Beeindruckender Anblick, trauriger Hintergrund. Wie hier im Burgund bemühten sich Winzer um Schadensbegrenzung (Foto: Aurelien Ibanez)
Beeindruckender Anblick, trauriger Hintergrund. Wie hier im Burgund bemühten sich Winzer um Schadensbegrenzung (Foto: Aurelien Ibanez)

Verheerende Frostschäden in Frankreich

Bereits Anfang März mahnten Experten eine brandgefährliche Situation hinsichtlich Frostschäden an, nachdem ausgesprochen milde Temperaturen Ende Februar einen raschen Eintritt in die Vegetationsperiode bewirkten. Anfang bis Mitte März schließlich brachen die ersten Knospen im mediterranen Süden auf, es dauerte nicht lange und die Situation spitzte sich landesweit zu. Seitdem überschlagen sich diesbezügliche Meldungen in französischen Medien.

Wie in den Frostjahren zuvor waren das Burgund – vor allem der Satellit Chablis – und das Loire-Tal betroffen. Dieses Jahr jedoch ist die Lage auch in anderen Anbaugebieten desaströs. »Dies ist wahrscheinlich die größte agronomische Katastrophe des frühen 21. Jahrhunderts«, äußerte sich der französische Landwirtschaftsminister Julien Denormandie in einem Fernsehinterview vom 13. April. In seiner Zusammenfassung sind auch andere landwirtschaftliche Produkte wie Kirschen oder Aprikosen eingeschlossen. Winzern und Landwirten sollen nun dank Katastrophenregelungen finanzielle Hilfen zugestanden werden.

Nachdem wir bereits über erste Schäden und die Bemühungen der Winzer um Schadensbegrenzung berichtet haben, folgen nun einige Updates aus den Regionen.

 

Provence und Languedoc-Roussillon

Das mediterrane Klima sorgt dafür, dass die Vegetationsperiode hier als erstes in Frankreich beginnt. Bereits Anfang März zeigten sich die ersten Blätter in den Weingärten Languedoc-Roussillons. Das ist etwa eine Woche später gewesen als vergangenes Jahr, aber rund drei Wochen früher als im langjährigen Mittel. Nachdem die Winzer Frostschäden in den Nächten vom 21.-24. März befürchteten, welche dann aber überwiegend ausblieben, bereitete der Kaltlufteinbruch ab April den Winzern große Sorgen – landesweit. Noch vor Ostern gab es erste Berichte über Frostschäden bis zu 80 Prozent beim frühen Chardonnay in Kaltluftsenken des Département Gard (Languedoc). 

Eine Zäsur in der Chronik der frostigen Katastrophe stellt die dritte und gravierendste Frostnacht vom 7. auf den 8. April dar: Überall wurden Minusgrade gemeldet, die Schäden in den Weinbergen verursachten. Nur in Küstennähe verlief die Nacht weniger schreckensreich. 

Rund um Brignoles inmitten der Provence wurden infolge der Temperaturen zwischen –4°C und –9°C Verluste von bis 80 Prozent für das Département Var gemeldet. Die zuständige Regionalregierung veranlasst einen Hilfsfond in Höhe von 500.000 Euro für besonders stark betroffene Betriebe. Noch etwas dramatischer sieht es weiter westlich aus: In den Languedoc-Départements Gard, Hérault und Aude berichten Experten von Verlusten bis zu 90 Prozent, etwa in Corbières oder Limoux. Die Temperaturen gingen dort auf bis zu –7°C zurück. Weiter südlich blieb das Roussillon bis auf wenige Ausnahmen ebenso wie die Küstenregion um Fitou verschont. 


Rhône

Die eisigen Temperaturen der Schicksalsnacht auf den 8. April hinterließen auch an der Rhône gewaltige Schäden in den Weinbergen. Der Mistral, der im Sommer für eine kühle Brise sorgt, konnte hier in den ersten beiden Frostnächten Schlimmeres verhindern. Dennoch waren die Winzer zu Gegenmaßnahmen wie Beregnung – in Hermitage mittels Helikoptern – oder dem Abbrennen von Strohfeuern oder Kerzen gezwungen. 

Als dann der Mistral in der dritten Frostnacht abflaute und die Temperaturen auf bis zu –6°C, teilweise auf bis zu –9°C fielen, war die Katastrophe kaum noch abzuwenden. Im 66.000 Hektar großen Anbaugebiet waren nahezu alle Appellationen betroffen, teils mit vollständigen Verlusten bis zu 100 Prozent. Am glimpflichsten kamen hier Lirac und Tavel davon.

Was Frankreich erschütterte, kann Deutschland noch drohen. (Foto: E. Müller, DLR-RNH)
Was Frankreich erschüttert, kann Deutschland noch drohen (Foto: E. Müller, DLR-RNH)


Bordeaux und der Südwesten

Das atlantische Klima sorgt normalerweise dafür, dass Frankreichs größtes Anbaugebiet von größeren Frostschäden verschont bleibt. Nicht so 2021. Das Thermometer fiel hier auf bis zu –6°C und bewirkte Schäden von 80 bis 90 Prozent in den südlich gelegenen Appellationen wie Graves, Sauternes oder Barsac. Entlang der Gironde sorgte die Flussnähe für die Abmilderung der eisigen Temperaturen, so wurden z.B. aus Côtes de Bourg kaum Schäden gemeldet.

Der klimatisch und geographisch heterogene Südwesten wurde ebenfalls schwer getroffen. Hier gilt zwar wie überall, dass die Nähe zu Gewässern zu milderen Temperaturen führte, wenn diese jedoch wie im Armagnac weit entfernt liegen, waren Verluste bis 90 Prozent keine Seltenheit. 


Burgund


Burgund und insbesondere Chablis waren schwer getroffen. Zusätzlich zu den niedrigen Temperaturen bewirkten Niederschläge eine höhere Luftfeuchtigkeit. In Verbindung mit der kesselartigen Topographie von Chablis, die Kaltluftseen begünstigt, betragen die Ausfälle dort infolge von Temperaturen um –5°C bis zu 100 Prozent. 

Auch das übrige Burgund litt schwer unter den Spätfrösten. Trotz zahlreicher Gegenmaßnahmen beklagen die Winzer hohe Verluste. Die Angaben dazu variieren stark, jedoch kann von mindestens 80 Prozent ausgegangen werden, andere Pressestimmen berichten von über 90 Prozent Verlust.


Jura und Savoyen


Das Jura ist die kälteste Region Frankreichs. Aufgrund ungewöhnlich hoher Temperaturen war die Vegetation auch dort vergleichsweise fortgeschritten. Als die Frostnächte um den 6. April begannen, setzten um Arbois und anderswo Schneefälle ein, die trotz Temperaturen um –4°C in den Augen vieler Winzer eine Art natürlicher Schutz hätten bedeuten können. Eine Hoffnung, die sich nicht wirklich bestätigte. Zwar fielen die Verluste, die auf 80 Prozent für das Anbaugebiet beziffert werden, geringer aus als im Süden, aber örtlich, z.B. rund um Arbois, müssen Erzeuger der bitteren Wahrheit eines Totalausfalls ins Auge blicken.

Ähnlich ungleichmäßig zeigt sich die Situation in Savoyen. Aus dem Anbaugebiet in den Alpen werden insgesamt rund 50 Prozent Verlust gemeldet, örtlich bis zu 80 Prozent oder mehr. Die Unterschiede ergeben sich aus einer komplexen topographischen Struktur, bei der sich die Windverhältnisse in den Frostnächten als entscheidend – oder verheerend – herausstellten.


Loire


Erwartungsgemäß fallen die Frostereignisse in diesem großem und heterogenen Anbaugebiet sehr unterschiedlich aus. Trotz der Nähe zum Atlantik fiel das Thermometer im Westen um Nantes auf bis zu –7°C und verheerte rund 80 Prozent, örtlich bis zu 100 Prozent des Austriebs. Weiter im Inland rund um Saumur und Angers fielen die Schäden wesentlich geringer aus. Im am östlichsten gelegenen Teilgebiet um Sancerre und Pouilly-Fumé wird der Schaden auf immerhin bis zu 60 Prozent beziffert. Im Gesamtkontext gesehen kommt die Loire damit vergleichsweise glimpflich davon, auch wenn in der Touraine die größten Ausfälle von 90 bis 100 Prozent zu beklagen sind.


Champagne und Elsass


Die am weitesten im Norden gelegenen Anbaugebiete Champagne und Elsass haben die Frostnächte bislang am besten überstanden. Allerdings gilt für die dortigen Winzer genau wie für ihre Kollegen in Deutschland noch keine Entwarnung. Auch wenn diesseits und jenseits der Grenze der Austrieb wesentlich weniger weit vorangeschritten ist als er es weiter südlich in Frankreich war, liefern die nächsten Nächte den Winzern Anlass zur Besorgnis. Nachdem erste Schadensmeldungen aus Baden kamen, bleibt die Situation auf der anderen Rheinseite im Elsass angespannt, obwohl oder gerade weil dort bislang keine oder nur minimale Schäden auftraten.

Ein wenig anders sieht die Lage in der Champagne aus. Der spät austreibende Pinot Meunier ist erwartungsgemäß von den Frostnächten verschont worden. Pinot Noir und vor allem Chardonnay hingegen nicht. Nichtsdestotrotz werden Verluste in Höhe von etwa 15 Prozent angegeben, was vergleichsweise wenig ist. Entscheidend war auch in der Champagne die Wirkung der Schutzmaßnahmen, mehr noch aber die Lage zur Marne oder die Gefahr durch Kaltluftseen.

Kalte Nächte hinterließen nicht nur Schäden in den Weinbergen Frankreichs. Auch in Italien und Baden werden Verluste gemeldet. sw

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Ausgabe 8/2024

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