Liköre sind bereit für die Hauptrolle im Cocktail-Kosmos (Foto: Cointreau)
Liköre sind bereit für die Hauptrolle im Cocktail-Kosmos (Foto: Cointreau)

Oscarreif!

Nur süße Dessert-Verlockung und Cocktail-Begleiter? Von wegen. 
Mit exotischen Zutaten, verringertem Zuckeranteil und weniger Umdrehungen schleichen sich Liköre an den hochprozentigen Drink-Hauptdarstellern vorbei in Richtung erste Reihe.   

Text: Mia Bavandi

Ein Hoch auf den Cosmopolitan. Die US-amerikanische Fernsehserie „Sex and the City“ wird unter dem Titel „And just like that“ fortgesetzt. Neben den vier Seriendarstellerinnen avancierte auch deren liebsamer Begleiter, der Cosmopolitan-Cocktail, zum Serienstar. Seine Popularität floss weit über Manhattan hinaus, nicht aber die einer seiner unerlässlichen Zutaten. Der Orangenlikör in Gestalt des französischen Premium-Triple Secs Cointreau blieb Nebendarsteller – eine dem Likör neben seinem Image als süßer Nachtisch eingespielte Rolle. Cointreau, der meist ausgezeichnete Orangenlikör der Welt, und seine Pendants Grand Marnier oder Curaçao sind entscheidend für die geschmackliche Richtung des Cosmopolitan und vieler weiterer Klassiker – beständige Komponenten in der Barkultur, die ohne Orangen-, Kirsch-, Bitter- und anderen Likören unvollkommen wäre. 

Die Kategorie der Liköre ist eine der stabilsten und international beliebtesten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland umfassen Liköre in der Summe im Jahr 2019 einen Anteil von 28,4% des Gesamtangebots am Spirituosenmarkt. Den Löwenanteil verschlingen Bitter-, Halbbitter- und Kräuterliköre, die historisch betrachtet auf klösterlichem Boden hergestellt und unter anderem gegen Magen- und andere Verstimmungen verabreicht worden sind. Crème-Liköre, Fruchtliköre, Kaffee-, Kakao- oder Whiskeyliköre und Gewürzliköre ergänzen die facettenreiche Bandbreite. 

Summer Margarita
Summer Margarita
Cocktail-Tipp
Summer Margarita
  • 3 cl Cointreau 
  • 5 cl 1800 Tequila Silver
  • 2 cl frischer Limettensaft
  • 4 frische Erdbeeren

Zubereitung: shake

Glas: Coupette

Garnitur: Salzrand und Minze

"Unersetzbare Spielpartner"

Liköre als solche benötigen einen Mindestalkoholgehalt von 15% vol., einen Zuckergehalt von mindestens 100 Gramm pro Liter – 250 Gramm in Crème-Likören und sogar 400 Gramm bei Crème de Cassis. Der Alkoholgehalt variiert bis rund 40% vol. und in seltenen Fällen (Chartreuse verte mit 55% vol.) auch darüber hinaus. Dazwischen tummelt sich eine Vielfalt an Produkten – Einzeldarsteller wie Neuankömmlinge –, die seit geraumer Zeit das süße Spirituoseneck fluten. Zum Teil der Renaissance der Barkultur, aber auch dem gewachsenen Gesundheitsbewusstsein geschuldet, steigt das Bedürfnis nach einzigartigen Cocktail-Ingredienzien sowie innovativen Likören, die als Alleindarsteller brillieren. 

Exotische Aromen von Avocado bis Zitrone
Exotische Aromen von Avocado bis Zitrone

Mit der Premium-Reihe der Muyu Liköre will DeKuyper der Kategorie einen Neuanstrich verpassen: natürliche, mittels Enfleurage-Technik gewonnene Aromen und ein reduziertes Alkoholvolumen von 22-24% vol. inspirieren Profis wie Genussmenschen zu Low ABV-Drinks, die auch zuhause leicht herzustellen sind. Im Rahmen dieser Kooperation setzen die international bekannten Bartender Simone Caporale mit Muyu Chinotto Nero und Salvatore Calabrese mit Acqua Bianca Zitrusfrüchte neuartig in Szene. Der italienische Italicus hebt Bergamotte auf die Bühne und reagiert mit nur 20 Prozent Alkoholvolumen auf die Nachfrage nach so genannten Low ABV-Getränken.

Zitrusfrüchte satt

Auch Niemand Spirits kommt mit dem Niemand Likör aus Bergamotte und Grapefruit dem sommerlichen Wunsch nach Frische und Zitrusnoten, andererseits mit nur 20 Prozent Alkoholvolumen den Trends hin zu Aperitif, Low ABV und Daydrinking nach. Rechtzeitig zu Sommerbeginn setzt auch die Deutsche Spirituosenmanufaktur auf Zitrone, erweitert ihr Likör-Segment um einen Premium Limoncello und ist überzeugt: „Man schmeckt und schätzt Handwerk und Qualität.“ Eine spannende neue Art von Limoncello verkörpert dagegen der Crema de Licellino, der mit Sahne verfeinert zu einem Zitrus-Dessert für sich wird. Bei Abacaty hingegen verarbeitet man Avocados aus einem kleinen andalusischen Familienbetrieb zu veganem Avocado Cremelikör mit nur 17% vol. für Fans cremiger Liköre und ergänzt das Sortiment um den innovativen Avocado Dry Spirit (24% vol.) für Highballs und Cocktails.  

Thomas Weinberger (Foto: Alexander Pihuliak)
Thomas Weinberger (Foto: Alexander Pihuliak)

„In der Herstellung von Likören ist man freier als bei anderen Produkten. Es ist eine wunderbare Kategorie, um Aromen zu transportieren, die in anderen Spirituosen nicht zu zeigen sind“, meint Thomas Weinberger von der Destillerie
Lantenhammer.

Thomas Weinberger
Destillerie Lantenhammer (Foto: Alexander Pihuliak)

Erst im Februar dieses Jahres wurden deren Kaffee- sowie Eierlikör von Meininger’s International Spirits Awards zum jeweiligen Likör des Jahres gewählt. Das Konsortium Kaffee-, Schoko- und Walnusslikör ist Teil der Liqueurkompositionen für süße Digestifs oder Dessert-Begleiter – der Kaffee-Likör ist gar der Online-Bestseller. „Einerseits profitieren wir von der Popularität des Kaffees, andererseits davon, dass Menschen vor und nach dem Essen oft Leichterem als Hochprozentigem den Vorzug geben.

Gesteigertes Gesundheitsbewusstsein

Der Umgang mit Alkohol hat sich verändert, das Gesundheitsbewusstsein ist gestiegen“, erklärt Weinberger. Der Likör sei prädestiniert, um zudem das aufstrebende Aperitif- und Low-ABV-Thema zu bedienen. „Liköre erlangen mehr Präsenz und dienen gerade bei den beliebten Spritz-Getränken als alleiniger Hauptaromengeber“, findet er. Beispielgebend aus dem Lantenhammer’schen Likör-Portfolio sind hierfür Fruchtbrandliköre (25% vol.). In der Vermählung von Edelbränden mit Direkt-Fruchtsaft bleibt das fruchtige Aroma erhalten, das gepaart mit Tonic, Prosecco, Zitronen- oder Limettensaft den im Trend liegenden, leichten Trinkgenuss bedient und Likör zum alleinigen Cocktail-Protagonisten kürt. 
 

In Frankreich habe diese Likör-Identität bereits lange Tradition. „Wir betonen das nur nicht so stark, weil wir leichte Fruchtliköre wie unsere Crème de Fruits immer schon auf diese Art getrunken haben“, berichtet Paul-Emmanuel Beaupere aus der französischen Likör-Manufaktur Giffard von 1885. Er meint weiter: „Low ABV liegt im Trend, und es gibt einen Markt dafür“. Gerade die Crème de Fruits mit einem niedrigen Alkoholgehalt von 16 Prozent und Fruchtbetonung seien ideal dafür. Angefangen mit dem Minzlikör Menthe-Pastille, einem Parfait Triple Sec oder dem Kirschlikör Guignolet d’Angers bietet Giffard heute ein breites Sortiment von rund 60 unterschiedlichen Likören. 

Durch die Corona-Krise haben sich auch die Trink-Gewohnheiten der Konsumenten geändert. Home Drinking und der Trend zu pre-mixed und easy- oder ready to drink-Getränken ruft Likörhersteller an den Start. „Ein Nebeneffekt, der in den letzten Monaten als Markt neu entdeckt worden und ideal für Liköre ist, weil diese für Konsumenten zum Mixen einfacher zu verwenden sind als hochprozentige Spirituosen“, findet Weinberger. Auch der in den Niederlanden ansässige Likörproduzent Bols reagiert mit „Bols4you“ auf diesen Nebeneffekt. Mit einem Grundrezept von 4 cl ausgewählter Bols-Liköre und einem Filler will der Likör-Produzent den Homebar-Markt mit „Easy Mixen“ ergänzen. 

Die Nachfrage nach regionalen Produkten und das Bedürfnis, zuhause einen Cocktail ohne größeren Aufwand zu genießen, stillt die Stork Club-Whiskey-Destillerie im Spreewald. 

„Um Menschen abzuholen, die keine Lust auf Selbermixen haben“, sagt Bastian Heuser, der mit seinen beiden Kollegen jüngst den Stork Club Whiskey Sour Liqueur lanciert hat.

 Als Likör-Pate wirkt der unvergessliche Klassiker Whiskey Sour, der im Likörgewand mit leichten 20% vol. pre-mixed zuhause als Cocktail erscheint. „Der Markt der Whisky Liköre scheint als Erweiterung der Kategorie Whisky an sich in Bewegung geraten zu sein und bietet die Möglichkeit, Whisky auch an jüngere Zielgruppen heranzuführen“, ergänzt der Spreewood-Destiller. 

Whiskey in Bewegung

Dem kann man auch in der bayrischen Whisky-Destillerie Slyrs etwas abgewinnen. Mit ihrem Bairish Coffee Liqueur aus hauseigenem Single Malt und äthiopischem Sidamo Cold Brew der lokalen Rösterei Dinzler, abgerundet durch Karamell und Vanille, gelang den deutschen Whisky-Pionieren erneut ein aromatisches Kunststück . In der rheinhessischen Destille Kaltenthaler pflegt man Likörkultur auf großem Fuß. Auf den Relaunch des Butterscotch folgt der Ausbau des Originals mit Cold Brew Coffee Liqueur und zudem Irish Whiskey Liqueur – Karamell und Whisky auch hier als „perfect match“. Ein Bratapfel-Likör ist bereits in Planung. „Likör macht einfach Spaß, und besonders unser Butterscotch ist äußerst vielseitig“. Mit Zitrus Espuma gilt der Kaltenthaler’sche Butterscotch Sour in der Wormser „Einraum Bar“ schon lange als „Heimspiel“. Für Liköre geht ein Solches gerade in die Verlängerung. Just like that.  

fizzz 04/2024

Themen der Ausgabe

Juliane Winkler, Berlin

Juliane Winkler, die Restaurantleiterin des „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin liebt ihren Beruf. Und setzt sich mit
#proudtokellner dafür ein, dass er mehr Wertschätzung erhält.

Aperitivo-Konzepte

Die Aperitif-Kultur ist auf dem Vormarsch – wir zeigen brandaktuelle Gastro-Beispiele.

Le Big TamTam

Der neue Hamburger Food-Markt setzt Maßstäbe − auch bei der Zusammenarbeit der Betreiber.