Die italienische Weinwelt trauert über den Verlust einer außergewöhnlichen Winzerpersönlichkeit, den Schöpfer der Spitzenweingüter Tenuta di Trinoro in der Toskana und Passopisciaro am Ätna.
Als Visionär und Pionier wurde Andrea Franchetti schon zu Lebzeiten gefeiert und wer ihn kannte, war zudem von seinem Schöngeist, seiner Sensibilität und seiner Intellektualität fasziniert.
Bevor er als Weinmacher Karriere machte, pendelte der Sohn einer amerikanischen Mutter und eines italienischen Vaters zwischen Amerika und Italien. In Rom und in den Marken besaß er ein Restaurant, in New York eine Importfirma für feine italienische Weine, die in den 1980er Jahren begannen, die USA zu erobern.
Von Bordeaux geprägt
1990 beschloss er, auf einem baufälligen Besitz in einem der abgelegensten Winkel des Val d‘Orcia in der Toskana Wein herzustellen. Er hatte die Intuition, dass dieser Ort berufen für den Weinbau ist, aber keine Ahnung von Winzerhandwerk.
In Bordeaux weihten ihn Weinmacher wie Peter Vinding, Peter Sisseck, Alain Vauthier (Ausone) und Luc Thunevin (Valandraud) in die Künste ein und trafen auf ein hochbegabtes Talent. Franchetti brachte die Stöcke von bordelaiser Sorten mit nach Trinoro, pflanzte 1991 und wartete bis zum Jahrgang 1997, um den ersten Tenuta di Trinoro auf die Flasche zu ziehen. Die internationale Weinkritik war sofort begeistert.
Ätna-Pionier
Im Jahr 2000 infizierte er sich als einer der ersten mit dem Ätna-Fieber. Franchetti kaufte ein verlassenes Weingut am Nordhang des Ätnas über dem Weiler Passopisciaro, brachte die alten Weingärten in Schuss und pflanzte neue Anlagen mit einer Dichte von 12.000 Stöcken/Hektar.
Während er im Val d‘Orcia in Splendid Isolation lebte, trieb er in Sizilien mit anderen Pionieren die Nouvelle Vague der Ätna-Produktion voran. Der zugereiste Freigeist wurde eine Bezugsperson für viele Jungwinzer. Auch sein Ruhm, den er als Schöpfer von Trinoro erlangt hatte, verhilft dem wiederentdeckten Ätna-Anbaugebiet zu erhöhter Aufmerksamkeit.
Sein Cru-Denken, das er aus Bordeaux importiert und auf der Tenuta di Trinoro umgesetzt hatte, wurde auf Passopisciaro mit dem »Contrade«-Konzept weitergeführt. Um den Ätna-Winzern ein konzertiertes Auftreten zu ermöglichen, initiierte der großzügige Gentleman ab 2008 die Veranstaltung »Le Contrade dell‘Etna«. Er stellte den Winzern seine Kellerei zur Verfügung, um das Zusammenkommen von Fachleuten und Herstellern zu ermöglichen.
Vor allem die Kollegen vom Ätna sind unter Schock und traurig. Auf den sozialen Netzwerken kommen ihre Gefühle zum Ausdruck, vor allem das der Dankbarkeit.
Andrea Franchetti verstarb im Kreise seiner Familie am 6. Dezember 2021 in Rom. Er wurde 72 Jahre alt. vc