Der Korn feiert sein Comeback in innovativen Cocktailkreationen (Foto: Tanja Nitzke)
Der Korn feiert sein Comeback in innovativen Cocktailkreationen (Foto: Tanja Nitzke)

Das Korn-back

Von der 5-Euro-Bückware zur Premium-Spirituose macht Korn eine bemerkenswerte Entwicklung durch. Auch die Trendgastronomie entdeckt den Getreideschnaps ganz neu. Aber wie setzt man ihn erfolgreich ein und wie bekommt man den Drink zum Gast?

Text: Emmelie Öden

Hand aufs Herz: Korn hat einen ziemlich miesen Ruf. Pennerschnaps, Fanta-Korn oder der wohl sicherste Weg zu einem echt üblen Kater. Wen wundert es da, dass die Barszene lange Jahre einen großen Bogen um ihn machte. Doch schaut man sich die Spirituose genauer an, steht Korn seinen Kollegen eigentlich in nichts nach.

Denn was einige nicht wissen: Korn hat sogar ein eigenes Reinheitsgebot. Demnach dürfen für die Destillation ausschließlich Weizen (inklusive Dinkel, Einkorn und Emmer), Buchweizen, Hafer, Gerste und Roggen verwendet werden, Zusatzstoffe sind außer Hefe und Wasser unzulässig. Außerdem muss die Produktion in Deutschland, Österreich oder der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens erfolgen. Das Ergebnis: ein reines und regionales Grundprodukt ohne Zugaben. Damit unterliegt Korn deutlich strengeren Vorgaben als so manch andere Spirituose und kann sehr hochwertige Produkte hervorbringen. „Kornbrenner sind Traditionsunternehmen oder junge Innovatoren, die sich in der Welt der Spirituosen nicht verstecken müssen“, findet Frieda Lekscha. Mit ihrer Strandbar „Geeske & der swarte Roelf“ hat sie ein Korn-Refugium auf der Nordsee-Insel Borkum geschaffen, wo sie das angestaubte Image des Getreideschnaps ein für alle Mal aufpolieren will. Mit 74 Kornsorten hält die Bar die – nicht überprüfte – „größte Kornauswahl des Universums“ bereit.

Möwe Palöma (Foto: Torsten Dachwitz)
Möwe Palöma (Foto: Torsten Dachwitz)
Korn-Tails
Möwe Palöma

Rezept: "Geeske & der swarte Roelf", Borkum. Foto: Torsten Dachwitz

  • 5 cl Hafenkorn
  • 1 Barlöffel pinke Pfefferkörner
  • 1 Limettenwedge (ausdrücken und dazugeben)
  • fill: Thomas Henry Pink Grapefruit
  • Glas: Highball
  • Garnitur: getrocknete Grapefruit

Alle Zutaten auf Eiswürfel ins Glas geben und leicht verrühren.

Mehr als ein reines Substitut

Frieda gehört zu der Korn-Avantgarde in der deutschen Gastronomie, die die Herausforderung angenommen hat, den Getreidebrand wieder salonfähig zu machen. Der einfachste Weg dorthin ist für viele, Korn als Substitut für Vodka zu verwenden. Denn ja, Korn ist im Grunde Vodka: Eine strenger regulierte Unterkategorie des Sammelbegriffs. Für das Team im „Geeske & der swarte Roelf“ ist Korn der bessere Vodka, „aber mit regionalem Bezug und Reinheitsgebot, was es viel spannender gestaltet“, erklärt Frieda. Auch in der Hannoveraner „LieblingsBar“ kommt Korn immer öfter zum Einsatz, vor allem in den klassischen Vodka-Drinks. „Espresso Martini mit Korn ist der Knaller!“, verrät Inhaber Manuel Mauritz. Er findet, Korn ist eine gute Gelegenheit, um die Klassiker neu zu entdecken. Eine ähnliche Herangehensweise hat Simon Bach vom Kölner „Woods“ und meint: „Ersatz klingt abwertend, aber das ist es gar nicht. Wenn man Drinks neu denkt, muss man irgendwo anfangen.“ Wenn das „Woods“-Team bei der Entwicklung der Drinkkarte die Wahl hatte zwischen Vodka und Korn, hat sich letzterer fast immer durchgesetzt: „Er hatte mehr Geschmack und ein eigenes Profil“, erklärt Simon. Zudem passe er besser zum Konzept der Bar. Denn hier spielen Regionalität und Nachhaltigkeit, Naturverbundenheit und Holz als Produkt eine Rolle: „Da passt Korn vom Thema einfach gut rein.“

Butterbeere (Foto: Paula Hornickel)
Butterbeere (Foto: Paula Hornickel)
Korn-Tails
Butterbeere

Rezept: "Butter & Korn", Berlin. Foto: Paula Hornickel

  • 6 cl Nussbutter-Korn (fatwashed)*
  • 1,5 cl Apfelwasser
  • 3 cl Brombeersirup (hausgemacht)
  • Glas: Coupette
  • Garnitur: Brombeere

Alle Zutaten auf Eis shaken und doppelt ins Glas abseihen.

*Nussbutter-Korn: 300 ml Beurre Noisette mit 1,2l Stoa Korn verrühren, 24h ruhen lassen und über Nacht einfrieren. In das gefrorene Fett ein Loch schlagen und den Korn abseihen.

Obwohl Korn als Vodka-Ersatz einen niedrigschwelligen Einstieg verspricht, sind sich die Liebhaber einig: Er muss als eigenständige Spirituose wahrgenommen werden. „Korn hat es verdient, dass er seinen eignen Stellenwert bekommt“, bringt es Benjamin Schickel, Geschäftsführer der Berliner Bar „Butter & Korn“, auf den Punkt. Hier steht zum Beispiel die „Butterbeere“ auf der Karte mit einem selbstgemachten Nussbutter-Korn (Fatwash), Brombeersirup und Apfelwasser. Experimentiert hat auch Simon Bach, indem er einen Korn selbst fassgelagert und daraus einen roten Negroni hergestellt hat. Überhaupt setzt er gerne auf Negroni-Varianten, etwa den White Negroni Twist mit Roggenkorn, Wermut, Kirschwasser und weißem Kakaolikör.

Schneewittchen (Foto: Dustin Preick)
Schneewittchen (Foto: Dustin Preick)
Korn-Tails
Schneewittchen

Rezept: "Woods", Köln. Foto: Dustin Preick

  • 3 cl Friedrichs Lagerkorn
  • 2 cl Kirschwasser (Schladerer)
  • 1,5 cl Zimtsirup
  • 5 dash Schokoladenbitter
  • 2 cl Kochsahne
  • Glas: Marmeladenglas

Alle Zutaten auf Eis shaken und in ein Marmeladenglas auf Eiswürfel abseihen.

Frieda aus dem „Geeske & der swarte Roelf“ fasst es zusammen: „Du kannst Korn für alle Drinks benutzen, die du sonst auch machst. Es gibt mega coole Einsatzmöglichkeiten!“ In der Borkumer Strandbar setzt sie auf ganz unterschiedliche Qualitäten für verschiedene Drinks und erhält so eine besonders große Bandbreite. Hier landet Korn in der Paloma, wird mit Ostfriesentee fusioniert und fungiert fassgelagert als Whisky. „Korn darf alles und Korn kann auch alles“, weiß Friederike noch die letzten Zweifler zu überzeugen.

Pures Vergnügen? 

Alles? Ja, selbst der Pur-Genuss verliert langsam seinen Herrengedeck-Charakter. Wenn man es richtig macht! Das „Butter & Korn“ hat nicht selten Korn-Kenner zu Gast und serviert die neun Sorten aus dem Backboard gerne als Shots. Für Neulinge stellt Benjamin Schickel aus Apfelshrub einen eigenen Apfelkorn her, der weit hinter sich lässt, was der ein oder andere unter selbigem Namen noch von der Dorfkirmes kennt. Dazu und für viele Shots verwenden Benjamin und Team übrigens ihren eigenen Haus-Korn „STOA“ aus 100 % bayerischem Bio-Roggen. Seit diesem Sommer serviert auch die „LieblingsBar“ ihre KornTails mit dem eigenen Korn, den Manuel Mauritz gemeinsam mit der Destille Hardenberg entwickelt hat. Der „LieblingsKorn“ wird auch gerne pur ausgeschenkt und beweist: Selbst das Image des Korn-Shots lässt sich mit etwas Geduld und Trendgespür aufpolieren.

Mystic Melissa (Foto: Karsten Davideit)
Mystic Melissa (Foto: Karsten Davideit)
Korn-Tails
Mystic Melissa

Rezept: Musa Bay, "LieblingsBar", Hannover. Foto: Karsten Davideit

  • 4,5 cl Lieblings-Korn mit Zitronenmelisse-Infusion*
  • 2 cl Zitronensaft
  • 1,5 cl The Flavourist - Italienische Limonade-Sirup
  • 12 cl Thomas Henry Mystic Mango
  • Glas: Highball
  • Garnitur: Zitronenmelisse und getrocknete Zitrone

Alle Zutaten in ein Glas auf Eiswürfeln geben und leicht verrühren. 

*Korn-Infusion: 50g Zitronenmelisse mit 700ml Korn für 48h im Vakuumierbeutel ziehen lassen. Filtern und abfüllen.

Kreative Rezepte, hochwertige Produkte und viele Ideen – alles schön und gut, aber trinken mag den Korn in der Bar am Ende doch niemand? „Iih, Korn! Ne, den trinke ich nicht“, sei sogar im Korn-Paradies „Geeske & der swarte Roelf“ eine häufige Reaktion der Gäste, erzählt Frieda. Da ist dann Überzeugungsarbeit nötig und der Überraschungseffekt am Ende ist umso größer. Ähnlich kennt es Simon Bach, der skeptische Gäste mit einem kurzen Satz über die Qualität des Korn aufklärt. Manuel Mauritz von der „LieblingsBar“ rät: die Gäste probieren lassen und ihnen vermitteln: „Vertraut uns!“ Für ihn sind vor allem die Vodka-Klassiker mit Korn eine gute Möglichkeit, die Leute mit etwas abzuholen, das sie bereits kennen.

Korn des Jahres: LUK Vintage Korn aus der Birkenhof Brennerei
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Korn-Tipp
LUK Vintage Korn

Der LUK Vintage Korn aus Cognac- und Pinot-Noir-Fässern kann sogar eingefleischte Whisky-Trinker überzeugen. Harmonisch-sanft und charaktervoll kommt der Korn aus der Birkenhof Master Edition daher und wurde zurecht beim Meiningers International Spirits Award ISW als "Korn des Jahres 2020" ausgezeichnet.

Die Mühe lohnt sich, denn Korn bringt so viel mit, was aktuell gefragt ist: Er ist regional, die Herstellung ist extrem transparent und simpel im besten Sinne. Trotzdem bringen die verschiedenen Produkte eine große Bandbreite mit und stammen oftmals aus kleinen Familienunternehmen. Und zu guter Letzt hat wohl keine deutsche Spirituose eine so lange Tradition wie Korn. Um mit Frieda Lekschas Korn-Liebe zu schließen: „Ein Korn ist einfach super ehrlich.“

fizzz 04/2024

Themen der Ausgabe

Juliane Winkler, Berlin

Juliane Winkler, die Restaurantleiterin des „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin liebt ihren Beruf. Und setzt sich mit
#proudtokellner dafür ein, dass er mehr Wertschätzung erhält.

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