Ein Streit ist entbrannt um die Rebsorte Primitivo.
Ein Streit ist entbrannt um die Rebsorte Primitivo.

Apulien regt sich auf

Eine Welle der Empörung erhebt sich in Apulien, weil auf Sizilien der Anbau von Primitivo erlaubt wurde. »Für uns ist diese Verfügung unzulässig. Diese Entscheidung beleidigt unsere Geschichte. Der Primitivo ist eine apulische Rebsorte, kohärenter Ausdruck unseres Territoriums und unserer Weinbautradition«, heißt es in einem kuriosen Papier, das über die Presseabteilung des Konsortiums Primitivo di Manduria DOC verbreitet wurde und von den Konsortien Salice Salentino DOC, Primitivo di Gioia del Colle DOC, Brindisi und Squinzano DOC, Castel del Monte DOC und DOCG, ebenso wie von der Vereinigung der Weinfrauen Apuliens (Donne del Vino), dem Verband des Weintourismus der Region, den Vertretern der Önologen-Vereinigung Assoenologi für Apulien, Basilikata und Kalabrien und selbst von den Bauernverbänden Cia Apulien und Confagricoltura Apulien unterzeichnet wurde. Man könne nicht zulassen, dass Apulien dieses Erbe entrißen würde, und gar: »Die Autorisierung für den Anbau und die Produktion von Primitivo auf Sizilien ist als Missbrauch zu betrachten«.

Komisch, dass die Wut über ein Dekret, das am 9.August 2019 verabschiedet wurde, erst am 1.Mai 2020, dem Datum des Schreibens, ausbricht. Seltsam, dass sie nicht ebenfalls Abruzzen, der Basilikata, Kampanien, dem Latium, Sardinien und Umbrien entgegengeschleudert wird oder wurde. Dort darf man schon seit 2009 Primitivo anbauen. Absurd, Grenzen für eine Rebsorte einzufordern. Es können laut EU – und dementsprechender nationaler Gesetzgebung – nur Herkünfte geschützt werden, keine Rebsorten, wie eigentlich jeder in der Branche wissen müsste, vor allem die im Sturm im Wasserglas vereinten Weinverbände. Verständlich hingegen die Befürchtung, dass auch andere Regionen, vielleicht besonders Sizilien, ebenfalls in der Lage sind gute Weine aus Primitivo hervorzubringen, trittbrettfahren und Marktanteile abgreifen könnten

Losgetreten hatte die Protestwelle der ehemalige Agrarverantwortliche der Region Apulien, Dario Stefàno. Er sitzt heute im Senat in Rom. Ende April hatte Stefàno eine dringende Nachfrage bei der Agrarministerin Teresa Bellanova eingereicht, ebenfalls Apulierin, »damit sie sich gegen die Verordnung der Regierung Sizilien aktiviert«. Auf diesen Zug sprang dann die Weltwelt Apuliens auf, nie zuvor sah man sie vereinter als auf dem Protestpapier.
Teresa Bellanova, seit September 2019 Ministerin für Landwirtschaft, Ernährung und Forstwirtschaft im Kabinett von Giuseppe Conte, hatte gleich die passende Antwort bereit. Schon am 2. Mai 2020 ließ sie eine Pressemitteilung auf der Webseite ihres Ministeriums veröffentlichen. Darin heißt es zunächst beschwichtigend: »Niemals werde ich erlauben, dass sich ein sizilianischer DOP- oder IGP-Wein Primitivo nennen darf, ebenso wie nur die sizilianischen DOPs und IGTs den Namen der Rebsorte Nero d‘Avola tragen dürfen.« Dann zieht sie Stefàno und der lärmenden Gefolgschaft die Ohren lang. »Leider ist dies eine Zeit, in der niemand mehr lernt oder sich schlichtweg vorbereitet. Und eine Politik, die jedwede Sache nutzt, nur um ein bißchen Sichtbarkeit zu ergattern, dabei Verwirrung stiftet und außerdem noch alle möglichen Erwartungen weckt, ist richtig traurig«, so die Politikerin. Nach geduldiger Nachhilfe in Sachen Rechtslage, was also geschützt werden kann und was nicht, weist sie auf das Ministerialdekret vom 13. August 2012 (Anlage 2) hin. In dem werde bereits »unmissverständlich« angegeben, dass die Rebsorte Primitivo ausschließlich auf den Etiketten der DOPs und IGTs Apuliens ausgewiesen werden darf, sowie auf jenen der Basilikata, Kampanien, Abruzzen, Umbrien, Latium und Sardinien. Sizilien ist also eh nicht dabei.
»Eine größere Umsicht und Sorgfalt wäre in diesem Fall ebenfalls angeraten gewesen, um keine ungerechtfertigten Alarmsignale und Konflikte zwischen  Regionen zu erzeugen, vor allem im Mezzogiorno. Stattdessen müssten und könnten die süditalienischen Regionen gemeinsam für Qualität und für die Anerkennung ihrer exzellenten Produkte kämpfen und Strategien für eine globale Positionierung entwickeln«, schließt die 61-jährige, in der Provinz Brindisi geborene Ministerin, ihre Stellungnahme ab.

Auf Sizilien hatte das Regionale Institut für Rebe und Wein bereits in den 90er Jahren mit dem Versuchsanbau von Primitivo begonnen. Er dauerte über zehn Jahre, aber bis vor kurzem hatte niemand Interesse an der Zulassung, also für den professionellen Anbau. Ein paar Kellereien scheinen nun doch mit Apuliens Bestseller zu liebäugeln, deshalb und aufgrund der positiven Forschungsergebnisse wurde sein Anbau autorisiert, im August 2019, gemeinsam mit einigen der antiken autochthonen Sorten. vc

Schlagworte

Ausgabe 8/2024

Themen der Ausgabe

Württemberg

Die Bewirtschaftung zu teuer, die Bestockung sehr rot – die Weingärten im Ländle stehen vor Veränderungen.

Christof Queisser

Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Rotkäppchen-Mumm im Interview.

Sommerwein

Wenn die Sonne scheint, muss es nicht immer weiß sein – wann Rotwein auch im Sommer passt.