.
In Sampigny-lès-Maranges, im südlichen Teil der Côtes de Beaune, liegt die 2020 gegründete Domaine de Cassiopée von Hugo und Talloulah Mathurin. Maranges liegt südlich von Santenay und Chassagne-Montrachet und galt im Vergleich zu den Lagen der Côtes de Beaune lange Zeit als minderwertig, weil die Reife hier gut zehn bis 14 Tage später erfolgt. Im Zuge der Klimaerwärmung hat sich dies jedoch korrigiert – ganz klar zum Vorteil, wie der Maranges Les Plantes von 110 Jahre alten Stöcken eindrucksvoll beweist. Das Haus mitten im Ort ist ein kleines Juwel, unten im Keller werden die Weine vinifiziert. Hugo, der zuletzt bei Jean Marc Roulot im Keller arbeitete, will nicht größer werden, sondern stattdessen die Qualität weiter nach vorne bringen. Dafür bewirtschaftet er wie eigentlich alle Kollegen seiner Generation seine Weinberge biologisch-dynamisch und setzt auf gesunde Böden als Basis lebendiger Weine mit klarem Herkunftscharakter.
•Renaud Boyer, Meursault (Vins Vivants)
• Maison Chanterêves, Savigny-lès-Beaune, Tomoko Kuriyama & Guillaume Bott (Vinisüd)
• Vin Noé, Saint-Aubin, Jonathan Purcell (kein Importeur)
• Domaine Eleni & Edouard Vocoret, Chablis (KR-Weinhandel)
• Maison A&S, Beaune,
Pierre-Alexandre Soltana und Alexandre Aires (KR-Weinhandel)
• Le Grappin, Beaune, Andrew und Emma Nielsen (Reinwein)
• Santini Collective, Auxey-Duresses, Christopher Santini (Reinwein)
• Domaine Didon, Chassey-le-Camp,
Côte Chalonnaise, Naïma & David Didon
(Olivier Grosjean)
• Domaine Dandelion, Mavilly-Mandelot, Hautes-Cotes de Beaune
(kein Importeur)
• Bastian Wolber, Volnay
(Freiheit Vinothek)
• Tino Kuban, Meursault
(Freiheit Vinothek)
• Les Horées, Beaune, Catharina Sadde (Vinisüd)
• Domaine de Cassiopée, Sampigny-lès-Maranges, Hugo & Talloulah Mathurin (Vin sur Vin)
• Maison En Belles Lies, Bonnencontre, Saint-Aubin, Pierre Fenals
(Vinoteca Maxima)
• Vins Sextant, Saint-Aubin, Julien Altaber (Vinaturel)
• Domaine Derain, Saint-Aubin,
Carole & Julien Derain (Vinaturel)