Alice und Bruno Paillard – ihr Blanc de Blancs richtet sich mit zarter Perlage gezielt an die Gastronomie
Alice und Bruno Paillard – ihr Blanc de Blancs richtet sich mit zarter Perlage gezielt an die Gastronomie

Demi-Mousse: ein Methode mit Tradition und Zukunft

Halber Schaum? Die wörtliche Übersetzung taugt nur bedingt. Gemeint sind Champagner, die von Haus aus mit etwas weniger Druck erzeugt werden. Was steckt hinter dieser Methode, die durchaus Tradition hat in der Champagne?
Text: Sascha Speicher

Ein Chef de Caves, der sich bestens auskennt mit dieser Methode, ist Didier Mariotti von Veuve Clicquot. Sein Extra Old Extra Brut wird auf diese Weise hergestellt. „Wir verwenden bei der Tirage zwischen 18 und 20 g Zucker pro Liter, statt wie üblich 24 g.“ Auf diese Weise baut sich bei der Flaschengärung nur ein Druck von 4,5 bis 5 bar statt 5,5 bis 6 bar auf. „Diese Technik ist interessant bei bestimmten Weinen, um die Textur am Gaumen zu verstärken, die Cremigkeit zu betonen.“

Erfunden hat den Extra Old Extra Brut sein Vorgänger, Dominique Demarville, heute bei Lallier. Er besteht nur aus Reserveweinen, was ihn einzigartig macht in der Welt der großen Marken. „Wir haben bei Veuve Clicquot 400 verschiedene Reserveweine im Keller. Das ist eine der größten Kollektionen der Champagne. Die Weine lagern getrennt nach Jahrgängen, Villages, Rebsorten. Das macht es für mich als Kellermeister extrem spannend“, merkt man Mariotti an, dass er sichtlich Spaß hat an seinem neuen Job. „Der Extra Old Extra Brut ist eine Reise quer durch die Champagne und über einen Zeitraum von 30 Jahren. Es bleibt aber bei der Dominanz des Pinot Noir, das Markenzeichen von Veuve Clicquot.“ Doch warum die Tirage mit weniger Zucker und somit weniger Druck als Endresultat? „Demi-mousse betont zusätzlich den Charakter des Weins, die Reserveweine kommen so besser zur Geltung. Die Perlage stellt sich in den Dienst des Weins und unterstreicht zusätzlich die Dimension der Textur. Dadurch wird auch die Vertikalität des Weins verstärkt.“ Da weniger Druck in der Flasche vorhanden ist und auch die Bläschen von Beginn an kleiner sind, benötigen Champagner, die mit dieser Methode erzeugt werden, weniger Flaschenreifung. „Diese Champagner sollten auf jeden Fall eher jünger getrunken werden“, bestätigt Mariotti.

Dreimal "Demi-Mousse"
Dreimal "Demi-Mousse"

Vor seinem Wechsel zu Veuve Clicquot arbeitete Mariotti, ebenso wie sein Vorgänger Dominique Demarville, für Champagne G. H. Mumm et Cie. Wenn es einen Pionier für diese Methode der Champagnerbereitung gibt, dann ist es das Haus mit Sitz in der Rue Champ-de-Mars in Reims. Der Mumm de Cramant war in vielerlei Hinsicht wegweisend. Ein Chardonnay ausschließlich aus einem Cru und dann noch mit weniger Druck hergestellt. „Beim Mumm de Cramant wollten wir die Cremigkeit und Lebendigkeit mit geringer Dosage zusammenbringen“, blickt Mariotti zurück.

Ursprünglich war dieser Blanc de Blancs, den Mumm bereits 1882 erstmals herstellte, als „Crémant de Cramant“ bekannt. Damals war Crémant in der Champagne eine gängige Bezeichnung für Champagner, die mit weniger Druck in der Flasche verkauft wurden. Als jedoch mehr und mehr Schaumweine in Frankreich die Bezeichnung verwendeten, verabschiedete sich die Champagne davon. Aus Crémant de Cramant wurde Mumm de Cramant. Heute trägt die Cuvée den Namen RSRV Blanc de Blancs. Am Konzept wurde jedoch nichts verändert: 4,5 Bar Druck, 6 g/l Dosage, Trauben aus Cramant, zum Teil von jenen Weinbergen, die das Haus 1882 in diesem Grand Cru erworben hat. Ein Champagner, der aufgrund seiner feinen, dezenteren Perlage, seiner Frische, jedoch gleichzeitigen Cremigkeit und Kreidigkeit perfekt geeignet ist als Speisebegleiter, insbesondere von klassischen Fischgerichten mit Beurre blanc. Weniger Druck heißt weniger Perlen, heißt allerdings auch, dass die geöffnete Flasche noch am gleichen Abend geleert und auch nicht allzu wild in der Champagne-Bowl gerüttelt werden sollte. Sonst droht ein vergleichsweise stilles Vergnügen im Glas.

Besonders reizvoll beim Chardonnay

Bis vor wenigen Jahren Kronenkapseln mit unterschiedlicher Luftdurchlässigkeit entwickelt wurden, war die Tirage mit weniger Zucker die eleganteste Methode, um jugendliche Aromatik und feine Perlage zu vereinen. Das kann besonders beim Chardonnay sehr reizvoll sein und erklärt, warum zwei Spitzen­erzeuger für ihren Blanc de Blancs seit Jahren diese Methode einsetzen, ohne dies in der Kommunikation stark zu betonen. Der erste ist Champagne Louis Roederer mit dem Blanc de Blancs Vintage. Eine sehr limitierte Produktion, daher immer sehr schnell ausverkauft. Ein heimlicher Star im Roederer-Sortiment. Die Trauben stammen von der eigenen Domaine la Côte in Avize, einem der Top-Terroirs für Chardonnay in der Champagne. Dieser Blanc de Blancs zeigt, was diese Methode reizvoll machen kann: aromatische Frische und die feinmaschige Verzahnung von Perlage und kreidiger Textur.

Aus 36 verschiedenen Parzellen in Oger und Le Mesnil-sur-Oger stammen die Chardonnay-Trauben für Bruno Paillards Blanc de Blanc Grand Cru Extra Brut. Wie der Blanc de Blancs von Roederer wird die Menge des Zuckers bei der Tirage so gewählt, dass am Ende der zweiten Gärung in der Flasche rund 4,5 Bar Druck vorhanden sind. Beim anschließenden 48-monatigen Hefelager und insbesondere beim Degorgement gehen noch einmal rund 0,5 Bar verloren. Alice Paillard, die Schritt für Schritt die technische Leitung des Familienbetriebs übernimmt, erklärt das Konzept: „Wir wollten mit dieser Cuvée immer den kreidigen Charakter der Champagne abbilden. Dazu gehört auch, ausschließlich die Cuvée, also das Herzstück der Pressung, zu verwenden. Als mein Vater mit dem Blanc de Blancs Grand Cru anfing, war die ‚Tirage à petite mousse‘ die ideale Methode, um dieses geschmeidige Mundgefühl zu erreichen, ohne irgendetwas mit einer hohen Dosage kaschieren zu müssen.“

Bei der Tirage setzt Paillard 20 statt 24 g/l Zucker ein. Bei den restlichen Champagnern des Sortiments sind es 23 g/l. Alices Vater Bruno ist bekannt für seine geradlinigen Ideen. So auch im Fall des Blanc de Blancs, wie Alice Paillard schmunzelnd erzählt: „Er wollte den Blanc de Blancs eigentlich ausschließlich an Fischrestaurants verkaufen, weil unser Blanc de Blancs mit seinem kreidigen Charakter perfekt zu feinen Fischgerichten passt. Das konnte er aber nicht lange so konsequent durchhalten. Doch daher kommt es, dass dieser Champagne eine treue Fangemeinde in der Gastronomie hat.“

Demi-Mousse wirkt gegen hohe Alkoholgehalte

Einige Winzer halten sich die Hintertür offen, bei Bedarf eine Tirage mit weniger Zucker anzusetzen. Das Argument ist in dem Fall der Alkohol, wie Raphael Bérèche, Bérèche et Fils, erklärt: „Für mich geht es nicht darum, das Mundgefühl durch eine zartere Perlage zu verbessern. Da setze ich lieber auf möglichst viel Protein in meinen Grundweinen. Der Ansatz kann aber interessant sein, wenn in einem Jahr die Grundweine sehr reif werden und zum Beispiel 12,5 %vol. erreichen. Dann kann man mittels einer Tirage mit 18 g Zucker/l verhindern, dass der Alkohol durch die zweite Gärung zu hoch steigt.“ 0,3 bis 0,4 %vol. Alkohol ließen sich auf diese Weise „einsparen“.

Cédric Thiebault von Besserat de Bellefon
Cédric Thiebault von Besserat de Bellefon

Stattdessen wird das Lebensgefühl der 60er-Jahre in Frankreich heraufbeschworen, inklusive Brigitte Bardot als Testimonial und Namensgeberin einer speziellen Cuvée. Die Basis-Linie aus Bleu Brut, Rosé Brut und Extra Brut trägt den Namen Simplicité, Einfachheit und soll für den unkomplizierten Genuss stehen. Kleinere Bläschen für gesteigerte Trinkigkeit, sozusagen. Wie bei den meisten Champagnern dieser Machart, kommen auch bei Besserat de Bellefon die Vorzüge der „petite mousse“ am stärksten bei charaktervollen Crus zum Ausdruck. Blanc de Blancs Grand Cru, Blanc de Noirs Grand Cru und Millésime 2008 sind bei Bessarat de Bellefon daher mit dem Motto „ligne élégance“ bezeichnet. 

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote