Tequila darf laut Gesetz nur aus dem Herzen der blauen Weber-Agave gebrannt werden (Foto: Jesus Cervantes/stock.adobe.com)
Tequila darf laut Gesetz nur aus dem Herzen der blauen Weber-Agave gebrannt werden (Foto: Jesus Cervantes/stock.adobe.com)

Ein Herz für Agaven: 3 Tequila-Trends

Geliebt, gehasst, gehypt: Tequila wird der neue Gin, heißt es immer wieder und die Wachstumsraten untermauern die These. Eine Mischung aus handwerklicher Tradition und Innovationskraft ist das Erfolgsgeheimnis des Tequilas. Wir zeigen die heißesten Agaventrends von morgen!

Text: Tim Allgaier

Schon lange wird dem Tequila der große Durchbruch als neueste Boom-Spirituose prognostiziert und dennoch bleibt hierzulande bei einigen noch die Skepsis, verbunden mit schlechten Erinnerungen an zu viel Zitronen-Salz-ritualisierte Shots mit üblen Nachwirkungen. Wirft man einen Blick in die USA, sieht die Sache hingegen schon ganz anders aus. Knapp zwanzig Prozent aller Spirituosenverkäufe entfallen dort bereits auf Tequila und die Agavenspirituose hat 2020 sowohl Rum als auch Bourbon in der verkauften Menge hinter sich gelassen.

Und ein Ende ist nicht in Sicht. Analysten prognostizieren der Kategorie ein globales Umsatzwachstum von über 50 % bis 2029 – gigantische Aussichten für eine eigentlich seit Jahrzehnten etablierte Spirituose. Die Gründe dafür sind vielfältig: Einerseits strahlen diverse Promi-Tequila-Marken – etwa von George Clooney oder Dwayne ‚The Rock‘ Johnson – mit ihrem Glanz auf die Kategorie ab und verleihen ihr ein Luxus-Image. Andererseits hat die Pandemie und der damit verbundene Trend zu „Cocktails at home“ – Stichwort: Margarita – dem Tequila neue Aufmerksamkeit verschafft.

In Zeiten zurückgewonnener Normalität kommt der Gastronomie nun wieder die führende Rolle im Verkauf zu und die Bars des Landes entscheiden über das Schicksal der Agave mit. Welche Trends weisen die Zukunft und womit kann man seine Gäste noch überraschen?

 

Trend #1: Qualität

Tequila-Trend #1Die Qualität der Tequila-Abfüllungen steigt und treibt das Wachstum der Kategorie voran und vor allem gelagerte Tequilas – Reposado, Añejo oder gar Extra Añejo – verzeichnen ein enormes Nachfrageplus. Zusätzlich zur Cocktailrenaissance rückt der Purgenuss von Tequila zunehmend in den Fokus und eröffnet neue Welten für Genießer. In der Pandemie haben viele neue Konsumenten Zugang zu Premium-Spirituosen gefunden und sind immer mehr bereit, angemessene Preise dafür zu bezahlen. Zwar liegt der Anteil des Blanco Tequilas nach wie vor bei weit über 50%, doch in der ungelagerten Gruppe verschiebt sich das Gleichgewicht mehr und mehr zu Gunsten der 100% Agave-Qualitäten. Für jede Bar, die etwas auf sich hält, ist „100% Agave“ bereits absoluter Standard und das verfügbare Angebot mittlerweile, trotz vereinzelter Lieferengpässe, glücklicherweise sehr groß. Durch die Vielfalt der Sorten und Qualitäten ist Tequila prädestiniert als Crowdpleaser und wer einmal „angefixt“ ist, der macht beim Blanco selten Stopp. Eine hochwertige Tequila-Selektion in der Backbar könnte also bald den ein oder anderen angestaubten Single Malt verdrängen.

Betty Kupsa über das Konzept ihrer Hamburger Bar „The Chug Club“, die aktuellen Trends im Tequila-Bereich und wie sie ihre Gäste mit der Liebe zur Agave ansteckt.

Trend #2: Innovation

Tequila-Trend #2Beim Gin haben wir gesehen, welche Blüten ein Hype treiben kann: Alte und neue Subkategorien – Old Tom, Pink und New Western Style – kamen auf oder wurden wieder en vogue. Beim Tequila zeichnet sich eine ähnliche Lust nach dem Neuen und Unkonventionellen ab. Der neueste Stern am Tequila-Himmel sind so genannte Cristalinos – fassgelagerte Tequilas, denen mittels Aktivkohlefilterung die Farbe entzogen wurden. So entsteht eine kristallklare Flüssigkeit, die mit den aromatischen Eigenschaften etwa eines Añejo überrascht. Hierzulande kann man die verfügbaren Cristalinos noch an maximal zwei Händen abzählen, doch es ist zu erwarten, dass auch aus diesem experimentellen Premium-Bereich mehr und mehr Produkte den Weg zu uns finden. Neu ist das Verfahren nicht und wird bei vielen Rum-Varianten schon seit geraumer Zeit – mehr oder weniger publik – angewandt. Neu ist schlicht die Vermarktung als Premiumprodukt. Eine noch kleinere Nische im zukunftsträchtigen Innovationskosmos nehmen qualitativ hochwertige Flavoured Tequilas ein. Ähnlich wie beim Gin finden sich pinke und blaue Varianten, die mitunter mit Botanicals versetzt werden und so neue, allen voran junge Zielgruppen für den Agavenbrand begeistern möchten.

Drinks mit Bestseller-Potenzial machen eine Spirituose erst so richtig populär und erfolgreich. Tequila spielt gleich in mehreren legendären Drinks die Hauptrolle, wie unsere kleine Zeitreise zeigt.

Trend #3: kein Tequila

Tequila-Trend #3Der vermutlich größte Trend im Tequila-Markt ist genau genommen kein Tequila, sondern die enorme regionale und traditionelle Vielfalt, die im Fahrwasser des Tequila-Booms ein kleines bisschen internationales Rampenlicht erfährt. Die Regularien des Consejo Regulador del Tequila (CRT) erlauben die Tequila-Produktion aus der blauen Weber-Agave nur in fünf Bundesstaaten Mexikos; selbstverständlich hat die Destillation von Agaven aber auch in anderen Gebieten eine große Tradition. Mezcal ist wohl als größter Profiteur des Tequila-Hypes zu nennen und gerade das roughere, oft rauchige Profil des kleinen Bruders aus (u.a.) Oaxaca hat ihn zum Bartenders Liebling werden lassen. Raicilla, Bacanora oder Sotol – welcher strenggenommen nicht aus Agaven gebrannt wird – sind allesamt Beispiele für lokale, handwerklich hergestellte Spezialitäten aus Mexiko. Immer öfter finden kleine Chargen den Weg zu uns und erfreuen Spirituosennerds und Genießer exotischer Tropfen. Aber nicht nur das: Selbst außerhalb Mexikos entwickelt sich langsam eine Kultur der regionalen Agavenspirituosen. Vergangenes Jahr kam mit Selva Nerga etwa das erste deutsche Agavendestillat, das mit Schwarzwald-Fichte verfeinert wurde, auf den Markt. Ohne den Tequila-Boom wäre das wohl undenkbar gewesen oder mindestens unter dem Radar geblieben.

fizzz 04/2024

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Juliane Winkler, die Restaurantleiterin des „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin liebt ihren Beruf. Und setzt sich mit
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