MEININGERs WEINWELT (04/2011): Cru Bourgeois Jahrgang 2008

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Was genau ist ein Cru Bourgeois und was hat es mit der Neuordnung auf sich? Der Name Cru Bourgeois existiert seit dem 15. Jahrhundert für bordelaiser Rotweine. Mit der Klassifizierung von 1855 wurde eine Elite selektioniert, die Grands Crus Classés, für den Rest der bordelaiser Gewächse blieb nur die zweite Garde übrig. Das wurmte viele Produzenten von Cru Bourgeois, denn die Zusatzangabe Grand Cru Classé sicherte stets einen Aufpreis und einige der besten Cru Bourgeois kamen spätestens seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts qualitativ in Schlagweite zu Cinquièmes und Quatrièmes Grands Crus Classés. So kam es seit 1932 mehrfach zu Klassifizierungsversuchen, zu fast inflationärem Gebrauch des Begriffs Cru Bourgeois und schließlich zu der ab dem Jahrgang 2008 gültigen Neuordnung.
 
Die 2003er Klassifizierung, die nach Cru Bourgeois, Cru Bourgeois Superieurs als Mittelsegment und Cru Bourgeois Exceptionells als Spitze der Qualitätspyramide unterschied, ist annuliert. Mit ihr aus der Alliance des Crus Bourgeois verschwunden sind einige der bisherigen Spitzenreiter wie Chasse-Spleen, Haut-Marbuzet und Phélon-Ségur, aber für andere war der Wegfall der bisherigen Spitzengruppe ein Anreiz. Sie zeigen sich besser denn je, wie unsere Verkostung von 117 der besten Cru Bourgeois 2008 beweist. Nur fünf Weine wurden als zufriedenstellend bewertet, 15 erhielten mit 81 bis 84 Punkten eine “gute” Bewertung, 84 mal hieß es “sehr gut” (85 bis 88 Punkte) und 13 mal “herausragend” (89 bis 91 Punkte). Die durchschnittliche Punktzahl ist mit 83,9 deutlich höher als in den meisten anderen Verkostungen und bei Preis-Leistung ist Cru Bourgeois die vielleicht spannendste Spielart klassischer Bordeaux! Es beginnt bei sechs Euro mit Château Listran (86 Punkte) und selbst der Verkostungssieger Château Dutruch Grand Poujeaux (91 Punkte) ist mit 16,90 Euro jeden Cent wert!
 
Erwartungsgemäß stark zeigten sich die beiden renommierten Weinbauzonen des linken Ufers Pauillac und Margaux – schließlich stammen von hier auch einige der besten Grand Crus Classées. Pauillac konnte über die vier vertretenen Cru Bourgeios eine Durchschnittspunktzahl von 89 Punkten erreichen, Margaux kam auf 87,7 Punkte (sieben Weine verkostet). Überraschend stark die Appellation Moulis-en- Médoc, die mit Château Dutruch Grand Poujeaux den Gesamtsieger stellt und sich mit sieben Weinen und einer Durchschnittsnote von 87,4 Punkten knapp gegen das bekanntere Saint-Estèphe (elf Weine, durchschnittlich 87,1 Punkte) durchsetzen konnte. Listrac zeigte sich solide (sechs Weine, durchschnittlich 86,8 Punkte), danach lag das Durchschnittsniveau des Haut-Médoc (43 Weine, 86,1 Punkte) erwartungsgemäß über dem des Médoc (39 Weine und 84,7 Punkte). Da wir stets bei gleicher Punktzahl dem günstigeren Wein den Vorzug geben, ist in dieser Top-Ten das eher hochpreisige Margaux nicht vertreten, obwohl immerhin zwei Weine mit 89 Punkten bewertet wurden. Hier spielte das Médoc seinen Preis-Leistungs-Joker voll aus. 
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