Text: Mia Bavandi
Nach seiner Blütezeit, die vor der Jahrtausendwende eingesetzt hat, als Drinks wie Vodka-Soda an jedem Bartresen geflossen sind, und der gemeinhin als neutral schmeckender und olfaktorisch nicht wahrnehmbare Vodka tatsächlich noch die Rechnung bezahlte, ist jener in ein tiefes Loch gefallen - Vodka in seiner vielfach industriellen Fertigung in gesellschaftliche Ungnade gefallen. Gin und die damit verbundene handwerkliche Mannigfaltigkeit haben einen Hype um sich ausgelöst. Ob Vodka heute noch nach altbewährter Manier die Rechnung bezahlt, könnte also eher in Frage gestellt sein.
Immer noch muss sich das Getreidedestillat mit seinem Ursprung in osteuropäischen und seiner expandierten Herstellung weit darüber hinaus gemeinhin den Vorwurf gefallen lassen, neutral im Geschmack zu sein. Dabei ist Vodka reich an Aromen und Geschmack, die allerdings nicht vordergründig oder üppig hervortreten, wie diese sich bei Whisky oder auch Cognac schnell bemerkbar machen.
Das alles soll sich ändern, und das Image dieses als neutral, einfach und billig geltenden Party-Destillats gewandelt werden. Vodka-Hersteller setzen mit ihren Qualitäten auf das Handwerk, die Tradition und Geschichte des jeweiligen Hauses oder der Manufaktur und auf regionale Rohstoffqualität. Damit rücken sie das Terroir von Vodka als landwirtschaftliches Produkt aus ausgesuchten, heimischen Rohstoffen und Wassergüte in den Vordergrund. Nicht zuletzt ist dies dem allgemeinen Interesse an Regionalität und individuellem, unverwechselbarem Ausdruck eines Genussmittels geschuldet.
Laut EU-Spirituosenverordnung ist Vodka oder Wodka “eine Spirituose aus Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs“, die aus Kartoffeln, Getreide oder „sonstigen landwirtschaftlichen Rohstoffen“ destilliert werden darf. Vodka kann dementsprechend aus nahezu allen natürlichen Rohstoffen produziert werden und es gibt auch Beispiele, etwa für Vodka aus Trauben, Reis oder Milch bzw. Molke.
Vodka muss in der EU mindestens 37,5 % Vol. Alkohol aufweisen und darf nicht gefärbt werden. Eine Süßung mit bis zu 8 g Zucker pro Liter ist erlaubt. Eine mehrfache Destillation oder Filtration - etwa mit Aktivkohle - ist ebenfalls erlaubt. Laut Verordnung muss Vodka ein möglichst neutrales Aroma aufweisen und so “ [...] destilliert [werden], dass die sensorischen Eigenschaften der verwendeten Ausgangsstoffe und die bei der Gärung anfallenden Nebenerzeugnisse selektiv abgeschwächt werden.“
Im finnischen Dorf Koskenkorva zum Beispiel wird seit 1953 der gleichnamige Vodka hergestellt und mittlerweile in über 30 Länder exportiert. Die Herkunft und Regionalität sind neben der herausragenden Recyclingquote von 99,9 Prozent und Nachhaltigkeit sehr wichtige Aspekte. Lokale Bauern übernehmen bei der Herstellung eine elementare Rolle. Koskenkorva Vodka hat sich dazu verpflichtet, das Handwerk des regionalen Gerstenanbaus zu sichern, um es an Folgegeneration tradieren zu können. Im Vergleich zu massenhaft industriell gefertigten Vodkas aus gekauftem Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs wird dieser finnische Vodka seit Generationen mit regionaler Gerste von Bauern aus einem Umkreis von bis zu 200 Kilometern und reinem Wasser in einem hochmodernen und effizienten Herstellungsprozess produziert. Diese jetzt sehr modernen und zeitgemäßen Bedingungen waren Koskenkorva bei der Herstellung ihres Vodkas von Beginn an immer wichtig. Die Brennerei gilt auch als Vorreiter in Sachen Bio- und Kreislaufwirtschaft. Im eigenen Bioenergie-Kraftwerk werden Gerstenschalen als Brennstoff verwendet und die Dampfenergie für die Brennerei erzeugt. Produktionsabfälle werden beispielsweise zur Herstellung von Tierfutter genutzt, die Asche der verbrannten Gerstenschalen wird als Dünger verwendet.
Auch der polnische Premium-Vodka Belvedere hat eine neue Vodka-Linie lanciert, die den Gedanken von Einzigartigkeit und Terroir widerspiegeln soll. In den Belvedere Single Estate Rye Vodkas „Lake Bartezek“ und „Smogóry Forest“ liegt die Betonung auf Authentizität, Nachhaltigkeit und Terroir. Auserwählter polnischer Roggen, der Dankowskie Diamond Rye am Bartezek See wie im Smogóry-Wald, handwerkliche Tradition prägen diese Linie.
Kleine Manufaktur-Vodkas wie etwa die deutschen Marken Freimut oder Sash & Fritz haben diesen Trend bereits vor einigen Jahren ins Rollen gebracht und stehen auch heute noch für kompromisslose Handarbeit und Qualitätsbewusstsein. Der „Terroir-Vodka“ ist immer noch eine winzige Nische im Vergleich zum Gros der industriellen Massenware. Doch wer möchte, findet die geschmacklich interessanten Produkte.
Beim Meininger's International Spirits Award ISW zählt ausschließlich der Geschmack und die vergangenen Jahre zeigen, dass einzigartige Qualitäten die Nase vorn haben. 2022 wurde der „Swiss Gold Vodka“ der Destillerie Studer als „Vodka des Jahres ausgezeichnet. Dessen Blattgold-Beigabe kann mit viel Phantasie als Schweizer Terroir interpretiert werden, doch auch unabhängig davon zeigt des Destillat Charakter. Im Vorjahr ging der Sieg nach Frankreich: Der Cobalte Vodka wird statt aus Getreide aus Trauben, genauer gesagt aus klassischen Champagner-Rebsorten destilliert und zeigt eindrucksvoll, welche geschmackliche Vielfalt das Wässerchen mitbringen kann.